Trotz Rückgang der Zahl der Erkrankten: Kanada schließt aus Angst vor Ebola seine Grenzen
In Liberia, Zentrum der Epidemie, geht die Zahl der Ebola-Erkrankten zurück. Eine Nachricht, mit der kaum jemand dieser Tage gerechnet hat. Dennoch ist die Angst groß. Nun hat nach Australien auch Kanada seine Grenzen für Reisende aus den von der Ebola-Epidemie betroffenen Ländern geschlossen.
Es ist eine Nachricht, die dieser Tage wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte. In Liberia, dem von Ebola am härtesten betroffenen Land, erkranken offenbar weniger Menschen an der tödlichen Seuche. „Es sieht so aus, als ob dieser Trend in Liberia echt ist, als ob sich dort die Epidemie tatsächlich verlangsamt“, sagte Bruce Aylward, Ebola-Beauftragter der Weltgesundheitsorganisation WHO, am Mittwoch vor der Presse. In einigen Behandlungszentren gebe es wieder freie Betten. Die Zahl der Beerdigungen sinke, die Nachfrage nach Ebola-Tests gehe zurück. Verzeichnet wurde im Wochenvergleich ein Rückgang der Neuinfektionen um 25 Prozent.
Gleichzeitig warnte Aylward vor zu großem Optimismus. Es sei ein Fehler zu glauben, die Epidemie sei bereits unter Kontrolle. „Das ist so, als würde man von einem ,gezähmten’ Tiger sprechen“, sagte Aylward. „Das ist eine sehr, sehr gefährliche Krankheit.“ Es gehe darum, die Anstrengungen zu verdoppeln, vor allem müssen Kontaktpersonen Erkrankter gefunden und überwacht werden, um Übertragungsketten nachzuvollziehen.
Auch viele Regierungen sind weiter skeptisch: Nach Australien hat nun auch Kanada seine Grenzen für Reisende aus den von der Ebola-Epidemie betroffenen Ländern geschlossen. Visa-Anträge würden ab sofort nicht mehr bearbeitet, teilte die Regierung mit. Die rigorose Maßnahme sei nötig, um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Bislang hat sich in Kanada niemand mit Ebola angesteckt.
Sichere Beerdigungen und bessere Information als Ursachen des Rückgangs
Natürlich sei es denkbar, dass Familien Kranke versteckten und Tote heimlich beerdigten. Vermutlich seien es aber eine Reihe anderer Faktoren, die die Ausbreitung von Ebola verlangsamt hätten. Dazu zählten sichere Beerdigungen, die Unterbringung von Kranken in Behandlungszentren, wo sie eher überleben, und bessere Information der Bevölkerung über Ausbreitungswege von Ebola und Schutzmaßnahmen.
Aylward befürchtet, dass die Krankheitsfälle nicht stetig zurückgehen, sondern wellenförmig zu- und dann wieder abnehmen, wie es seit Beginn der Epidemie in Guinea beobachtet wird. Es bedürfe harter Arbeit, jeden Fall herauszufinden und die Kontaktpersonen zu ermitteln. Gelinge das nicht, werde Ebola auf einem niedrigeren, aber gefährlichen Niveau fortbestehen.
In Guinea und Sierra Leone, den beiden anderen betroffenen westafrikanischen Ländern, wurde der Abwärtstrend nicht verzeichnet. Keinen weiteren Verdachtsfall gab es bislang in Mali, wo ein zweijähriges Mädchen aus Guinea an Ebola starb.
In scheinbarem Widerspruch zu dem Trend in Liberia steht eine neue WHO-Statistik, nach der 13 703 gesicherte oder mutmaßliche Ebola-Infektionen (Stand: 29. Oktober) zu verzeichnen sind. Das sind 3792 Fälle mehr, als noch am 22. Oktober gemeldet wurden. Allerdings handelt es sich um verzögerte Nachmeldungen aus dem gesamten Zeitraum der Epidemie. Insgesamt 4920 offiziell bekannt gewordene Todesfälle durch Ebola sind zu beklagen.
Hygiene, Isolation, Infektionsschutz - wie sich die Seuche zurückdrängen lässt
Hygienische Beerdigungen, die Isolation von Kranken, Quarantäne für Kontaktpersonen und besserer Schutz für medizinisches Personal sind der Schlüssel, um Ebola zu stoppen. Das ist die zentrale Aussage eines auf Liberia bezogenen Strategiepapiers, das Wissenschaftler um Abhishek Pandrey von der Universität Yale im Onlineforum „Sciencexpress“ veröffentlichten. Zu Beginn der Epidemie seien es die Beerdigungen gewesen, bei denen die an Ebola Verstorbenen gewaschen, berührt und geküsst wurden, die das Virus extrem stark verbreitet hätten.
Ziel aus Sicht der Wissenschaftler sollte es sein, die Seuche allmählich zurückzudrängen. Dazu müsse die Reproduktionsrate auf kleiner als eins gesenkt werden. Diese gibt an, wie viele andere Personen ein Infizierter ansteckt. Die Forscher schätzen, dass die Reproduktionsrate in Liberia gegenwärtig 1,63 beträgt. Das würde bedeuten, dass zwei Infizierte im Durchschnitt drei andere Personen anstecken. Wenn es gelinge, diesen Wert in 60 Prozent der Fälle auf kleiner als eins zu drücken, dann könnte das die Epidemie schrumpfen lassen. Allerdings sind nach den neuen Krankheitszahlen die Reproduktionsraten womöglich bereits niedriger. Die Kalkulation der Wissenschaftler stammt noch aus dem August. Vielleicht ist die Prognose bereits veraltet, und die Wirklichkeit eilt ihr voraus. (mit rtr)