Grünflächen in Metropolen: Grüner leben
Soziale Orte: Wie müssen moderne Grünflächen in Metropolen aussehen?
Stadtentwicklung bedeutet seit jeher auch das Planen von Grünflächen. Die Anforderungen an die Gestaltung der grünen Freiräume haben sich für die Planer in den vergangenen Jahren allerdings fundamental geändert. „Heute müssen wir uns fragen: Wie können Grünflächen einen maximalen Beitrag zur Integration der Stadtgesellschaft leisten?“, sagt Ilse Helbrecht. Sie ist Kultur- und Sozialgeografin am Geographischen Institut und zudem Direktorin des Georg-Simmel-Zentrums für Metropolenforschung an der HU (GSZ). Das Thema Stadtforschung wird hier von Geographen, Europäischen Ethnologen, Sozial- und Kulturwissenschaftlern erforscht und gelehrt.
„Nutzbarkeit und Multifunktionalität“ sind für Ilse Helbrecht bei der Planung von Grünflächen Schlüsselworte. Denn während klassische Grünflächen wie der Berliner Tiergarten noch eher einseitig auf das Spazierengehen ausgelegt wurden und die Landschaftsästhetik bei der Gestaltung eine große Rolle spielte, dienen viele Parks heute de facto als Multifunktionsflächen: Freunde treffen sich zum Grillen, Familien feiern Kindergeburtstage, zwischen den Bäumen balancieren Slackliner und auf den Wiesen arbeiten Menschen am Laptop.
Die Grünflächen in den Städten sind soziale Treffpunkte und Arbeitsorte zugleich geworden. Und sie sind so beliebt, dass Wissenschaftler die Gefahr der „Übernutzung“ sehen: Müll, Lärm, Konflikte zwischen Nutzergruppen und brauner Rasen sind die für alle sichtbaren Folgen. Eine Herausforderung für die Stadtentwicklung ist es also, mehr Grünflächen zu schaffen und diese so zu gestalten, dass sie für alle potenziellen Nutzer etwas bieten. Denn: „Grünflächen haben eine wichtige soziale Integrationsfunktion. Durch ihre Vielseitigkeit nimmt ihre Bedeutung als öffentlicher Raum gerade in Metropolen rapide zu“, sagt Helbrecht. Der Park am Gleisdreieck gilt als gelungenes Beispiel für zeitgemäße Grünflächen-Planung – da er mit seinen vielfältigen Möglichkeiten den sich wandelnden Bedürfnissen moderner Städter gerecht wird.
Die „Übernutzung“ ist eine Seite der Medaille. Gleichzeitig beobachten Helbrecht und ihre Kollegen eine „Unternutzung“: „Die traditionelle Planung vieler Grünflächen hat den Fahrradverkehr noch nicht ausreichend berücksichtigt“, erläutert sie. Weder der Görlitzer Park noch der Tiergarten lassen sich mit ihren verschlungenen Wegen mit dem Fahrrad einfach durchqueren – ganz anders als der Park am Gleisdreieck.
Fahrradfahrer in die Grünfläche zu locken, ist freilich kein Selbstzweck. Vielmehr geht es den Stadtforschern darum, den Radverkehr zu fördern und dadurch Entlastung an anderer Stelle zu schaffen: im Straßenverkehr. Denn Staus und Umweltbelastung durch Autoverkehr sind in allen Metropolen ein zentrales Problem: „Der Autoverkehr frisst einfach zu viel Fläche für Straßen und Parkplätze, die teuer mit Steuergeldern hergestellt werden“, sagt Helbrecht. Wer heute Grünflächen plant, muss also sowohl den Verkehr im Blick haben als auch sozialpolitisch denken. „Eine komplexe Gestaltungsaufgabe, die die Städte unbedingt interdisziplinär angehen müssen“, fordert Helbrecht.
- Dieser Text erschien in der Beilage "Humboldt-Universität 2015".
Eva Keller
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