Studie zu Frauen, Familie und Beruf: Junge Frauen stehen unter großem Druck
Viele junge Frauen in Deutschland fühlen sich zerrissen zwischen ihrem Wunsch, berufstätig zu sein und dennoch Kinder zu bekommen. Der Politik stellen die Frauen ein verheerendes Zeugnis aus.
Wie keine Generation vor ihnen richten 25- bis 35-Jährige heute ihr Leben nach dem Beruf aus. Finanzielle Unabhängigkeit halten Frauen wie Männern für das wichtigste Ziel im Leben, Frauen verschieben dafür ihren Kinderwunsch immer weiter nach hinten. Das belegt eine neue Studie, die das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Frauenzeitschrift „Brigitte“ durchgeführt hat und die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Die Studie macht auf den enormen Druck aufmerksam, dem sich junge Frauen durch das politische Leitbild der in Vollzeit arbeitenden Mutter ausgesetzt sehen.
Stärker noch als vor fünf Jahren, als dieselbe Gruppe von Frauen und Männern schon einmal zu ihrem Gesellschafts- und Selbstbild befragt wurde, wünschen sich Frauen heute eine gut bezahlte Arbeit mit Karrierechancen. 91 Prozent sind der Job und eigenes Geld sehr wichtig. Überraschend für die Leiterin der Studie, WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger, ist die Deutlichkeit, mit der auch Männer darauf drängen, dass ihre Partnerin „selbst für ihren Lebensunterhalt sorgt“: 76 Prozent stimmen dieser Aussage heute zu, 22 Prozent mehr als 2007. Allmendinger spricht von einem „gesellschaftlichen Wandel“ beim Thema Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Ob Frauen überhaupt arbeiten, sei keine Frage mehr. „Heute muss keine Frau mehr um die Erlaubnis bitten zu arbeiten. Zugespitzt muss sie heute um Erlaubnis fragen, Kinder zu bekommen.“
Noch nie haben sich Frauen mit der Kinderfrage so alleingelassen und innerlich zerrissen gefühlt wie heute, zeigt die Studie. Viele Frauen fürchten, als Mutter ins berufliche Abseits zu geraten. „Wer Kinder hat, kann keine wirkliche Karriere machen“, antwortet heute mehr als die Hälfte der jungen Frauen. Vor fünf Jahren, als die Frage nach beruflichen Aufstiegschancen für Frauen mit Kindern schon einmal gestellt wurde, hatten das nur 36 Prozent gesagt (heute 53 Prozent). Ihre Zerrissenheit zeigt der unverändert hohe Kinderwunsch von 93 Prozent, den weniger als die Hälfte bislang umgesetzt hat.
Der Politik stellen die Frauen ein verheerendes Zeugnis aus. Alle sind sich einig, dass sich die soziale Ungleichheit vergrößert hat. Rund ein Drittel der Frauen findet es heute schwieriger, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die Aufstiegschancen für Frauen schätzen die Befragten heute kritischer ein als 2007. Damals zeigten sich die Befragten selbstbewusst (99 Prozent stimmten der Aussage zu „Ich bin gut in dem, was ich mache“). Allmendinger nannte die jungen Frauen damals eine Generation „auf dem Sprung“, die die Gesellschaft verändern werde. Die ersten Anzeichen für die zunehmende Unzufriedenheit der Frauen zeigte aber schon das Update der Studie im Jahr 2009. Die Frauen beklagten, dass Männer ihnen im Beruf vorgezogen wurden, zu Hause kaum mithalfen und mehr Anerkennung für zwei Monate Elternzeit bekamen als sie selbst für ein ganzes Jahr. Doch die Frauen resignierten nicht, sondern forderten gleiche Löhne, faire Partnerschaften und verbesserte Kinderbetreuung.
Frauen mit Kind wollen selten länger als ein Jahr pausieren
Kämpferisch sind die Befragten auch 2012. 70 Prozent von ihnen sind „wütend, dass Frauen diskriminiert werden“, einer „verbindlichen Frauenquote“ stimmen 62 Prozent zu – laut Allmendinger ein bemerkenswertes Ergebnis, denn junge Frauen lehnen anders als ältere Frauen Quotenregelungen häufig ab. Auch Männer sehen die Diskrepanz, sind aber selten bereit, etwas zu ändern. Das zeigt sich besonders an ihrer Nutzung der Elternzeit. Obwohl Männer zu 50 Prozent angeben, Familie und Beruf vereinbaren zu wollen, können sich 31 Prozent nicht vorstellen, dafür zu pausieren.
Grund für die gestiegene Unzufriedenheit der Frauen mit mangelnden Aufstiegschancen und fehlender Unterstützung ist auch ihre persönliche Situation. Viele befinden sich nicht mehr wie 2007 in der Ausbildung, sondern stehen nun selbst vor der Entscheidung für oder gegen ein Kind, für oder gegen einen Teilzeitjob – Lebensmodelle, die in ihrer Altersgruppe immer weniger wertgeschätzt werden. Frauen wollen selten länger als ein Jahr nach der Geburt ihrer Kinder zu Hause bleiben (30 Prozent im Vergleich zu 36 Prozent im Jahr 2009). Eine Retraditionalisierung, wie sie oft bei Frauen vermutet wird, sobald sie Kinder bekommen, kann Allmendinger nicht erkennen. Im Gegenteil: Die politische Diskussion um Betreuungsgeld und Führungskräfte setzt sich zu Hause fort. Arbeit gilt nicht mehr als Chance für Frauen, gesellschaftlich teilzuhaben, sondern als „harter ökonomischer Faktor“, sagt Allmendinger.
Allmendinger: Frauen und Männer sollten nur 32 Stunden arbeiten
Nicht alle Befragten sind gleich unzufrieden mit der Entwicklung. Gut gebildete Frauen sind zufriedener mit ihrem Leben und ihrem Arbeitsplatz als vor fünf Jahren. Weniger gebildete Frauen und solche, die inzwischen Kinder bekommen haben, sind unzufriedener. Sogar noch unzufriedener sind wenig gebildete Männer. Der Bildungsforscherin Allmendinger macht diese soziale Schere besondere Sorgen. Kinder bekämen auf lange Sicht diejenigen, die sich Hilfe bei der Kindererziehung leisten können. Der Rest, sagt „Brigitte“-Chefredakteurin Brigitte Huber, zermürbe sich schon jetzt zwischen Teilzeit und der unbezahlten Arbeit zu Hause: „Es gab noch nie so viele erschöpfte Mütter wie heute.“
Allmendinger warnt vor einer Gesellschaft, die so stark auf Vollbeschäftigung setzt wie Deutschland – zumal Vollzeit hier meist als „40 plus 10“ Stunden definiert ist. Von den Ergebnissen der Studie bestärkt, wiederholt die Soziologin ihre bekannte Forderung nach einer politischen Umsteuerung bei der Arbeitszeit. Frauen würden gern mehr, Männer weniger arbeiten, bestätigen die Befragten. Nach dem Ausbau von Kitaplätzen und Ganztagsschulen sollte sich die Politik nach Allmendingers Ansicht nun darum kümmern, dass die Arbeitszeit von Frauen und Männern sich bei etwa 32 Stunden pro Woche einpendelt. „Wenn man auch mit weniger Stunden Karriere machen kann, werden Probleme wie ungleiche Bezahlung automatisch geringer“, sagt sie. Von sogenannten „mommy tracks“, langsamere Karrieregleise, die Arbeitgeber für Mütter einrichten, hält Allmendinger nichts.
Sarah Schaschek
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