Genderforschung: Greift Coca-Cola nach der Charité?
Der Getränkekonzern hat Genderforscher an der Berliner Uniklinik gefördert und damit eine Kontroverse ausgelöst. Ein Kommentar.
Vorbei scheinen die Zeiten, als Coca-Cola für sorgenfreies Leben und unbeschwerten Genuss stand. Etwa in der Epoche des Kalten Krieges, als die Marke die Überlegenheit des westlichen Lebensstandards symbolisierte (obwohl man auch im Osten durchaus genießbare Cola herstellte).
Heute gelten Limonadenhersteller wie der Coca-Cola- oder der Pepsi-Konzern vielen als böse Buben, die mit ihren zuckerhaltigen Softdrinks die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel setzen, Fettsucht und Zuckerkrankheit verbreiten. Und wer mit ihnen zusammenarbeitet, ist gleich mit des Teufels. So wie die Berliner Uniklinik Charité. Sie bekam Fördermittel von Coca-Cola für ihre Forschung und wurde von der Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“ medienwirksam aufgefordert, diese Zusammenarbeit abzubrechen.
Coca-Cola unterstützte das „Institut für Geschlechterforschung in der Medizin“ der Charité. Der größte Teil der Mittel, so stellt es die Uniklinik dar, floss dabei in eine Untersuchung namens „Befri“. Die Abkürzung steht für „Berliner Frauen Risikoevaluation“. In der Studie wurden rund 1000 Berlinerinnen im Alter von 25 bis 74 Jahren zum Thema Herz- und Gefäßleiden befragt und auch untersucht. Dabei ging es darum, wie gut die Frauen ihr Gesundheitsrisiko einschätzten. Ergebnis: Nur 41 Prozent lagen richtig, 48 Prozent unterschätzten die Gefahr. Vor allem das Alter als Risikofaktor wurde unterschätzt.
Die Cola-Förderung wurde in der Studie erwähnt
Ein eher unspektakuläres Ergebnis, das mit der Softdrinkindustrie und Coca-Cola eigentlich so gut wie nichts zu tun hat. Veröffentlicht wurde die Studie 2015 im frei zugänglichen Online-Fachblatt „Biomed Central“. Als Geldgeber wird die Coca-Cola-Stiftung im Anhang korrekt genannt, zusammen mit anderen Einrichtungen wie der renommierten Deutschen Forschungsgemeinschaft, der wichtigsten Förderorganisation der deutschen Wissenschaft. Und versehen mit dem wichtigen Nachsatz, dass die Unterstützer keinen Einfluss auf die Untersuchung hatten.
Werbewirksamer als eine Erwähnung im kleingedruckten Appendix einer Studie ist der Auftritt von „Coca-Cola light“ als Träger der an Frauen gerichteten Initiative „Hör auf dein Herz“. Als weitere Träger fungierten bis 2015 Vera Regitz-Zagrosek, Leiterin des Charité-Geschlechterforschungs-Instituts, und die von ihr mitgegründete „Deutsche Gesellschaft für geschlechtsspezifische Medizin“. Erklärtes Ziel der Initiative ist es, Frauen auf das Thema Herzgesundheit aufmerksam zu machen.
Macht die Charité gemeinsame Sache mit der Limo-Industrie?
Es war sicher ein geschickter Schachzug des Getränkekonzerns, sich als Verbreiter von Informationen zu Gesundheitsthemen ins Gespräch zu bringen und eine Forscherin der angesehenen Charité ins Boot zu holen. Ob sich das Universitätsklinikum damit einen Gefallen getan hat, ist eine andere Frage. Zwar sind die Texte auf der Website von „Hör auf dein Herz“ seriös und informativ, und „Coca-Cola light“ ist kalorienfrei und damit eine medizinisch „unbelastete“ Limonade. Aber das sind Feinheiten angesichts der heftigen Debatte um die gesundheitlichen Schäden durch Softdrinks. Eine Einrichtung wie die Charité tut gut daran, nicht den Eindruck der Parteilichkeit zu erwecken. Auch deshalb, weil das differenzierte Urteil ihrer Wissenschaftler Gewicht hat und haben sollte.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Industrieunternehmen keine Forschung fördern sollten. Private Zuwendungen für die Wissenschaft, etwa aus Stiftungen, sind durchaus willkommen und eine Stütze der Forschung. Voraussetzung sind Offenheit und die Gewähr, dass die Forscher unabhängig arbeiten können. Und natürlich gibt es Grenzen. Geld von Tabakfirmen ist in der Medizinforschung fehl am Platz, hochproblematisch sind auch Zuwendungen der Alkoholindustrie. Aber Limonade?
Als krakenarmiger US-Konzern passt Coca-Cola perfekt ins Feindbild der „Foodwatch“-Kampagneros. Doch zuckerhaltige Getränke als Wurzel allen gesundheitlichen Übels zu bezichtigen, greift zu kurz. Die Wirklichkeit ist komplizierter. Aufklärung und Bildung sind bessere Mittel gegen Fehlernährung und Fettsucht als Dämonisierung und Panikmache. Und maßvoller, gut informierter Konsum ist in Ernährungsfragen eine bessere Richtschnur als ideologisch geprägte Verbote. Gegen ein gelegentliches Glas Cola ist nichts einzuwenden – bedenklich ist der Dauerkonsum.