Fall Annette Schavan: HRK-Präsident Hippler versuchte Verfahren zu beeinflussen
Wieder wird Neues aus dem Plagiatsfall der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bekannt. Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), hat offenbar versucht, den Gang des Verfahrens an der Universität Düsseldorf zu beeinflussen.
Das geht aus einem Schreiben Hipplers an den Uni-Rektor Michael Piper und den Dekan der zuständigen Fakultät, Bruno Bleckmann, vom 15. Januar 2013 hervor, das jetzt auf dem Blog erbloggtes.wordpress.com, der dem Fall Schavan gewidmet ist, veröffentlicht wurde.
„Magnifizenz, Spektabilis, sehr geehrte Herren Kollegen Piper und Bleckmann“, beginnt Hippler altmodisch im Stil der Ordinarienuniversität. Und dann: „Als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz möchte ich Ihnen heute die Sorge einer namhaften Zahl der Mitglieder der HRK übermitteln, die das Verfahren zur Überprüfung der Plagiatsvorwürfe gegen Frau Prof. Dr. Annette Schavan und ihre Dissertation betrifft.“ Welche Rektoren zu der vermeintlich „namhaften Zahl“ gehören, erklärt Hippler im Einzelnen nicht. Doch werde die von ihm angehängte „Erklärung zu Plagiatsverfahren an deutschen Hochschulen“ „von einer Vielzahl von großen Universitäten, auch von den Gruppen der U15 und der TU9, getragen“, schreibt er.
„Mit dem aktuellen Verfahren an Ihrer Universität steht die deutsche Hochschullandschaft insgesamt im Fokus, wenn unter Beweis gestellt wird, wie wir in autonomer Weise die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis ausüben“, formuliert Hippler. Er bitte Piper und Bleckmann „eindringlich“ darum „die Reichweite der anstehenden Entscheidung“ angemessen zu berücksichtigen und „die formalen prozeduralen Abläufe und die Grundsätze der wissenschaftlichen Beurteilungspraxis, die in Ihrer Philosophischen Fakultät Anwendung finden, weiterhin mit großer Sorgfalt zu prüfen“.
Woraus Hippler schließt, dass die Fakultät nicht sorgfältig verfährt, erklärt er nicht. In einer angehängten „Erklärung“, die von der HRK in dieser Form nie veröffentlicht wurde, werden aber vermeintlich „etablierte Grundsätze wissenschaftlicher Beurteilungspraxis“ beschrieben. So müssten „Beschuldigte“ „detailliert Stellung nehmen können“. Tatsächlich hat Schavan der Uni Düsseldorf gegenüber eine solche detaillierte Stellungnahme abgegeben. Auswärtige Gutachter sollten bestellt werden, „sobald es sich nicht um Routineverfahren handelt oder nicht ausreichend unabhängige Fachexpertise in der betroffenen Fakultät vorhanden ist“, heißt es weiter. Doch tatsächlich hat der Düsseldorfer Fakultätsrat keine auswärtige Expertise angefordert, weil es sich aus seiner Sicht trotz der Prominenz der Verdächtigten inhaltlich nicht um einen komplizierten Fall handelte. Die von Schavan eingereichten drei Stellungnahmen externer Professoren wurden bei der Urteilsfindung aber mitberücksichtigt. Auch das in der „Erklärung“ angemahnte „Mehraugenprinzip“ hat die Düsseldorfer Fakultät eingehalten: Zunächst hatte der Judaist Stefan Rohrbacher in monatelanger Recherche eine Dokumentation der von Schavan ohne Kenntlichmachung aus anderen Werken übernommenen Textstellen erstellt und sein eigenes Fazit angehängt, wonach es sich um Plagiate handelte. Die 15 Mitglieder des Fakultätsrats, dem Rohrbacher nicht angehörte, kamen dann mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen zu der Einschätzung, es handle sich um plagiierte Passagen, zwölf Mitglieder stimmten dafür, Schavan den Doktorgrad abzuerkennen.
Seinen Brief an die Uni-Leitung hatte Hippler mit „persönlich – vertraulich“ überschrieben. Doch auf Vertraulichkeit hat die vielfach von Wissenschaftsmanagern öffentlich ins Unrecht gesetzte Uni offenbar keine Lust mehr, seit sie am 20. März vom Verwaltungsgericht Düsseldorf auf ganzer Linie recht bekam.
Schon im April hatte der Dekan Bleckmann auf der Homepage der Uni einen Brief an Wolfgang Marquardt veröffentlicht, den Vorsitzenden des Wissenschaftsrats. Marquardt hatte am Vortag der Gerichtsentscheidung das Verfahren der Universität kritisiert. Die gleiche Kritik hatten die Leiter der großen Wissenschaftsorganisationen, darunter Marquardt und Hippler, öffentlich schon im Januar 2013, also mitten im Verfahren, geäußert. Bleckmann hatte Marquardt im April auch für eine Veranstaltung des Wissenschaftsrats über Plagiate im vergangenen Sommer kritisiert, während derer die „Bedenklichkeit von Textplagiaten“ relativiert worden sei.
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