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Das 1931 eröffnete Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin.
© Verlag Murken-Altrogge/aus dem besprochenen Buch

Berliner Krankenhaus-Architekt Ernst Kopp: Kurze Wege im kompakten Organismus

Liegestühle auf der Dachterrasse: Ernst Kopp, der Architekt des Berliner Luther-Krankenhauses, erfand den Klinikbau neu – auch für Ägypten.

Das Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin-Wilmersdorf mag heute als eine Klinik unter vielen erscheinen, doch mit dem Bau wurde Krankenhausgeschichte geschrieben. Zuvor waren Kliniken als weitläufige Pavillon-Anlagen organisiert, wie das Rudolf-Virchow-Klinikum, oder als additive Ensembles von Pflege- und Behandlungshäusern wie die Charité. Im Vergleich zu den Vorgängerbauten zeigt das Martin-Luther-Krankenhaus den radikalen Paradigmenwechsel in der Krankenhausmedizin, der sich in den dreißiger Jahren vollzogen hat.

Der hoch aufragende, blockhaft nüchtern gestaltete Bau ist auch von den damals aktuellen Tendenzen der Neuen Sachlichkeit beeinflusst. Und die im Vergleich zu den vorangegangenen Kliniken in Form von Jugendstilburgen und historistischen Schlössern preiswerte Gestaltung und eine von Architekt Ernst Kopp entwickelte besonders ökonomische Bauweise machten es möglich, in Zeiten der Wirtschaftskrise neue Kliniken zu bauen. 1929 begann die Planung, 1931 konnte bereits eröffnet werden.

Welche Bedeutung der Bau hatte und wie das wechselvolle Leben des Architekten Ernst Kopp (1890–1962) verlief, der mit seinen revolutionären Krankenhausbauten im In- und Ausland erfolgreich war, kann jetzt dank der Biografie des Krankenhaushistorikers Peter Pawlik wiederentdeckt werden.

Ernst Kopp verstand das Krankenhaus nicht als Addition von Funktionen, sondern als komplexen Organismus, dessen Organe optimal zusammenarbeiten sollten, und entwickelte daraus das Grundprinzip des vernetzten modernen Krankenhauses. Ende der zwanziger Jahre hatte er seine neuen Ideen in Vorträgen und Veröffentlichungen geschäftstüchtig propagiert und damit den 1928 gegründeten Verein zur Errichtung Evangelischer Krankenhäuser überzeugen können. 1929/30 entstanden in extrem kostengünstiger Bauart drei fast baugleiche Krankenhäuser in Gütersloh, Holzminden und Neusalz/Oder.

Vor allem ging es ihm um Betriebserleichterungen und kurze Wege. Das bedingte kompakte Baumassen mit kurzen horizontalen Beziehungen und direkten vertikalen Verbindungen. So wuchs auch das Luther-Krankenhaus mit sechs Vollgeschossen in ungewohnte Höhen. Betten- und Behandlungstrakt sind nicht getrennt, jede der 20 Stationen grenzt direkt an die Behandlungsräume. Die Stationen waren damals schon nach dem modernen Pflegegruppen-Prinzip organisiert.

Krankenhausküchen liegen gewöhnlich im Sockelgeschoss, „so dass der Küchengeruch durch das gesamte Haus zu ziehen pflegt“, wie Kopp monierte. Er verlegte die Küchen ins Dachgeschoss, von wo aus sie die Stationen per Aufzug direkt versorgen konnten. Ein Penthouse und ein Dachgarten mit Liegestühlen zum Aufenthalt für die Kranken sind ebenfalls rasch zu erreichen. So entwickelte Kopp durch seine theoretische Arbeit und seine Baupraxis das Bewusstsein und die planerischen Methoden für die Bewältigung der damals komplexesten Bauaufgabe, des modernen Krankenhauses.

Als im nationalsozialistischen Deutschland ab 1936 für zivile Krankenhäuser kein Geld mehr zur Verfügung gestellt wurde, verlegte Kopp sich nicht wie viele Kollegen auf den Bau von Wehrmachtslazaretten, sondern verstärkte seine Aktivitäten im Ausland. In Rio de Janeiro hatte er schon 1931/32 ein deutsches Hospital gebaut. Und im ägyptischen Alexandria war eine Kopie des Luther-Krankenhauses entstanden. Es hatte ein Geschoss und 100 Betten mehr und statt der christlichen Krankenhauskapelle wurde eine Ehrenhalle eingebaut. Bis Kriegsende war Kopp monatelang auf Reisen, um seine Projekte im Orient zu verfolgen. Dem NS-Regime stand er reserviert gegenüber. In seinen Reisetagebüchern enthielt er sich politischer Aussagen, nur den Krieg lehnte er von Anfang an vehement ab.

Nachdem ihn Ägyptens König Fouad dem Schah von Persien empfohlen hatte, plante Kopp 1936 in Teheran ein Uniklinikum. Der Bau kam 1940 kriegsbedingt zum Erliegen und wurde erst Jahre später fertiggestellt. Da sein Berliner Büro 1943 einem Bombenangriff zum Opfer gefallen war, zog die Familie nach Neuhaus am Schliersee. Auch nach Kriegsende gab es in Deutschland für Krankenhäuser noch lange kein Geld, und so emigrierten die Kopps 1949 nach Alexandria. Von dort aus ließen sich Krankenhausprojekte im Iran, in Pakistan, Äthiopien und im arabischen Raum besser steuern.

Anlass für den Umzug war ein Ruf des jungen Königs Farouk, ein großes medizinisches Universitätsinstitut zu bauen. Kopp hatte bei der Entwicklung und Konzeption alle Freiheiten. Er musste nur die Bausumme einhalten und vor dem Haupteingang sollten Säulen stehen, höher als die der oberägyptischen Tempel.

Kopp entwickelte ein hochmodernes Institut, vollklimatisiert, mit Kongresszentrum und wissenschaftlichen Arbeitsplätzen, mit Schauoperationssälen mit Fernsehübertragung und Versorgung der Betten mit allen Medien und Signalanlagen. Da für die wissenschaftliche Arbeit sehr viel „Krankenmaterial“ benötigt wurde, baute Kopp nebenan auch gleich eine Poliklinik, in der jeden Tag 3000 Kranke von 40 Ärzten versorgt werden sollten. Allein die geplante Infrastruktur zum Leiten und Behandeln der Ströme von Kranken, die hochmodernen sanitären und technischen Einrichtungen, Dampf- und Wassersysteme, Telefon- und Rohrpostanlagen nötigen Respekt ab, geliefert von deutschen Firmen, wie immer bei Kopps Auslandsbauten.

Leider wurde die Anlage aufgrund der ägyptischen Revolution 1953 nicht mehr richtig ausgebaut und nur rudimentär in Betrieb genommen. 1956, inzwischen war der Krankenhausbau in Deutschland wieder angelaufen, zog Ernst Kopp nach Deutschland zurück und führte bis zu seinem Tod 1962 ein Architekturbüro in Bremen, das mit verschiedenen Nachfolgern bis heute existiert.

- Peter R. Pawlik: Von Saarow nach Alexandria – Ernst Kopp (1890–1962). Verlag Murken-Altrogge, Herzogenrath. 350 Seiten, 78 Euro.

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