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HPV-Impfung
© picture-alliance/ dpa-tmn

Schutz gegen Krebs: Impfung verhindert Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs

In Deutschland ist nur jedes zweite Mädchen gegen Humane Papillomaviren (HPV) geimpft. In Australien dagegen sieht man erste Erfolge.

Auf dem OP-Plan sieht er immer wieder junge Frauen: 23 Jahre alt, 27 Jahre alt. Von manchen erfährt er später, dass sie den Gebärmutterhalskrebs nicht überlebt haben. Andere werden nach der Operation nie Kinder bekommen. „Das ist tragisch“, sagt Andreas Kaufmann, Tumorvirologe an der Charité. Obwohl die meisten Frauen mit einem Abstrich prüfen lassen, ob sich bei ihnen Krebsvorstufen gebildet haben, erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 4600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. 1500 sterben daran.

Das muss nicht so bleiben. Denn dieser Krebs wird vor allem durch Humane Papillomaviren (HPV) verursacht. Gegen die aggressiven Varianten 16 und 18 gibt es seit 2007 Impfstoffe. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt sie für 12- bis 17-jährige Mädchen. Die Vierfachimpfung schützt zusätzlich vor den Typen 6 und 11, die Genitalwarzen wachsen lassen. In den nächsten Jahren soll ein Impfstoff gegen neun HPV-Typen auf den Markt kommen. Bisher übertraf die Impfung die Erwartungen, sagt Lutz Gissmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg: „In Australien, wo mehr als 80 Prozent der Mädchen geimpft sind, sieht man die Erfolge.“

Die Impfung reduziert die Zahl der Krebsvorstufen. Mithilfe von Registern und Gewebedatenbanken haben Forscher um Elizabeth Crowe von der Universität von Queensland in Brisbane den Impfstatus von 103 353 Australierinnen, die zwischen 2007 und 2011 ihren ersten Abstrich (Pap-Test) beim Frauenarzt hatten, mit den jeweiligen Testergebnissen abgeglichen. 10 887 der Frauen hatten auffällige Zellveränderungen am Gebärmutterhals, schreiben die Forscher im Fachblatt „British Medical Journal“. 19 Prozent hatten alle drei Impfdosen bekommen. Bei 1062 Frauen stuften die Ärzte die Veränderungen als „schwer“ ein – von ihnen hatten elf Prozent einen vollständigen Impfschutz.

Wahrscheinlich werden in zehn Jahren auch die Krebszahlen sinken

Aus den Daten errechnete das Team um Crowe, dass die Impfung 46 Prozent aller schweren, behandlungsbedürftigen Krebsvorstufen und 34 Prozent der anderen Zellveränderungen verhindert. Unklar ist, ob die Patientinnen vor der Impfung Sex hatten, also möglicherweise bereits mit HPV infiziert waren. Sie waren im Durchschnitt etwas älter, kamen öfter vom Land und waren meist sozial benachteiligt.

Wahrscheinlich werden in zehn Jahren auch die Krebszahlen sinken. Schon jetzt gehören in Australien Genitalwarzen fast der Vergangenheit an. Bei den unter 21-Jährigen sind nur noch acht von 1000 betroffen – 93 Prozent weniger als zuvor. Weil die Antikörper der jungen Frauen die Ansteckungskette unterbrechen, sind auch ihre Partner geschützt: Bei den männlichen Jugendlichen gibt es etwa 80 Prozent weniger Warzen.

„Darauf werden wir in Deutschland noch 40 Jahre warten“, sagt Kaufmann. „Es ist haarsträubend, wie viele junge Frauen auf die Impfung verzichten.“ Nur 56,6 Prozent der 17-Jährigen haben alle drei Impfdosen bekommen, heißt es in der Kiggs-Studie des Robert-Koch-Instituts. „Selbst diese Zahl könnte zu hoch sein“, sagt Yvonne Deleré von der Geschäftsstelle der Stiko. „Wahrscheinlich sind es 50 Prozent.“ Hierzulande müssen Eltern oder Jugendliche selbst an die Impfung denken. Zu Vergesslichkeit und Bequemlichkeit kommt Skepsis.

Doch ein Zusammenhang zwischen Impfstoff und schweren Erkrankungen konnte nie nachgewiesen werden. Die Impfung habe keine zusätzlichen Autoimmunkrankheiten, neurologischen Erkrankungen oder Thrombosen verursacht, schrieben etwa Forscher um Lisen Arnheim-Dahlström vom Karolinska-Institut in Stockholm im „British Medical Journal“. Sie haben die Krankengeschichten von 300 000 geimpften und 700 000 nicht geimpften Frauen in Skandinavien verglichen. Fakt ist: Der Pikser tut weh. Viele haben grippeähnliche Beschwerden. „Das ist gut!“, sagt Gissmann. „Es zeigt, dass das Immunsystem auf die Impfung reagiert.“

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