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In Gefahr. Auch Gorillas sind bedroht.
© Russell A. Mittermeier

Artenschutz: Für die nächsten Verwandten des Menschen läuft die Zeit ab

Etwa 60 Prozent aller Primaten-Arten gefährdet das Wirtschaften des Menschen. Viele könnten in wenigen Jahrzehnten aussterben.

„Bei einigen Arten ist es fünf Minuten vor zwölf Uhr“, stellt Eckhard W. Heymann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen fest. Er meint damit das Schicksal der rund 500 Arten von Affen, Lemuren, Buschbabys und einigen anderen, die Zoologen Primaten nennen und zu denen auch wir Menschen gehören. Unser Wirtschaften gefährdet 60 Prozent aller Primaten-Arten, stellen Alejandro Estrada von der Nationalen Autonomen Universität in Mexico City und Paul Garber von der University of Illinois in Urbana-Champaign gemeinsam mit 29 Kollegen einschließlich Heymann im Fachblatt „Science Advances“ fest.

In den kommenden Jahrzehnten könnten Arten wie der Grauer-Gorilla im Kongo oder der Hainan-Schopfgibbon in China von der Erde verschwinden, befürchten die Forscher. „Auch der Sumatra-Orang-Utan hat zwischen 1985 und 2007 60 Prozent seines Lebensraums verloren und ist vom Aussterben bedroht", nennt Garber ein weiteres Opfer.

In ihrer umfangreichen Studie hatten die Forscher Informationen aus den Roten Listen der Weltnaturschutzunion und den Datensätzen der Vereinten Nationen, sowie wissenschaftlichen Artikeln ausgewertet. Das Ergebnis klingt niederschmetternd: 36 Prozent der 171 Primaten-Arten in Süd- und Zentralamerika sind gefährdet, auf dem afrikanischen Kontinent sind es 37 Prozent von 111 Arten und in Asien fallen mit 73 Prozent sogar knapp drei Viertel aller 119 Primaten-Arten in diese Kategorie. Noch verheerender aber scheint die Situation auf der Insel Madagaskar. Von den dort lebenden 103 Arten gelten 87 Prozent als gefährdet.

Der Mensch zerstört den Lebensraum seiner Verwandten

Weltweit sind dann auch drei Viertel aller 504 Primaten-Arten auf dem absteigenden Ast. Die Gründe für dieses Dahinsiechen liegen fast immer bei der 505. Art, uns Menschen. Der wichtigste einzelne Grund wiederum ist die Landwirtschaft. Äcker, Plantagen und Weiden fressen sich in die Graslandschaften, Regen- und Trockenwälder hinein, in denen Affen, Lemuren und Buschbabys zu Hause sind. Der Anbau von Soja und Zuckerrohr, Palmöl- und Naturgummi-Plantagen sowie Reisfelder und Rinderweiden zerstören den Lebensraum unserer Verwandtschaft. Oft genug wandern diese Produkte als Rinderfutter, Nahrungsmittel, Bio-Energieträger oder Rohstoff für die Industrie zu den boomenden Wirtschaftsstandorten auf dem Globus.

Zwischen 1990 und 2010 verschlang die Landwirtschaft mit 1,5 Millionen Quadratkilometern die dreifache Fläche Frankreichs an Primaten-Lebensraum. Zudem bereiten weitere Faktoren den Primaten Probleme. So werden in vielen Urwäldern wertvolle Hölzer geschlagen und damit vielen Primaten die Bäume genommen, die ihnen Nahrung und Schutz bieten. Dazu kommt die Suche nach Rohstoffen von Erdöl und Erdgas über Gold und Edelsteine bis zu Metallerzen.

Am besten funktionieren Reservate, an denen Menschen verdienen

In Afrika werden Affen als Delikatesse gejagt, um anschließend in Dörfern, Städten oder in den Camps von Rohstoffsuchern zu landen. Im Osten des Kongo hat die Kombination aus Jagd und der Gewinnung des für die Elektronikindustrie extrem wichtigen Rohstoffs Coltan die Zahl der Grauer-Gorillas von 17 000 im Jahr 1995 auf gerade noch 3800 im Jahr 2015 einbrechen lassen.

Mittelfristig müsste sich also der wirtschaftliche Druck auf die Lebensräume der Primaten verringern. Für etliche Arten dürfte das zu spät kommen. Ihnen helfen nur Sofortmaßnahmen. Dazu zählen staatliche Schutzgebiete und private Reservate, die im Regenwald Brasiliens die Goldenen Löwenäffchen vor dem Aussterben gerettet haben. Statt mit Zäunen grenzen mexikanische Bauern ihre Felder mit Waldstreifen ein, durch die Brüllaffen von einem Wald zum nächsten wandern können. Am besten funktionieren solche Reservate, wenn die Menschen in der Region mit ihnen Geld verdienen können. Vielleicht das bekannteste Beispiel ist der Schutz der Berg-Gorillas im Drei-Länder-Eck zwischen Uganda, Ruanda und dem Kongo. Naturtouristen lassen es sich einiges kosten, um diesen riesigen Menschenaffen in der Natur zu begegnen. Diese Einnahmen schützen nicht nur die Gorillas, sondern stützen auch die Wirtschaft in den Dörfern am Rande der Schutzgebiete.

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