Azubi-Mangel: Kaum einer will Koch werden
Abiturienten studieren immer öfter. Vorzuwerfen ist es ihnen nicht
Pünktlich zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres am 1. September blickt der DIHK wieder einmal sorgenschwer auf den Studierendenandrang. Während die Unis immer voller werden, gibt es 24 000 Lehrstellen mehr, als überhaupt Jugendliche gemeldet sind, die eine Lehrstelle suchen, erklärt der DIHK-Präsident Eric Schweitzer.
Vor einem Jahr forderte Schweitzer, die Politik solle die Studienplätze verknappen, um Abiturienten in eine Ausbildung umzulenken. Ausgerechnet die Wirtschaft rief nach staatlicher Planwirtschaft, anstatt sich im Wettbewerb gegen die Unis zu behaupten.
Seit Jahren werden Studierwillige für ihren „Akademisierungswahn“ gegeißelt – wohl in der Hoffnung, einige würden sich dafür entscheiden, ein Notopfer fürs Vaterland zu bringen und sich dem Fachkräftemangel als Azubi entgegenzustemmen. Verhalten sich die Studierwilligen aber wirklich wahnhaft? Schweitzer stellt fest, Akademiker hätten ein größeres Arbeitslosigkeitsrisiko als beruflich Qualifizierte mit einer Weiterbildung zum Meister oder Fachwirt. Sogleich denkt man an den taxifahrenden Germanisten mit gelbem Reclamheft im Handschuhfach. Indes: Der ist eine Fiktion – und war immer eine Fiktion.
Die Arbeitslosigkeit von Akademikern ist seit Jahrzehnten niedrig
Seit 1975 liegt die Arbeitslosigkeit von Akademikern generell deutlich unter der von beruflich Qualifizierten - die von Schweitzer genannten Meister und Fachwirte bilden die Ausnahme von dieser Regel. Es ist zwar auch richtig, dass Akademiker zum Teil weniger verdienen als beruflich Qualifizierte. Aber im statistischen Mittel verdienen sie mehr. Der Arbeitsmarkt greift sehr gerne auf Akademiker zurück. Deshalb sehen BDA und BDI den Trend zu höherer Bildung auch nicht so kritisch wie der DIHK. Und deshalb handeln die Abiturienten rational, wenn sie sich von einem Studium gute Chancen versprechen.
Pro Jahr brechen aber 100 000 Studierende ihr Studium ab, warnt Schweitzer nun. Doch hätten diese jungen Leute gar nicht erst studiert, hätten sie dann wirklich das Gastronomiegewerbe gerettet, das aktuell noch 6200 Azubi-Köche sucht, oder den Einzelhandel, der noch 11400 Verkäufer ausbilden möchte? Eher nicht. Diese Abiturienten hätten sich ihre Ausbildung immer in Berufen gesucht, die bessere Arbeitsbedingungen, einen sichereren Arbeitsplatz und höhere Gehälter versprechen. Vielleicht hätten sie ihr Studium nicht mal abgebrochen, hätten sie in einem dualen Studiengang studiert, also bereits mit Anbindung an einen Betrieb. Noch gibt es aber zu wenig solcher Studiengänge.
Den Azubi-Mangel zu beheben ist mühselig und teuer
Der Mangel an Azubis in bestimmten Branchen muss jedenfalls anders gestoppt werden als durch Abschreckung vom Studium. Vor allem müssen diejenigen besser qualifiziert werden, die die Wirtschaft als Azubi bislang nicht will. Denn was der DIHK-Präsident verschweigt: Noch immer warten 271 000 junge Leute ohne Schulabschluss oder nur mit Hauptschulabschluss im Übergangssystem auf eine Lehrstelle. Der DGB fordert, die Jugendlichen sofort in die betriebliche Ausbildung aufzunehmen und dort gut zu unterstützen. Schwache Schüler müssen intensiv auf die Lehre vorbereitet werden.
Das ist mühselig und teuer. Aber realistischer, als zu hoffen, Abiturienten als Köche zu gewinnen.