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Am Ziel. Für Hummeln ist es lebenswichtig, bei der Nahrungssuche nicht zu viel Energie zu vergeuden.
© picture alliance / dpa

Logik im Tierreich: Hummeln lieben kurze Wege

Clever: Beim Nektarsammeln wenden die Insekten verschiedene Strategien an, um Zeit und Energie zu sparen. Dabei nehmen es die kleinen Brummer sogar mit der Rechenkapazität von Computern auf.

Hummeln haben’s nicht leicht. Bei jedem Wetter sind sie bis zu 18 Stunden unterwegs und steuern Hunderte von Blütenkelchen an, um Nektar aus ihnen zu saugen. Hummeln verfügen allerdings nicht wie die Honigbienen über ein Zeitgedächtnis. Deswegen wissen sie nicht, welche Nektarquellen wann am ergiebigsten sind. Ebenso wenig verfügen sie über eine Tanzsprache, so dass sie nicht imstande sind, einander die Standorte ergiebiger Blüten mitzuteilen. Hinzu kommt, dass Hummeln nicht wagen, Blüten in unmittelbarer Nähe ihres Nestes anzufliegen. Denn damit würden sie riskieren, ihre Feinde dorthin zu locken.

Hummeln müssen also sehr genau darauf achten, bei ihre Flügen keinen Treibstoff zu vergeuden. Sie haben allerdings das Problem, dass die Nektarquellen, die sie anzapfen wollen, in der Regel kreuz und quer in der Gegend verteilt sind.

Die einfachste Strategie bestünde darin, dass sie sich immer zur jeweils nächstgelegenen Blüte begeben. Dieses Vorgehen ist nicht schlecht, obwohl es zulässt, dass durch Umwege ziemlich viel Energie verschwendet wird. Was wäre, wenn die Hummeln es irgendwie schaffen würden, die optimale, ein Minimum an Energie und Zeit kostende Reiseroute zu finden? Sind Hummeln in der Lage, eine derart anspruchsvolle Aufgabe zu lösen, die Mathematiker das „Problem des Handlungsreisenden“ nennen? Um der Sache auf den Grund zu kommen, haben Mathieu Lihoreau und sein Team von der Universität London Experimente angestellt. Über ihre Forschungsergebnisse berichten die Wissenschaftler in den „Royal Society Biology Letters“.

Tierische Lösung für das Problem des Handlungsreisenden

Ein Handlungsreisender soll Kunden in 15 Städten aufsuchen. Welche Route muss er nehmen, wenn er nur so viele Kilometer fahren will, wie unbedingt nötig? Um die optimalen Routen zu berechnen, ist oft ein derart gewaltiger Rechenaufwand erforderlich, dass die Computer heiß laufen, die Zahl der Kombinationen wird astronomisch hoch. Im vorliegenden Fall hat der Handlungsreisende die Wahl zwischen mehr als 43 Milliarden verschiedenen Rundreiserouten.

Können es Hummelgehirne mit Computern aufnehmen? Für ihr Experiment setzten die Londoner Wissenschaftler acht Erdhummeln in einem Flugkäfig aus, in dem sechs synthetische, mit Zuckerlösungen ausgestattete Blumen standen. Insgesamt durften die Hummeln 640 Mal ausschwärmen. Zuerst wurden die Kunstblüten mit der gleichen Menge Nektar, danach mit unterschiedlich großen Mengen gefüllt. „Indem wir dann eine Blüte nektarreicher machten, zwangen wir die Hummeln, sich zu entscheiden, ob sie die kürzeste Route wählen oder zuerst die lohnendere Blüte ansteuern sollten“, erklärt Lihoreau.

Als die Wissenschaftler analysierten, welche Blüten in welcher Reihenfolge angeflogen worden waren, machten sie eine verblüffende Entdeckung. Die Hummeln hatten auf ihren ersten zehn Flügen eine durchschnittlich 6541 Zentimeter lange Strecke zurückgelegt, auf ihren letzten zehn Flügen hingegen bloß noch 3840 Zentimeter. Außerdem hatten sie bei den kürzeren Flugstrecken weniger häufig dieselbe Blume zweimal angesteuert, und sie hatten diese Flüge wesentlich kürzer absolviert als vorher.

Abgucken beim Nachbarn

Die Forscher folgern, dass es den Hummeln gelingt, durch Lernen aus Versuch und Irrtum die kürzeste oder zumindest die annähernd kürzeste Route zu ermitteln. „Vermutlich behalten die Tiere die letzte Route in Erinnerung und vergleichen deren Länge mit der aktuellen“, sagt Lihoreau. „Wenn die neue Wegstrecke kürzer ist, dann geben sie die alte auf und wechseln zur nächstbesten Lösung.“

Aber nicht genug damit. Kürzlich haben die britische Biologin Erika Dawson und ihr Team von der Universität London eine weitere Strategie entdeckt, die Hummeln anwenden, um ihre Nektarsuche zu beschleunigen: Sie beobachten ihre Artgenossen und ziehen korrekte Schlüsse. Die Wissenschaftler berichten über ihre Ergebnisse im Fachblatt „Current Biology“.

Zunächst ließen die Forscher 250 Hummeln in einer Flugarena herumfliegen, wo eine Reihe künstlicher Blumen in unterschiedlichen Farben standen. Auf denjenigen künstlichen Blüten, die mit einer Zuckerlösung gefüllt waren, lagen tote Hummeln oder Hummelattrappen.

Es dauerte nicht lange, bis die Versuchstiere entdeckt hatten, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit genau dort auf Nahrung stoßen würden, wo Artgenossen in unmittelbarer Nähe waren.

Einige Zeit später konnten die Testhummeln die Flugarena zehn Minuten lang durch eine Glasscheibe betrachten. Dort waren erneut Kunstblumen aufgebaut, von denen wieder einige mit Pseudoartgenossen besetzt waren.

Schlaue Hummeln

Anschließend entfernten die Forscher die Hummelattrappen, veränderten die Reihenfolge der Kunstblumen und schickten ihre 250 Testhummeln ein weiteres Mal auf die Reise. Wie sich dann herausstellte, waren die Insekten durchaus imstande, aus der Beobachtung von Aktionen ihrer Artgenossen Entscheidendes zu lernen. Sie steuerten nämlich nur solche Blüten an, die farblich mit denjenigen übereinstimmten, auf denen die Hummelattrappen gesessen hatten.

Gelernt hatten die Hummeln in diesem Fall nicht bloß, welche Blütenfarben ihre Artgenossen am attraktivsten fanden. Sie hatten außerdem gefolgert, dass von Blüten in diesen Farben die höchste Nektarausbeute zu erwarten war. „Trotz ihrer winzigen Gehirne sind Hummeln schlau genug, um die attraktivsten Blüten dadurch zu identifizieren, dass sie andere Hummeln beobachten und aus ihrem Verhalten lernen“, erklärt Dawsons Kollegin Elli Leadbeater.

Frank Ufen

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