zum Hauptinhalt
Die Häuser am Kaiserkanal in Suzouh haben weder Heizung noch Toilette.
© Christina Franzisket

Chinatagebuch 7: Im Venedig des Ostens

Auf ihrem Bahntrip durch China ist unsere Reiseautorin in Suzouh angekommen, dem "Venedig des Ostens". Die Stadt ist Weltkulturerbe.

Die Verständigung ist das größte Problem für mich Chinareisende. Ich spreche kein Mandarin und nicht einmal in unserem internationalen Hotel in Shanghai spricht das Personal ausreichend Englisch, so dass sie meine Frage nach meiner Wäsche verstehen. Nach einigem Hin und Her hole ich Ling, sie hilft beim Übersetzen. Für die Taxifahrer bekommen wir alle stets einen Zettel, auf dem die Hoteladresse in Chinesisch drauf steht. Mit so einem Taxi und ausgerüstet mit einem Lonely Planet Reiseführer, machen wir uns auf den Weg nach Qibao, etwa zwanzig Kilometer vom Stadtzentrum Shanghai entfernt.

Dieses Viertel von Shanghai versprüht Kleinstadtflair. Niedrige Häuser mit weißen Wänden, kastanienschalenfarbenen Dächern und Holzverzierungen. Über einen See führen Steinbrücken, die aussehen wie aus einer Puppenwelt. Am Ufer sitzen Chinesen unter Pavillons und knabbern an Fleischspießen. In engen Gassen steigt Fettdampf aus den Woks auf. Hier gibt es ganze Wachteln am Holzspieß, gebratene Frösche oder Riesengarnelen. Die Gerüche sind intensiv und zahlreich. Fett, Fleisch und Gewürze mischen sich zu einem manchmal entsetzlich stinkenden Geruchsbrei. Es ist mittlerweile dunkel geworden und überall leuchten rote Lampions. Musik aus ächzenden Lautsprechen ist zu hören. Auf einem Platz tanzen mindestens sechzig alte Damen. Sie kennen die Schritte, bewegen sich alle gleich, hopsen und wirbeln mit den Armen. Als die Musik stoppt, gehen sie in kleinen Grüppchen weiter ihre Wege. Aber nicht bevor sie uns Langnasen bestaunt haben. Denn in diesem Teil von Shanghai werden nur selten welche gesehen.

21.05. Suzouh:

Die Chinesin trägt einen schmutzigen Wollpullover, Strähnen ihres schwarzen Haares kleben im schweißnassen Gesicht. Eine Hand hat eine Henne fest im Griff, die andere schiebt langsam die rostige Klinge einer Schere in den Hals des Tieres. Neben ihr steht ein Mann, der aus einem Bottich Kücken holt und ihnen den Flaum vom lebendigen Leibe reißt. Dann schmeißt er eins auf den glühend heißen Grill. Davor steht schon ein hungriger Abnehmer mit Geldscheinen in der Hand. Wir sind auf einem chinesischen Markt. Hier kaufen die Chinesen für zu Hause ein. Frische Frösche, Schildkröten, Aal, Hühner und Ente. Ich habe genug gesehen und haste zum Boot zurück. Wir sind in Suzouh, dem „Venedig des Ostens“, wie Marco Polo es nannte. Diese Stadt ist Unesco Weltkulturerbe und berühmt für seine privaten Gärten, die Seidenfabrik und den Kaiserkanal. Der Kanal wurde gebaut damit der Kaiser den Urlaubsort Suzhou bequem mit dem Schiff erreichen konnte. Das Ufer des Kaiserkanals wird heute noch bewohnt. Mit einem Boot fahren wir zwischen den alten Häusern hindurch. Sie haben keine Heizung und keine Toilette und sind zum Teil einfach nur windschiefe Bretterbuden. Die Bewohner machen ihr Geschäft in Holztöpfe, die jeden Morgen an einer Sammelstelle ausgeleert werden müssen. Und im Winter, wenn es bis zu minus fünfzehn Grad werden kann, ziehen sie sich eben mehr an, erklärt uns der neue lokale Guide Deli. Er führt uns auch zur Seidenfabrik. Eine Stunde fahren wir mit dem Linienbus. Wir müssen diese Fabrik besuchen, das ist Reisegruppen mit Reiseleitung von der chinesischen Regierung vorgeschrieben. Sie nennen das Besuche in „Freundschaftsläden“. In der Fabrik sehen wir Seidenraupen Maulbeerenblättern fressen, und ihren Kokon spinnen. Arbeiterinnen stehen an einer Maschine und fädeln die hauchdünne Seide auf. Der eigentliche Grund für diese Besichtigung ist unser Besuch im Fabrikshop. Hier können wir Seidenprodukte kaufen und unsere lokaler Guide Deli rührt die Werbetrommel. Am Ende hat es sich für beide Seiten gelohnt.

Christina Franzisket

Zur Startseite