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Abendruhe. Stehen Windräder während der Dämmerung still, haben Fledermäuse bessere Überlebenschancen.
© dpa

Tote Fledermäuse an Windrädern: Gefährlicher Flügelschlag

Zahlreiche Fledermäuse sterben an Windkraftanlagen - entweder durch die unmittelbare Kollision mit Rotoren oder durch plötzliche Änderungen des Luftdrucks. Ein gezieltes Abschalten der Anlagen in den Abendstunden kann helfen.

Welch ein gesellschaftlicher Aufstieg: Vom Grafen Dracula über Reiner Kunzes „Mißgeschöpfe“ zu den Lieblingstieren der Naturschützer. Mit Fledermäusen lässt sich in Deutschland inzwischen fast jedes Bauprojekt ausbremsen. Und die Lobby der Flattertiere wächst. Im schwäbischen Biberach wurden für 400 000 Euro zwei Fledermausbrücken gebaut, deren Nutzen mehr als fraglich ist. Allein die Gefahr, die Tiere könnten gegen fahrende Autos fliegen, brachte die Behörden in Zugzwang. Denn das Bundesnaturschutzgesetz untersagt die Tötung der einheimischen Fledermäuse.

Bei Windenergieanlagen ist die Gefahr dagegen längst Realität. Die Fundkartei des Landesumweltamtes Brandenburg, die seit über zehn Jahren besteht, listet bundesweit etwa 2000 tote Fledermäuse auf. Sie enthält, nach Angabe der Behörde, jedoch „nur einen Bruchteil der tatsächlich an Windenergieanlagen verunglückten Tiere“. Diese Einschätzung wird von einer aktuellen Studie aus den USA gestützt. Dort kamen im vergangenen Jahr schätzungsweise 600 000 dieser Tiere an Windrädern um, berichtete kürzlich Mark Hayes von der Universität von Colorado im Fachmagazin „BioScience“.

So haben Windparkgegner ihre Liebe zur Fledermaus entdeckt. Denn der individuelle Artenschutz ist rechtlich leichter durchzusetzen als der Schutz der Landschaft. Mit jedem neuen Windpark wächst der Konflikt zwischen lokalem Naturschutz und globalem Klimaschutz.

Konkrete Angaben zur Gefährdung der Tiere liefert eine dreijährige Studie von Zoologen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Sie haben die „Schlagopfer“ an über 70 Windenergieanlagen im Bundesgebiet genauer untersucht. Demnach kommen jährlich an jedem Windrad zehn bis zwölf Fledermäuse um – entweder direkt durch eine Kollision mit dem Rotorblatt oder an inneren Blutungen. Letztere könnten von sogenannten Barotraumata herrühren, die durch plötzliche Änderungen des Luftdrucks verursacht werden.

Weht der Wind stark, sind weniger Tiere unterwegs

Parallel zur Schlagopferzählung installierten die Forscher Mikrofone in den Windrad-Gondeln, mit denen sie die Rufe der Fledermäuse aufzeichneten. Dabei stellte sich heraus, dass die Tiere vor allem in der ersten Nachthälfte aktiv sind und umso seltener fliegen, je stärker der Wind weht. Temperatur und Niederschlag spielen dagegen kaum eine Rolle.

Mithilfe dieser Daten wurde ein Computerprogramm entwickelt, das abschätzt, bei welcher Windgeschwindigkeit und in welcher Abend- oder Nachtstunde die Fledermäuse vor Ort besonders gefährdet sind. Ein Nachfolgeprojekt sollte experimentell klären, wie belastbar diese Vorhersagen sind. Dazu wurde das Windrad so programmiert, dass der Rotor abgeschaltet wird, sobald die Windgeschwindigkeit unter einen – im Laufe der Nacht durchaus unterschiedlichen – Schwellenwert fällt.

Ob Windräder den Bestand der Arten bedrohen, ist unklar

Das Experiment lief an je zwei Anlagen in acht Windparks über drei Monate. Eines der Windräder arbeitete im Normalbetrieb, das andere im Fledermausschutz-Modus. Nach einer Woche wurde gewechselt. Gleichzeitig zählten die Forscher die erschlagenen Tiere. Das Ergebnis überstieg alle Erwartungen: Während der Normalbetrieb durchschnittlich zwölf Opfer pro Jahr und Anlage forderte, waren es im Schutzmodus nur zwei Tiere.

„An den meisten Standorten liegen die Kosten dieser Abschaltautomatik unter einem Prozent des Jahresertrages“, sagt der Projektleiter Oliver Behr. Es sei nun Aufgabe der Politik festzulegen, wie viele Fledermausopfer für die Nutzung der Windenergie vertretbar seien.

Ob sich die Zahl der Schlagopfer langfristig auf den Bestand einzelner Fledermausarten auswirkt, lasse sich derzeit nicht sagen, fügt Behr hinzu. „Dafür haben wir noch viel zu wenig Populationsdaten.“ Gerade bei Arten wie dem Großen Abendsegler, der sich wie ein Zugvogel verhält und vom Baltikum über Deutschland bis in die Schweiz wandert, dürfte die Datenerhebung schwierig werden.

Mathias Orgeldinger

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