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Süß und unschuldig? Gummibärchen und andere Süßwaren sollen mit einer Zuckersteuer belegt werden, fordern Präventionsexperten.
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Zuckersteuer: Gummibärchen stehen zu Unrecht unter Verdacht

Brauchen wir wirklich eine Zuckersteuer? Warum eine Kampagne gegen Süßigkeiten, so wie sie bestimmte Krankenkassen verfolgen, unnötig ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

"Zucker macht krank“, behauptete ein Experte der Allgemeinen Ortskrankenkassen im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das sei erwiesen. Er begünstige Bluthochdruck, zu hohes Cholesterin, Diabetes, Karies und Fettsucht. Und weil die Deutschen zu viel naschen, sollen sie künftig eine Zuckersteuer bezahlen und sollten zudem weniger Süßigkeiten-Werbung gezeigt bekommen. Ist Zucker der neue Tabak?

Nein, ganz gewiss nicht. Zucker ist ein Energiespender, nicht zuletzt für das nach Traubenzucker lechzende Gehirn. Rauchen dagegen erzeugt Krebs, führt zu Herzinfarkt und unzähligen anderen Leiden und raubt viele Lebensjahre. Aber nach dem deutlichen und anhaltenden Trend zum Nichtrauchen gehen den Präventionsexperten ein bisschen die Themen aus, der Kampf gegen den Zucker kommt da gerade recht.

Vorreiter ist die Weltgesundheitsorganisation WHO. Bisher forderte sie, dass Zucker nur zehn Prozent der täglichen Kalorienmenge beisteuern solle. Das entspricht einem halben Liter Cola oder einer knappen halben Tüte Gummibärchen. Jetzt setzt die WHO noch eins drauf und hält es für erstrebenswert, den Zuckeranteil auf fünf Prozent zu senken – wenn auch nicht für zwingend geboten.

Vor allem Softdrinks entpuppen sich als Kalorienbomben

Die WHO hofft, Übergewicht, Fettsucht und Zahnfäule mit dem Zehn-Prozent-Limit zu verringern. Doch vollends überzeugen können die Untersuchungen nicht, die sie in Auftrag gegeben hat und mit denen sie argumentiert. Studie Nummer eins wertete aus, wie sich Zuckerkonsum aufs Gewicht auswirkt. Ergebnis: Wer viel Süßes konsumiert, bringt entsprechend mehr auf die Waage. Leuchtet irgendwie ein. Etwas überzeugender war Studie Nummer zwei, in der es um den Einfluss gesüßter Getränke auf das Gewicht ging. Die Wissenschaftler fanden Hinweise, dass Kinder und Erwachsene mit reichlich Softdrinkkonsum an Gewicht zulegten. In der Tat sind zuckerhaltige Limonaden nicht nur sehr kalorienreich, sondern vermitteln zudem auch kein rechtes Sättigungsgefühl, ein doppelter Nachteil.

Bei ihrer Fünf-Prozent-Empfehlung ist die Datenlage der WHO eher dürftig zu nennen. Sie bezieht sich auf Studien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. 1946 war Zucker in kriegsbetroffenen Ländern wie Deutschland ein Luxusartikel und wurde praktisch nicht verzehrt. Das positive Ergebnis dieses „natürlichen Experiments“ waren weniger Löcher in den Zähnen. Aber wie der deutliche Rückgang von Karies in den vergangenen Jahrzehnten zeigt, lässt sich mit guter Zahnhygiene der gleiche Effekt erreichen.

Süßes stimuliert uns - und ist in Maßen genossen kein Problem

Süßigkeiten sind ein Genussmittel und ein Stimulans für zwischendurch, kein Grundnahrungsmittel und natürlich kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung. Gegen maßvollen und bewussten Konsum ist dennoch wenig einzuwenden, Zahnpflege vorausgesetzt. Staatliche Eingriffe, die den Zuckerkonsum einschränken sollen, bevormunden dagegen und sind von zweifelhaftem Wert. Besser ist es, auf Aufklärung zu setzen. Dann kann jeder selbst entscheiden, wie viel Schokoriegel er sich zumuten möchte. Für Alarmismus gibt es keinen Anlass, der Zuckerkonsum ist seit Jahren konstant.

Die Idee der Gesundheitshüter von der WHO, Süßigkeiten zugunsten gesünderer Lebensmittel zurückzudrängen, ist vernünftig. Ob starre Prozentwerte hilfreich sind, ist eine andere Frage. Die wenigsten Menschen werden ihre Ernährung nach abstrakten Quoten einteilen und ausrechnen, wie hoch der Anteil von Protein, Fett und Kohlenhydraten ist. Besser ist es, einen erstrebenswerten Ernährungsstil zu fördern, etwa den mediterranen mit viel Obst, Gemüse, Pflanzenöl und Fisch und eher wenig Fleisch und tierischen Fetten.

Und dann sind da noch ein paar Mythen: Macht Zucker zuckerkrank? Nein, ein direkter Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und der Zuckerkrankheit Diabetes besteht nicht. Patienten mit Typ-2-Diabetes („Alterszucker“) sind häufig stark übergewichtig, Abnehmen und Sport können den Blutzucker wieder ins Lot bringen. Auch beim Bluthochdruck sind Fettsucht und Trägheit Risikofaktoren, daneben Rauchen und Alkohol-, aber nicht Zuckerkonsum. „Schlechte“ Blutfette können durch eine cholesterinreiche Ernährung mit bedingt sein. Cholesterin findet sich in Eiern, Butter, Käse und Wurst, nicht in Zucker. Gut fürs Herz ist Süßes deshalb aber noch lange nicht.

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