WISSENSHUNGER: Gentechnik für Biobauern
Ich wohne in Berlin-Mitte. Wenn Sie da laut sagen, dass Biolebensmittel nicht unbedingt besser sind als andere, haben Sie eine Diskussion am Hals, als hätten Sie gefordert, die Mieten in Berlin müssten mal kräftig angehoben werden. .
Wenn Sie Pech haben, schlägt sogar ein Passant mit seinem iPad nach Ihnen. Dabei sind Bio-Debatten in ihrer Dramaturgie so vorhersehbar wie ein „Tatort“-Krimi. Unterstützer von Biolandbau sehen sich gerne als Verfechter einer grünen Revolution, die die Macht von Agrokonzernen brechen und die Umwelt vor Dünger und Pestizid bewahren will. Gegner weisen gerne darauf hin, dass Ökoanbau weniger effizient ist und deshalb mehr Land braucht – auf einem Planeten der bereits ein Drittel der Erdoberfläche für Landwirtschaft nutzt. Und dass man die Welt ja nicht auf Kosten von Hungertoten mit Biobrot beglücken müsse.
Wissenschaftler aus Montreal und Minnesota haben nun untersucht, wie viel Lebensmittel pro Fläche die verschiedenen Anbauweisen wirklich erzeugen. Sie werteten 66 Studien an 62 Orten zu 34 verschiedenen Obst-, Getreide- und Gemüsesorten aus. Ihr Ergebnis: Im Schnitt produzieren Biobauern auf derselben Anbaufläche ein Viertel weniger Lebensmittel als Landwirte, die konventionelle Methoden nutzen.
Der begrenzende Faktor ist offenbar Stickstoff. Das Element ist ein wichtiger Baustein aller Lebewesen, und Pflanzen brauchen im Wachstum ständig neuen Stickstoff. Im konventionellen Landbau wird er in Form von Dünger zugesetzt. Dagegen zeichnet sich Ökolandbau durch einen Verzicht auf diesen „Kunstdünger“ aus. Stattdessen wird Jauche oder Kompost genutzt und es werden im Winter Hülsenfrüchte gepflanzt, die durch Bakterien in ihren Wurzeln Stickstoff fixieren. Offenbar erhalten die Pflanzen auf diese Weise aber nicht genug Stickstoff, um ihr Wachstumspotenzial auszuschöpfen.
Das gilt in besonderem Maße für die wichtigsten Kalorienlieferanten der Welt: Bei Reis, Mais und Weizen ist der Vorsprung des konventionellen Anbaus besonders hoch. Felder mit Biogetreide lieferten ein Drittel weniger Ertrag als Vergleichsfelder. Dagegen benötigte organisches Obst im Schnitt kaum mehr Fläche als konventioneller Anbau. Der Grund: Obstbäume verteilen ihr Wachstum auf viele Jahre und können mit ihren großen Wurzeln Stickstoff aus einem viel größeren Bereich beziehen.
Die Schlussfolgerung? Es sei an der Zeit, die ideologisch aufgeladene Debatte „Öko gegen konventionell“ zu beenden, schreiben die Autoren. „Wir werden vermutlich viele verschiedene Techniken benötigen – darunter Bio, konventionelle und möglicherweise ,gemischte’ Systeme.“
Verena Seufert, eine der Autorinnen, schlägt vor, im Biolandbau auch „Kunstdünger“ einzusetzen. Die Einteilung in künstlichen und natürlichen Dünger sei ohnehin willkürlich. Das Ziel müsse sein, Landwirtschaft so umweltschonend wie möglich zu gestalten. Dazu gehöre es auch, Land möglichst effizient zu nutzen.
Und der Schweizer Pflanzenforscher Wilhelm Gruissem glaubt, genetisch veränderte Pflanzen, die weniger Stickstoff benötigen, seien eine weitere Möglichkeit, die Grenzen des Biolandbaus zu überwinden. Genpflanzen auf Bio-Äckern? Ich werde das morgen früh mal in meiner Straße vorschlagen.
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