Saturnmond Enceladus: Kosmischer Geysir
Potsdamer Forscher vermuten, dass auf dem Saturnmond Enceladus auch flüssiges Wasser existiert. Könnte dort somit auch Leben entstehen?
„Frostige Brüder von Old Faithful könnte man das Ganze nennen“, sagt der theoretische Physiker Frank Spahn von der Universität Potsdam schmunzelnd. „Old Faithful“ ist der wohl bekannteste Geysir der Welt, der seine Fontänen im Yellowstone-Nationalpark der USA in den Himmel schießt. Die „frostigen Brüder“ ähneln Old Faithful aber nur entfernt, schließlich befinden sie sich in der Südpol-Region des Saturn-Mondes Enceladus. Dort schießt keine kochende Wassersäule aus dem ewigen Eis des Mondes, sondern es werden winzige Eispartikel mit Größe um einen Tausendstel Millimeter in den Himmel geschleudert. Wie diese Eis-Geysire auf Enceladus entstehen, hat jetzt Jürgen Schmidt ausgerechnet, der bei Frank Spahn an der Uni Potsdam forscht. Wie die Forscher kürzlich im Fachjournal „Nature“ (Band 451, S. 685) berichten, lassen ihre Ergebnisse darauf schließen, dass nicht sehr tief unter der Oberfläche von Enceladus flüssiges Wasser existieren muss.
Entdeckt wurden die kosmischen Geysire durch die Kameras und Instrumente der Planetensonde Cassini, die im Jahr 2005 mehrmals in wenigen Hundert Kilometer Entfernung an Enceladus vorbei flog. Die Fontänen schießen aus schmalen Spalten im Eis in der Nähe des Mond-Südpols. Weil diese Spalten in regelmäßigen Abständen nebeneinander liegen, erinnern sie auf den Sondenbildern an die Streifen auf einem Tigerfell. Wie die Kiemen eines Fisches sich in der Wasserströmung langsam öffnen und schließen, so könnte auch die Schwerkraft des nahen Riesenplaneten Saturn mit diesen Tigerstreifen verfahren, vermutet Frank Spahn.
Doch wie entstehen die winzigen Eissplitter und welche Kraft schleudert sie aus dem Inneren des Mondes heraus? Schmidt näherte sich dem Problem, als er das Verhalten von Wasserdampf und Eissplittern in 5000 verschiedenen Modellspalten mit jeweils unterschiedlichen Formen und Größen berechnete. Die Mühe lohnte sich. Die Rechnungen ergaben genau Größe und Geschwindigkeit der Eisteilchen und des Wasserdampfs. Damit wurden die Fontänen simuliert, die Cassini gemessen hatte. Am Ende hatten die Physiker ein schlüssiges Modell für den Enceladus-Geysir entwickelt.
Irgendwo in der Tiefe des Südpols gibt es demnach Reservoirs mit flüssigem Wasser und Wasserdampf im Eis. Da alle drei Aggregatzustände gleichzeitig nur bei einer Temperatur von 0,01 Grad Celsius existieren können, muss ein bisher unbekannter Mechanismus das normalerweise fast minus 200 Grad Celsius kalte Eis auf Enceladus kräftig aufheizen und dabei zum Schmelzen bringen. Über diese Wärmequelle wird noch gerätselt, was aber passiert, sobald eine der Spalten sich zum fast luftleeren Raum an der Oberfläche von Enceladus öffnet, das haben Schmidt und Kollegen berechnet.
Erst einmal dehnt sich das Gas in den neu zugänglichen Raum hinein aus und schießt durch den Spalt. An seiner engsten Stelle beschleunigt das Gas genau wie Wasser an der Düse eines Gartenschlauches weiter und erreicht Überschall-Geschwindigkeit. Die Temperatur fällt drastisch, ein Teil des Wasserdampfes kondensiert schlagartig. Auf der Erde würde nun ein feiner Nebel aus winzigen Wassertröpfchen entstehen. Da die Temperatur inzwischen aber deutlich unter dem Gefrierpunkt von Wasser liegt, entstehen in den Kanälen des Enceladus winzige Eisteilchen, die zunächst mit dem Gas in die Höhe schießen.
Weil die Spalten aber weit weniger als einen Meter breit sind und wohl kaum kerzengerade verlaufen, stoßen die Eissplitter immer wieder gegen die Wände und werden dabei gebremst. Zwar gibt der Wasserdampf ihnen neuen Schub, dessen Geschwindigkeit aber erreichen sie nicht mehr. Deshalb waren die von Cassini beobachteten Eisteilchen auch deutlich langsamer als der ebenfalls aus der Tiefe strömende Wasserdampf. Trotzdem sind einige der Eisbröckchen noch schnell genug, um der Anziehungskraft des Mondes, der mit 450 Kilometer Durchmesser nur so groß ist wie die Nordsee, zu entfliehen und später einen der Ringe des Saturn zu „füttern“.
Solange sich die Eisbröckchen in den Spalten befinden, wachsen sie weiter, weil sich weiterer Wasserdampf auf ihnen niederschlägt. Bis sie aus den Spalten herausschießen, haben sie die Größe zwischen drei und zehn Tausendstel Millimetern erreicht, die von Cassini-Instrumenten auch beobachtet wurden. Damit aber haben die Potsdamer Theoretiker gezeigt, wie die frostigen Brüder des Old Faithful auf Enceladus funktionieren: Ihre Quellen sind flüssiges Wasser, in dem nach Spekulation mancher Biologen mit der Zeit sogar Leben entstehen könnte. Das aber können die theoretischen Physiker mit ihren Formeln natürlich nicht nachweisen.
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