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Risikofaktor Bluthochdruck. Eine Blutdruckmanschette und ein Stethoskop auf dem Ausdruck einer Herzstromkurve, einem Elektrokardiogramm (EKG).
© Imago

Bluthochdruck: Je stärker gesenkt, desto besser

Eigentlich war man bei der Senkung des hohen Blutdrucks etwas lässiger geworden. Aber eine neue Studie zwingt zum Umdenken.

Neue Erkenntnisse werden die Behandlung des Bluthochdrucks vermutlich erheblich verändern. Statt wie bisher den oberen (systolischen) Blutdruck unter 140 zu senken, könnte künftig wegen deutlicher gesundheitlicher Vorteile 120 die Ziellinie der Therapie sein. Das ergab die große „Sprint“-Studie, die nun bei einer Tagung der amerikanischen Herzgesellschaft AHA in Orlando vorgestellt und zeitgleich im Fachblatt „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde.

Hoher Blutdruck – ein oberer Wert von 140 oder darüber und ein unterer (diastolischer) Wert von 90 oder darüber – ist ein wesentlicher Risikofaktor für Herzinfarkt, Pumpschwäche des Herzens, Schlaganfall und Nierenversagen. Dabei war man in der letzten Zeit eher zu der Ansicht gekommen, den Blutdruck mit Medikamenten nicht zu sehr zu senken, auch wegen möglicher Nebenwirkungen. Das Pendel könnte nun wieder in die andere Richtung ausschlagen: Je stärker, desto besser.

Die Studie wurden wegen eindeutiger Ergebnisse vorzeitig abgebrochen

Schon vor ihrer endgültigen Publikation hatte die „Sprint“-Studie großes Aufsehen erregt. Sie war im September 2015 nach gut drei Jahren Laufzeit vorzeitig gestoppt worden, weil die Vorzüge der starken Blutdrucksenkung so eindeutig waren, dass es aus Sicht der Verantwortlichen ethisch nicht zu rechtfertigen war, diese der Vergleichsgruppe vorzuenthalten. In der entsprechenden Pressemitteilung wurden jedoch keine Details genannt. Entsprechend groß war die Spannung vor der Offenlegung der „Sprint“-Daten.

Finanziert wurde „Sprint“ von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA, also aus Steuermitteln. Gut 9000 Personen mit einem oberen Wert von 130 oder darüber (im Mittel 140) und erhöhtem Risiko für Herz- und Gefäßleiden nahmen teil. Ausgenommen waren Patienten mit Zuckerkrankheit (Diabetes), die eine besondere Risikogruppe darstellen und denen sich bereits eine andere große Studie („Accord“) widmete. Die eine Hälfte der Teilnehmer wurde „intensiv“ behandelt, mit dem Ziel, den Blutdruck unter 120 zu drücken. Die andere Hälfte bekam die Standardtherapie, Ziel war ein Wert unter 140. Die erste Gruppe benötigte drei, die zweite zwei Blutdrucksenker.

Nach im Mittel gut drei Jahren zeigte sich, dass die intensiv Behandelten ein um 25 Prozent geringeres Risiko für ein größeres medizinisches „Ereignis“ hatten. Dazu zählten Herzinfarkt, Schlaganfall, akute Minderdurchblutung des Herzens (Koronarsyndrom), akute Pumpschwäche des Herzens oder Tod durch Herz- oder Gefäßleiden. In der Intensiv-Gruppe kam es pro Jahr bei 1,65 Prozent der Teilnehmer zu einem solchen Ereignis, in der Standardgruppe bei 2,19 Prozent.

Um einen Todesfall zu verhüten, müssen 90 Patienten behandelt werden

Die Gesamtsterblichkeit war bei intensiv Behandelten um 27 Prozent geringer (155 statt 210 Todesfälle), das Risiko, an einem Herz- oder Gefäßleiden zu sterben, um 43 Prozent (37 statt 65 Todesfälle). Um eines der medizinischen „Ereignisse“ zu verhindern, mussten 61 Patienten behandelt werden. Um einem Todesfall zuvorzukommen, 90.

Erkauft wurden die Risikosenkungen mit einer höheren Zahl an Nebenwirkungen der Arzneimittel, darunter zu niedriger Blutdruck, kurzzeitiger Kreislaufkollaps (Synkope) und mehr Fälle von akutem Nierenversagen. „Es ist unwahrscheinlich, dass dieses höhere Risiko an unerwünschten Ereignissen den Nutzen der Therapie überwiegt“, kommentieren Vlado Perkovic und Anthony Rodgers von der Universität Sydney die Studie im „New England Journal“. Jetzt gehe es darum, die Behandlung des Bluthochdrucks zu verbessern. „Damit wir Erfolg haben, müssen wir uns anstrengen wie in einem Marathon.“ „Sprint“ sei erst der Anfang.

"Die Richtlinien in Deutschland werden sich ändern"

Von einer „Schlüsselstudie“ spricht der Bluthochdruck-Experte Bernhard Krämer von der Universität Mannheim. „Die Richtlinien in Deutschland werden sich ändern“, prophezeit Krämer. „Wir sollten zukünftig einen Blutdruck von 120 statt wie bisher 140 anstreben.“ Krämer hält die in der Studie behandelte Personengruppe für repräsentativ. „Das ist der Patient, den man so sieht.“

„Wir müssen aufpassen, dass wir die Schraube nicht in Richtung Blutdrucksenkung zu sehr überdrehen“, warnt Heribert Schunkert vom Deutschen Herzzentrum München, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. „Vor allem bei Älteren jenseits des 75. Lebensjahres, die häufig Bluthochdruck haben, kann eine zu starke Absenkung zu Problemen führen.“ Gleiches gelte für Patienten mit stark verengten Herzkranzgefäßen. Denn das Herz kann nur in der Entspannungsphase des Herzmuskels, der Diastole, mit Blut versorgt werden. Ist der Blutdruck zu niedrig, reicht er für eine ausreichende Durchblutung des Herzens nicht mehr aus.

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