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Gesine Schwan.
© Imago

Humboldt-Viadrina School of Governance: Gesine Schwan ist trotz Insolvenz "voller Zuversicht"

Hohe Miete, eine unvorhergesehene Forderung: Gesine Schwan erklärt, warum ihre Berliner Regierungsschule Insolvenz angemeldet hat. Für die Zukunft der Einrichtung ist sie dennoch optimistisch.

Frau Schwan, die von Ihnen geleitete private Berliner Humboldt-Viadrina School of Governance hat fünf Jahre nach ihrer Gründung Insolvenz beantragt. Warum?

Wir haben uns bisher beachtlich ohne öffentliche Unterstützung geschlagen. Aber Anfang des Jahres ist eine hohe Forderung an uns ergangen, die wir nicht vorhersehen konnten. Das hat letztlich zu dem Insolvenzantrag geführt.

Um welche Forderung handelt es sich?

Das möchte ich im derzeitigen Verfahren nicht öffentlich kommentieren, ebenso wenig die konkrete Schuld, die uns belastet.

Zu hören ist, es fehle ein mittlerer sechsstelliger Euro-Betrag.

Auch das kommentiere ich nicht. Was ich sagen kann: Wir haben einen jährlichen Haushalt von einer Million Euro, für Personal, Sachkosten, Miete. Wir haben bislang jährlich etwa immerhin 500 000 Euro an Spenden im Jahr erhalten. Aber gerade die Miete ist ein großer Batzen. Tatsächlich versuchen wir, auch durch Untervermietung Geld einzunehmen, was auch gelingt. Wir erhalten auch Einnahmen durch Studiengebühren ...

... die 18 000 Euro für zwei Jahre betragen.

Ein Studiengang braucht zwei bis drei Jahre, bis er sich selber trägt und auch noch Geld für Infrastrukturkosten abwirft. Wir wollen bald einen dritten Studiengang auflegen. Wir haben weitere Forschungsprojekte, also Drittmittelprojekte, in Aussicht, die unsere Lage deutlich verbessern werden. Neben der Lehre sind wir stark als Akteur, der in fachlichen Kontexten Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft miteinander ins Gespräch bringt. Wenn es zum Beispiel um die europäische Vernetzung der Energiewende geht, haben wir Strategien vorgelegt, die von der Politik gebraucht werden.

An der School sollen Studierende, die im Beruf stehen, besseres Regieren lernen. Sie richten sich dabei weniger an Führungskräfte aus der Wirtschaft als an zivilgesellschaftliche Akteure wie Nicht-Regierungsorganisationen. Haben Sie den Bedarf in diesem Bereich überschätzt?

Es ist richtig, dass wir keine Eliteschule sein wollen und auch keine spezifischen Unternehmensinteressen bedienen. Wir versuchen gemeinwohlorientierte Governance zu unterrichten. Da rennen einem die Studierenden vielleicht nicht so sehr hinterher wie bei karriereorientierten Weiterbildungsstudiengängen. Gemeinnützige Interessen zu verstehen, ist aber durchaus auch für Unternehmen wichtig. Wir richten uns also natürlich auch an die Wirtschaft.

Die Studiengänge der School werden von der Berliner Humboldt-Universität und der Viadrina-Universität Frankfurt (Oder) getragen. Können Ihnen die beiden Unis weiterhelfen?

Das konnten und wollten sie nie, und wir haben auch nie einen Beitrag verlangt. Dank der Gebühren ist auf jeden Fall die Finanzierung der Studiengänge gesichert, selbst wenn es uns nicht mehr gäbe, wovon ich ohnehin nicht ausgehe.

Welche anderen Partner kommen infrage?

Wir brauchen private Unterstützer ebenso wie jede andere Förderung. Die Hans-Böckler-Stiftung etwa (das Förderungswerk des DGB, die Red.) ist mit uns bezüglich einer Förderung im Gespräch. Wir bereiten ein Projekt zu den Arbeitsbedingungen in Europa vor: Wie können wir die soziale Marktwirtschaft in ganz Europa ausbauen? Wir müssen hier von unten liefern, was von oben nicht geschafft wird.

In Ihrer Zeit als Präsidentin der Frankfurter Viadrina-Uni haben Sie deren Umwandlung zur Stiftungsuni durchgesetzt. Schon da blieben größere Spenden aus. Hätte Sie das nicht skeptisch machen müssen, Ihre Regierungsschule nur mittels privater Geldgeber betreiben zu wollen?

Von meiner Mentalität her war und bin ich ein sehr optimistischer Mensch! Wer sich für das Gemeinwohl einsetzt, geht vielleicht auch unternehmerisch ein Risiko ein. Aber bezüglich der Perspektive für die Humboldt-Viadrina bleibe ich voller Zuversicht: So systematisch das Scharnier zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, also zwischen Theorie und Praxis, zu bearbeiten – das kann außer uns keiner.

- Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

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