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Kind am Mosiktonetz
© Stephen Morrison, dpa

UN-Gipfel zu Nachhaltigkeitszielen: Gesundheit steht nicht mehr im Mittelpunkt

Die großen Seuchen bekämpfen, weniger Kindersterblichkeit und gesündere Mütter - das waren drei von acht Milleniumsentwicklungszielen. Der klare Fokus fehlt bei den Nachhaltigkeitszielen.

Wenn es darum geht, was man mit utopisch anmutenden Plänen erreichen kann, verweisen Politiker und Aktivisten gern auf sie. Die drei Milleniumsentwicklungsziele zur Gesundheit waren erfolgreich, zeigt die Bilanz nach 15 Jahren. Für Malaria und HIV gelten die Ziele als erfüllt: Die Zahl der Malariatoten sank um 60 Prozent, außerdem gibt es 37 Prozent weniger Neuerkrankungen. Mit HIV infizieren sich nicht mehr 3,1 sondern 2 Millionen Menschen pro Jahr, ein Unterschied von 35 Prozent. Seit 2005 sinkt die Zahl der Aidstoten; nun sterben 41 Prozent weniger Menschen an den Folgen der Erkrankung. Erhebliche Fortschritte gab es bei Kinder- und Müttersterblichkeit, selbst wenn man sich mehr erhofft hatte. Anders als noch 1990 sterben jedes Jahr nicht mehr 12,7 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, sondern die Hälfte: 5,9 Millionen. 45 Prozent weniger Mütter sterben während der Schwangerschaft oder Geburt.

Die Erfolge – etwa bei HIV – sind hart erarbeitet. Sich nun selbstzufrieden zurückzulehnen, sei keine Option, sagt Mark Dybul, der Direktor des Global Fund. Im Gegenteil. „Wenn wir nicht vorsichtig sind, machen wir alles wieder zunichte. Wir können es uns nicht leisten, dass die Fallzahlen erneut steigen. Entweder wir lernen jetzt aus der Vergangenheit oder wir verlieren.“ UNAids, Global Fund und all die anderen Partner wollen daher die Epidemie bis 2030 beenden. Der schwierigste Teil des Weges liegt noch vor ihnen.

Wer diesen ambitionierten Plan unter den 17 Nachhaltigkeitszielen sucht, die beim UN-Gipfel in New York verabschiedet werden, muss sich mit den 169 Unterpunkten beschäftigen. Dorthin rutschte der Kampf gegen die großen Seuchen, die Müttergesundheit und die Kindersterblichkeit. Drei von acht Milleniumsentwicklungszielen sind nun subsummiert unter Nachhaltigkeitsziel Nummer drei. Es fordert vage „gute Gesundheit und Wohlergehen“ für alle.

"Es gibt Grund zur Sorge"

„Es ist unvermeidlich, dass das weniger deutliche Profil der Gesundheit dazu führen wird, dass sich nicht mehr Staatschefs, sondern nur die Gesundheitsministerien damit beschäftigen“, warnt Christopher Murray vom Institut für Gesundheitsdaten und Evaluation in Seattle im Fachblatt „New England Journal of Medicine“. Er hofft, dass Geberländer, Stiftungen und die betroffenen Staaten weiterhin an den Milleniumsentwicklungszielen zur Gesundheit festhalten und ihren Erfolg verstetigen – zugunsten der Ärmsten. Für Schwellen- und Industrieländer sei die Liste der 23 Nachhaltigkeitsziele zur Gesundheit ebenfalls nicht geeignet, „eine kohärente Vision“ zu entwickeln.

Er analysiert, welche Faktoren zum Erfolg der Milleniumsentwicklungsziele beigetragen haben. Zum einen mussten Staatsoberhäupter dem Thema Beachtung schenken, da immer wieder betont wurde, dass Gesundheit essentiell für Entwicklung sei. Zum zweiten haben die Milleniumsentwicklungsziele klare Prioritäten gesetzt, die in großen Teilen der Bevölkerung Anklang fanden. Drittens blieben die Ziele auf der Agenda der Politik, der Medien und der Zivilgesellschaft, weil jährlich Daten erhoben wurden, die den Fortschritt maßen. Und viertens orientierten sich die Geber daran. „Wenn man die Liste der Nachhaltigkeitsziele unter diesen Aspekten liest, gibt es Grund zur Sorge“, schreibt Murray. Nicht zuletzt, weil nur 13 der 23 gesundheitsrelevanten Ziele konkrete Zahlen nennen, die erreicht werden sollen. Dabei sollte das Monitoring eher gestärkt werden.

"Die Daten zeigen, wo es Nachholbedarf gibt"

Das dies alles andere als perfekt ist, ist Wissenschaftlern bewusst. Was genau die Verbreitung von Malaria in Subsahara-Afrika antreibt, sei erstaunlich unbekannt, schreibt ein Team um Peter Gething von der Universität Oxford im Fachblatt „Nature“. Unter anderem, weil in 32 Ländern keine nationalen Statistiken darüber geführt werden, viele Patienten mit Malaria gar nicht zum Arzt gehen, Malariatests nicht verfügbar waren und Krankenakten unvollständig bleiben. Sie entwickeln ihre mathematischen Modelle daher ständig weiter, um so viele Daten wie möglich einzubeziehen und sich auf wenige Vorannahmen zu stützen.

„Die Milleniumsentwicklungsziele haben die Weltgemeinschaft dazu gezwungen, den Fortschritt messbar zu machen“, sagt Tony Pipa, der Koordinator der Post-2015-Agenda der amerikanischen Regierung. „Die Daten haben gezeigt, wo es Nachholbedarf gibt – etwa bei der Kindersterblichkeit. So konnten wir gezielt eingreifen.“ Die Universalität der Nachhaltigkeitsziele sieht er nicht als Nachteil. Schließlich seien sauberes Wasser und Hygiene, bessere Ernährung und weniger Ungleichheit sowie Bildung wichtig für die Gesundheit. „Wir wissen unter anderem, dass die Rate der HIV-Infektionen unter jungen Mädchen geringer ist, je länger sie die Schule besuchen“, sagt er. Und Kriege machten jeden Fortschritt zunichte.

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