Folgen des Klimawandels für Riffe: Korallen bleiben cool
Zu warmes Wasser lässt Korallen erbleichen. Doch besondere Gene können die riffbildenden Tiere schützen. Auch mit der Versauerung scheinen sie besser zurechtzukommen als gedacht.
Korallen müssen nicht auf zufällige Genmutationen warten, die sie fit für die Klimaerwärmung machen – die nötigen Genvarianten gibt es bereits. Das haben Biologen herausgefunden, indem sie Korallen aus warmen und kälteren Klimazonen miteinander kreuzten. „Um das Aussterben von Korallen zu verhindern, könnte etwas so Simples ausreichen, wie Korallen aus verschiedenen Breiten auszutauschen und damit die bereits existierenden Genvarianten zu verbreiten“, sagt Mikhail Matz von der Universität Texas in Austin.
Spätestens seit 1998 machen sich Biologen Sorgen um die Überlebenschancen der Korallen, die in den Ozeanen seit Jahrmillionen gigantische Riffe und damit Lebensraum für unzählige Meeresbewohner schaffen. Damals war rund ein Sechstel aller Korallen weltweit binnen weniger Monate buchstäblich erbleicht. Die sonst so bunten, fotogenen Riffe verwandelten sich in fahle Kalkskelette.
Je mehr Kohlendioxid in der Luft, umso saurer wird das Wasser
Ursache war eine plötzliche Erwärmung des Wassers durch das Wetterphänomen El Niño. Unzählige Korallen starben ab. Nur bei einigen kam die Farbe wieder zurück, als sich die Wassertemperatur wieder stabilisierte. Die farbigen, einzelligen Algen, mit denen die Korallen in Symbiose leben, besiedelten die Korallenpolypen wieder und versorgten sie mit Energie. Aber angesichts stetig steigender Luft- und Wassertemperaturen im Zuge des Klimawandels scheint die Zukunftsprognose für diese Tiere, die es seit über 400 Millionen Jahren gibt, so klar wie düster: Zum einen dürften die Tiere das wärmere Wasser langfristig nicht verkraften. Zum anderen verändert sich die Chemie der Ozeane: Je mehr Kohlendioxid in der Luft ist, umso mehr gelangt auch ins Wasser, wo es zur Versauerung beiträgt. Und wenn das Wasser zu sauer ist, könnten die Fußscheiben der Korallen kein Kalkskelett mehr bilden, so die Befürchtung.
Korallen haben Genmutationen, die sie besser mit der Hitze zurechtkommen lassen
Doch die Biologie der Korallen ist komplexer, als Forscher bisher dachten. Offenbar tragen Korallen aus warmen Gewässern wie dem Great Barrier Reef vor der australischen Küste in ihrem Erbgut Genvarianten, die sie widerstandsfähiger gegen höhere Temperaturen machen, entdeckte Mikhail Matz. Die Forscher kreuzten im Labor Korallen vom Great Barrier Reef nahe der Princess Charlotte Bay mit Korallen, die vor dem 300 Kilometer südlich gelegenen Orpheus Island in etwa zwei Grad kühlerem Wasser wachsen. Nachkommen mit Eltern aus warmen nördlichen Regionen überlebten künstliche Warmbäder bei 35,5 Grad Celsius zehn Mal häufiger als Korallen mit Elterntieren aus dem kalten Süden, schreibt das Team im Fachblatt „Science“.
Die Forscher führen die Wärmetoleranz der nördlicheren Korallen auf „Toleranzassoziierte Gene“ (TAGs) zurück. In einer anschließenden Erbgutanalyse fanden sie 1973 solche TAGs – Gene mit Mutationen, die die Korallen hitzeresistenter machen.
Völlig überraschend kommt die Erkenntnis nicht, dass Korallen Mechanismen entwickeln, um mit den sich ändernden Umweltbedingungen besser zurechtzukommen. Forschungsarbeiten von Malcom McCulloch von der Universität von Westaustralien zeigen, dass Korallenpolypen auch bei künftig saurerem Wasser weiter ihr Kalkskelett produzieren können. In warmem Wasser bilden sie es sogar schneller als in kaltem. Das liegt daran, dass die Korallen für ihr Skelett Aragonit nutzen, eine besondere Form von Kalziumkarbonat, das für die Tiere bei zu saurem Wasser nicht mehr verfügbar ist. Doch McCulloch fand heraus, dass die Korallen das Aragonit gar nicht direkt aus dem Meerwasser gewinnen, sondern aus einem eingeschlossenen kleinen Tropfen Wasser, dessen Säuregehalt sie zuvor extra reduzieren können.
Stete Erwärmung ohne Erholung macht den Tieren zu schaffen
Das bedeutet nicht, dass saures Wasser den Tieren gar nicht schadet. Aber die Fähigkeit der Korallen, Skelett und damit Riffe zu bilden, wird nur halb so stark eingeschränkt als bislang vermutet. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte das Riffwachstum demnach um maximal 35 Prozent zurückgehen. Die Riffe vor den Seychellen, wo 1998 rund 90 Prozent der Korallen abgestorben waren, leben seit 2006 wieder auf.
Entwarnung bedeuten diese Erkenntnisse keineswegs. Denn der Klimawandel lässt die Temperaturen ohne ausreichend lange kühle Erholungsphasen steigen. Das dürften Korallen nicht so leicht wegstecken. Aber die Forscher lernen, welche Korallenriffe am besten mit Hitzewellen zurechtkommen: Wenn sie besonders tief liegen, zerklüftet sind, unter wenig Verschmutzung leiden, aus vielen jungen Korallen bestehen und viele pflanzenfressende Fische beherbergen.
Auch das Wissen, dass manche Korallen das passendere genetische Rüstzeug mitbringen, um dem Klimawandel zu trotzen, trägt zu besseren Schutz- und Hilfsmaßnahmen bei. Indem die widerstandsfähigeren Korallen in Riffe mit wärmesensitiven Arten umgesiedelt werden, könnte der rettende Genaustausch beschleunigt werden, hofft Matz. „Die Larven von Korallen wandern von Natur aus durch die Ozeane“, sagt der Biologe. „Aber der Mensch kann helfen, indem er ausgewachsene Korallen umsetzt, um den Prozess zu beschleunigen.“
Sascha Karberg