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Der Bauplan des Chromosoms.
© dpa

Künstliches Leben: Hefe und andere Halbwesen

Wissenschaftler haben ein Designer-Chromosom erschaffen und in einen Hefepilz eingebaut. Ist das der erste Schritt zu künstlichem Leben?

Seit Jahrtausenden sind Hefepilze Helfer des Menschen. Die Bäckerhefe lässt Bier gären und Teig aufgehen, sie dient als Brutstätte für Medikamente und produziert Alkohol und Kohlendioxid, das Mineralwasser kribbeln lässt. Knapp ein Viertel unserer Erbanlagen haben wir mit der Bäckerhefe gemein. Das ist sicher ein Grund dafür, dass es Wissenschaftler fasziniert, ihr Erbgut nachzubauen und in ihren Augen zu verbessern. Jetzt berichtete ein Forscherteam über den ersten Schritt. Ihm glückte die Montage und der Einbau eines kompletten Hefeerbträgers. In zwei Jahren soll das Kunstgenom komplett sein.

Bei solchen Meldungen aus der bunten und gelegentlich bizarren Welt der Biotechnik schwankt die Stimmung zwischen Hype und Horror. Ein paar Klarstellungen. Nein, die Forscher haben kein künstliches Leben hergestellt, ein Monster à la Frankenstein ist nicht zu befürchten. Sie haben lediglich ein Molekül ausgetauscht, wenn auch ein sehr wichtiges. Leben zeichnet sich durch Stoffwechsel und Vermehrung aus, ein Chromosom allein ist dazu nicht imstande.

Welche Gefahr droht, wenn Designer-Lebewesen entweichen

Eine Gefahr für die Umwelt ist unwahrscheinlich. Hochgezüchtete Laborkonstrukte, wenn sie denn entfleuchen sollten, haben in freier Wildbahn schlechte Karten. Dort draußen begegnen sie Organismen, die nicht zwei oder drei, sondern Milliarden Jahre genetischer Optimierung hinter sich haben, in einem Prozess namens Evolution. Viel Vergnügen dabei.

Mit Vorsicht zu genießen sind Prognosen mancher Biologen. Schwärmereien vom Biodiesel aus dem Hefebottich oder neuen Wegen zum Erforschen von Krankheiten erleichtern den Zugang zu den Portemonnaies der Investoren. Noch muss sich erweisen, dass ein Mehr an Manipulation tatsächlich mehr bringt.

Magisches Denken und Reproduktionsmedizin

Instinktiv werden viele Beobachter dennoch frösteln, wenn es um neuartiges Leben aus dem Labor geht. So wie die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die kürzlich in einer Rede zugab, von „Halbwesen“ angewidert zu sein. Damit meinte sie Kinder, die ihre Existenz der Reproduktionsmedizin verdanken. „Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen“, sagte Lewitscharoff. Abgesehen davon, dass Ekel ein fragwürdiger (weil willkürlicher) moralischer Kompass ist, zeigt sich in der Abscheu ein Rückfall in magisches Denken. Danach zeichnet „echtes“ Leben ein spiritueller Kern aus, eine immaterielle, geistartige Substanz. „Künstliche“, im Labor gezeugte Kreaturen besitzen dagegen keine Lebensenergie.

Biologie und Chemie haben jedoch keinen Unterschied zwischen „echtem“ und „unechtem“ Leben ausmachen können, allem verbreiteten Unbehagen zum Trotz. Bereits 1828 hatte der Berliner Chemiker Friedrich Wöhler Harnstoff künstlich hergestellt, eine zentrale Substanz aus dem menschlichen Stoffwechsel – ganz ohne „Lebenskraft“, die man damals in allem Lebendigen vermutete. Heute ist unzweifelhaft, dass Leben Biochemie ist. Ein Netzwerk aus Genen und Proteinen, das ohne magische Essenz auskommt, als Mikrokosmos aber umso faszinierender ist.

Das wiederum heißt selbstverständlich nicht, dass sich unser Menschsein in Biologie oder Chemie erschöpfen würde. Genauso sind wir sozial, kulturell und psychologisch bestimmte Wesen. Dazu, und das ist vielleicht das Eigenartigste und Bewunderungswürdigste, zeichnet den Menschen Eigenständigkeit und Individualität aus. Erstaunlich, was die Biochemie vermag.

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