Hochschulen: „In der Lehre hat sich viel getan“
Mehr Dauerstellen, mehr Geld: Was Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, vom neuen Hochschulpakt erwartet.
Herr Alt, die Zahl der Studierenden in Deutschland ist auf die Rekordhöhe von 2,87 Millionen gewachsen. Sind das zu viele?
Nein, ich glaube nicht an einen Akademisierungswahn. Wir sollten alle jungen Leute möglichst gut qualifizieren. Solange der Arbeitsmarkt die vielen Studierenden aufnimmt, läuft nichts falsch.
Bund und Länder treiben den Ausbau der Studienplätze mit ihrem Hochschulpakt seit 2007 im großen Stil voran: 760 000 zusätzliche Plätze sind entstanden. Bis zum Jahr 2023 kostet das 38 Milliarden Euro. Sind die Hochschulen zufrieden mit dem Pakt?
Im Grunde war es ein Notprogramm für die dauerhafte Überlast. Das Problem war, dass wir mit den befristeten Mitteln keine Dauerstellen schaffen konnten.
Im wissenschaftlichen Mittelbau hoffen viele bislang prekär Beschäftigte, dass sie eine Dauerstelle bekommen, wenn der Hochschulpakt auf Dauer gestellt wird, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Sind diese Hoffnungen berechtigt?
Für Daueraufgaben müssen Dauerstellen geschaffen werden. Es ist wichtig, dass man das als ein Ziel des neuen Pakts definiert, und dass die Hochschulen sich danach richten. Denn natürlich gibt es wegen der ständig zunehmenden Projektförderung zu viele, die nur befristet beschäftigt werden.
Ist zu erwarten, dass die Betreuungssituation an den Hochschulen besser wird, wenn die Mittel aus dem neuen Pakt dauerhaft fließen?
Das wollen wir erreichen und fordern deshalb, dass die Hochschulen die zusätzlichen Mittel kapazitätsneutral erhalten. Im Rahmen des bestehenden Kapazitätsrechts müssen die Hochschulen für jede zusätzliche Lehrkraft auch zusätzliche Studierende aufnehmen; das sollte für die Paktmittel nicht gelten.
Die Länder und auch die Hochschulrektorenkonferenz wünschen sich, dass die Mittel für den neuen Hochschulpakt jedes Jahr um drei Prozent steigen. Für den Bund lehnt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) das aber ab. Die Hochschulfinanzierung sei Sache der Länder und diese seien dazu auch in der Lage, sagt sie. Hat die Ministerin nicht recht?
Wenn Bund und Länder sich die drei Prozent teilen, ist das für den Bund keine riesige Summe. Zu hören ist ja, dass die Länder zu dieser Dynamisierung bereit sind. Es wäre ein ungeheuer wichtiges Zeichen, wenn der Bund sich daran beteiligen würde. Ich finde, sowohl Bund als auch Länder sollten die Rolle des jeweils anderen nicht zu beckmesserisch definieren. Darüber hinaus steht ja aber noch der Vorschlag des Berliner Staatssekretärs Steffen Krach im Raum, wonach die Länder sich jenseits des Hochschulpakts zur jährlichen Anhebung der Grundmittel der Hochschulen verpflichten sollten. Das wäre ein grundlegender und besonders bedeutsamer Schritt.
Politiker von Union und SPD haben betont, der neue Pakt müsse so gestaltet sein, dass er stärker als der alte Qualität im Studium schafft, also etwa die Zahl der Abbrecher reduziert. Mit welchen Hebeln könnte das erreicht werden?
Es ist ja nicht mal ganz klar, wie gravierend das Abbrecherproblem wirklich ist. Denn in die Statistik gehen auch Fach- oder Hochschulwechsler ein. Außerdem gibt es solche Abbrecher, die nach einem Semester erkennen, dass ein Studium für sie nichts ist, und die dann in eine Berufsausbildung wechseln – das ist kein Scheitern. Natürlich ist unser Ziel gleichwohl, möglichst viele Studierende erfolgreich im System zu halten. Ein Anreiz wäre also, in Zukunft die Mittel aus dem Pakt nicht nur wie bisher nach der Zahl der Studierenden zu verteilen, sondern auch nach der Zahl der Studierenden, die sich noch in der Regelstudienzeit befinden. Das wäre für die Hochschulen ein Anreiz, überlange Studienzeiten abzubauen.
Könnten die Hochschulen sich dann nicht veranlasst sehen, auch schwache Studierende durchs Examen zu winken, indem sie die Anforderungen senken?
Nein, das wäre nur dann der Fall, wenn man das eine Kriterium absolut setzt. In Berlin werden die Mittel nach drei Kriterien verteilt: nach der Zahl der Studierenden insgesamt, der Zahl der Studierenden in der Regelstudienzeit und der Zahl der Abschlüsse. Bei einer vernünftigen Gewichtung der Kriterien kann man eine gute Balance erzielen.
Verhandelt wird auch darüber, wie es mit dem Qualitätspakt Lehre weitergeht. Seit 2011 können Hochschulen sich um Fördermittel für innovative Lehrprojekte bewerben. Jährlich fließen 200 Millionen Euro. Der Wissenschaftsrat schlägt als Nachfolger eine neue Förderinstitution für die Lehre in Analogie zur Deutschen Forschungsgemeinschaft vor. Die HRK lehnt das ab. Warum soll die Lehre nicht durch eine neue Institution aufgewertet werden?
Es ist gut, die Lehre aufzuwerten, und es ist auch gut, dafür institutionelle Verantwortlichkeit zu schaffen. Dies sollte aber nicht außerhalb der Hochschulen geschehen, sondern auf einer Plattform innerhalb der HRK. Diese würde unter anderem den Austausch über best practices organisieren und Lehrprojekte wissenschaftlich begleiten; finanziell gefördert werden kann auch künftig ohne Weiteres über ein Bund-Länder-Programm. Der Tenor „die Lehre ist schlecht“ ist falsch. In den letzten Jahren hat sich viel getan. Darum sollte man die Hochschulen auch nicht bestrafen, indem man ihnen das Thema entzieht und ihnen signalisiert, dass es einer institutionell verfestigten, mit eigenem Fördergeld bewehrten externen Qualitätssicherung bedarf, auf die die Hochschulen dann langfristig keinen Einfluss mehr haben.
Bundesbildungsministerin Karliczek hat für ihre Amtsführung bisher viel Kritik einstecken müssen. Wie zufrieden sind Sie mit ihr?
Ich stehe mit Frau Karliczek in einem guten Austausch. Es stört mich auch nicht, dass sie mehr über berufliche Bildung als über Hochschulen spricht. Das zeigt ja nur, dass man über uns nicht ständig reden muss, weil wir gute Arbeit machen. Mein einziger Dissens mit ihr ist die von ihr geplante Bezeichnung „Berufsbachelor“ für berufliche Abschlüsse. Der Bachelor ist ein Studien- und kein Berufsabschluss – und darf durch eine irreführende Bezeichnung auch nicht mit diesem verwechselbar werden. - Die Fragen stellte Anja Kühne.