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Eisenmangel erhöht die Gefahr von Mütter- und Säuglingssterblichkeit.
© Mulugeta Ayene/AP/dpa

Ernährung: Klimawandel könnte Mangelkrankheiten verschärfen

Eine Studie warnt vor indirekten Folgen der Klimakrise: Pflanzen bilden weniger Eisen, Zink und Proteine, wenn mehr Kohlendioxid in der Luft ist.

Wenn die Kohlendioxidemissionen auf der Erde weiter so steigen wie bisher, werden viele Millionen Menschen mehr an Zink-, Eisen- und Proteinmangel leiden. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag im Magazin „Nature Climate Change“ erschienen ist.

Die Autoren stellen fest, dass erhöhte CO2-Konzentrationen dazu führen können, dass bis 2050 weitere 175 Millionen Menschen Zinkmangel und 122 Millionen Menschen Proteinmangel erleiden werden.

Darüber hinaus leben derzeit 1,4 Milliarden Frauen im gebärfähigen Alter und Kinder unter fünf Jahren in Ländern, in denen schon heute 20 Prozent der Menschen Eisenmangel ausgesetzt sind. Diese Gruppe würde vier Prozent weniger Eisen über die Nahrung aufnehmen. Wie viele mehr von ihnen durch diese Veränderungen später unter zu wenig Eisen leiden würden, haben die Autoren nicht näher quantifiziert, weil die Höhe der Eisenaufnahme stark von anderen Faktoren wie der gesamten Ernährung oder anderen Krankheiten abhängt.

Eisen und Zink sind Spurenelemente, die unter anderem für die geistige Entwicklung von Heranwachsenden wichtig sind. Eisenmangel kann zu Mütter- und Säuglingssterblichkeit führen.

In Freilandversuchen reagierten Pflanzen negativ auf CO2

Die Studie von Matthew Smith und Samuel Myers von der Universität Harvard beruht auf einer früheren Reihe von eigenen Freilandversuchen, bei denen Feldfrüchte weniger Protein, Eisen und Zink enthielten, wenn sie unter einer Atmosphäre mit 550 Teilchen CO2 pro einer Million (ppm) angebaut wurden.

Zum Vergleich: Die Atmosphäre enthält heute gut 400 ppm CO2. Den Wert von 550 ppm legten die beiden Autoren deshalb auch jetzt wieder für ihre Studie zugrunde, weil er nach Auffassung vieler Klimaforscher im Laufe dieses Jahrhunderts früher oder später auf jeden Fall erreicht werden wird, egal, wie stark die Anstrengungen für den Klimaschutz auch sein werden.

Die Studie ist die bisher umfangreichste, die sich mit dem Einfluss des CO2-Anstiegs auf die Nahrungsmittelproduktion beschäftigt. Sie macht Daten aus 151 Ländern und von 225 Pflanzenarten vergleichbar.

Düngender Effekt wieder zunichte gemacht

Kohlendioxid als Grundstoff zum leben und der düngende Effekt ist auch in den Projektionen des Weltklimarats IPCC zum Klimawandel auf der Erde berücksichtigt. Die Rechnung „mehr CO2 gleich mehr Pflanzenwachstum“ geht aber nicht auf. Denn geringere Bodenfeuchte oder Extremwetter machen Zugewinne wieder zunichte.

So hatten Wissenschaftler der Stanford University simuliert, ob höhere Temperaturen und Kohlendioxidkonzentrationen im Jahr 2050 das Pflanzenwachstum im kalifornischen Grasland erhöhen würden. Sie fanden, dass CO2 kaum einen Effekt auf das Wachstum von Pflanzen haben würde, während höhere Temperaturen einen negativen Effekt hatten.

Warum Pflanzen überhaupt ihre Inhaltsstoffe unter einer anderen CO2-Atmosphäre verändern, ist bisher ungeklärt. Es gibt die Hypothese, dass durch die erhöhte Zufuhr von CO2 eine Art Verdünnung in den Pflanzenzellen stattfindet. „Das passt aber nicht mit Ergebnissen einer Studie zusammen, in der der Einfluss von CO2 auf Mineralien im Reis untersucht wurde“, berichtet Samuel Myers. „Es gab dort einen Abfall von B-Vitaminen, aber der Gehalt von Vitamin E war höher.“

Mit Sicherheit aber wären von einem geringeren Gehalt von Eisen, Zink und Proteinen die Ärmsten der Armen betroffen, haben Smith und Myers aufgrund ihrer Datenbasis ermittelt. Denn diese ernähren sich viel mehr pflanzlich als Menschen in reicheren Regionen.

Agrosprit und Aufforstungen dürfen kein Ackerland fressen

Während also der Klimawandel über die Nahrungsmittelproduktion einen indirekten Einfluss auf die Gesundheit der Menschen haben kann, könnte auch der Kampf gegen die Klimakrise einen schädlichen Einfluss auf die Ernährung der Menschen haben. Darauf machte Ende Juli eine Studie aufmerksam, die ebenfalls in „Nature Climate Change“ erschien.

Tomoko Hasegawa vom National Institute for Environmental Studies in Japan und sein Team hatten in einer Modellierung berechnet, dass eine strenge Klimaschutzpolitik einen größeren negativen Einfluss auf die globale Lebensmittelversorgung haben könnte als die direkten Auswirkungen des Klimawandels.

Die Autoren schreiben jedoch, dass ihre Ergebnisse nicht als Argument interpretiert werden dürften, um die Wichtigkeit von Klimaschutz herunterzuspielen, oder um zu suggerieren, dass Klimaschutzpolitik mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. „Die Studie zeigt einerseits, wie wichtig es ist, endlich ernsthaften Klimaschutz voranzutreiben, um globale Ernährungskrisen zu vermeiden“, sagte Christoph Bals von Germanwatch. Andererseits bestätige sie die Strategien der Zivilgesellschaft, dass dies nicht mit Agrosprit und Aufforstungen passieren dürfe, die in großem Stil landwirtschaftliche Flächen belegen.

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