Christentum und Islam: Gemeinsame Begriffe finden
Ein neues christlich-islamisches Lexikon will über die wichtigsten Grundbegriffe beider Weltreligionen aufklären und nach dem Wunsch seines Verlags „Ängste und Vorurteile abbauen“ helfen.
Ein neues christlich-islamisches Lexikon will über die wichtigsten Grundbegriffe beider Weltreligionen aufklären und nach dem Wunsch seines Verlags „Ängste und Vorurteile abbauen“ helfen. Das „Lexikon des Dialogs“, das türkische und deutsche Theologen und Philologen erarbeitet haben, erscheint in diesen Tagen in beiden Sprachen im katholischen Herder Verlag und richtet sich, wie die Herausgeberinnen und Herausgeber während der Vorstellung des Werks in Berlin betonten, ausdrücklich an ein interessiertes nicht wissenschaftliches Publikum.
Unter den 634 Begriffen von „Abendmahl“ bis „Weisheit“ finden sich Reizwörter der weltweiten Islamdebatte wie „Scharia“, „Dschihad“ oder „Frau“, aber auch solche, die in der islamischen Welt Schlüsselworte für christentumskritische oder auch antiwestliche Debatten sind, etwa „Kreuz“, „Kreuzzüge“, „Islamophobie“. Alle Begriffe sind, so weit möglich, aus islamischer wie christlicher Sicht beleuchtet. Wo es keine Parallelen gab – wie beim Heiligen Geist des Christentums –, bleibt es bei der Erläuterung nur einer Seite.
Es sei den beteiligten Wissenschaftlern wichtig gewesen, dass „jede Seite sich so darstellen durfte, wie sie sich selbst sieht, ohne mit fremden Vorstellungen überfrachtet zu werden“, sagte Peter Antes, früherer Professor für Religionswissenschaft an der Universität Hannover. Die Fragen, die Türken und Deutsche, muslimisch und christlich geprägte Kolleginnen und Kollegen aneinander hatten, hätten andererseits dazu geführt, dass alle Artikel mehrfach überarbeitet wurden.
Mualla Selçuk, ehemalige Dekanin der Theologischen Fakultät der Universität Ankara, sagte, am Anfang der Arbeit habe die Erkenntnis gestanden, „dass es uns an einer gemeinsamen Sprache fehlt und dass wir die entwickeln sollten“. So habe es etwa Verwirrung um den Begriff der „Würde“ gegeben, der im Türkischen auch mit „Ehre“ übersetzt werde, ergänzte Richard Heinzmann von der Eugen-Biser-Stiftung, der Auftraggeberin des Werks. Die nach dem katholischen Münchner Fundamentaltheologen benannte Stiftung widmet sich nach eigener Aussage der Verbreitung des Christentums und dem Dialog der monotheistischen Religionen. „Wir haben dann aber festgestellt, dass viele Begriffe sich ähneln und gemeinsame sprachliche Wurzeln haben“, sagte der Ankaraner Theologe Halis Albayrak. Das seien vor allem die, die sich um den Menschen drehten.
Das Lemma „Frau (isl.)“ vermittelt denn auch einen, wo nicht christlichen, so doch sehr westlichen Begriff. Der Koran spreche beide Geschlechter in gleicher Weise als Diener Gottes an, Frauen seien dort nach Rechten und Pflichten vom Mann unabhängig. „Gott verbietet Diskriminierungen gegenüber Frauen und verurteilt auf das Schärfste den vorislamischen Brauch der Araber, Töchter lebendig zu begraben.“ Über „Demokratie“ liefert der Verfasser Paul Kirchhof, früher Bundesverfassungsrichter, eine staatsrechtliche Erläuterung, die – kurios für dieses Werk – ganz ohne Bezüge aufs Christentum auskommt. Sein muslimischer Counterpart Cemal Tosun hingegen setzt sich intensiv mit sunnitischer Tradition (der Staat ist wichtiger als die Regierung) und Rechtsschulen auseinander, die das Wahlrecht betonten. Die Zeit der ersten – gewählten – Kalifen unmittelbar nach Mohammed lasse sich „als Zeichen der Offenheit des Islams für die Demokratie deuten“. Andrea Dernbach
Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam. Herder Verlag, Freiburg, 2013. 2 Bde., 854 Seiten, 38 Euro
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