Berliner CDU-Politiker: Frank Steffels Doktor könnte schon im Sommer weg sein
Plagiatsvorwurf: FU-Präsident Günter M. Ziegler könnte schon im August entscheiden, ob der CDU-Politiker Frank Steffel seinen Doktor verliert. An der FU ärgern sich Wirtschaftswissenschaftler über Steffels Doktorvater.
Wie weiter mit dem Doktorgrad des Berliner Bundestagsabgeordneten Frank Steffel? Der Grad soll ihm aberkannt werden, lautet wie berichtet die Empfehlung der zuständigen Kommission der FU. Darüber hat der CDU-Politiker Journalisten am Montagabend selbst informiert: Die FU moniere „Fehler in der Zitiertechnik“, erklärte Steffel und kündigte an, sich gegen den Vorwurf, getäuscht zu haben, vor Gericht zu wehren.
Allerdings steht die letzte Entscheidung darüber, ob er seinen Doktorgrad tatsächlich verliert, noch aus. Diese liegt beim Präsidenten der Freien Universität. Seit dem vergangenen Freitag ist das der Mathematiker Günter M. Ziegler. Die FU hat erklärt, Ziegler werde seine Entscheidung noch vor Beginn des Wintersemesters treffen, das am 1. Oktober beginnt. Insider gehen davon aus, das die Entscheidung schon im August fällt.
Die FU versucht, Verfahrensfehler zu vermeiden
Das Verfahren ist im Berliner Hochschulgesetz geregelt: Dasjenige Gremium, das den Doktorgrad erteilt hat, macht der Hochschulleitung im vermeintlichen Plagiatsfall den Vorschlag über die Entziehung eines Grades. Am für Steffel zuständigen Fachbereich Wirtschaftswissenschaften sind die für die Promotionen zuständigen Kommissionen mit mindestens vier Professoren besetzt, von denen in der Regel drei Mitglieder des Fachbereichs sein sollen, sowie mit einer Doktorandin und einem Doktoranden. Verfahrensfehler können unabhängig davon, ob Steffel tatsächlich plagiiert hat oder nicht, zu einer Schlappe vor Gericht führen. Darum wird das Verfahren vom Rechtsamt der FU begleitet.
Ein FU-Professor wirft Steffel eine "sinnentstellende" Äußerung vor
Frank Steffel erweckt in seiner Erklärung den Eindruck, er habe vom Rechtsamt der FU im April eine andere Auskunft erhalten als jetzt: Die Empfehlung der Promotionskommission sei „überraschend, da das Rechtsamt der Freien Universität mir am 27. April 2018 schriftlich bestätigt hat, dass ich in meiner Dissertation alle Übernahmen mit Referenzen belegt habe“, schreibt er.
Ein FU-Professor, der namentlich nicht genannt werden will, sagt dazu, Steffels Äußerung sei „sinnentstellend“. Demnach hat Steffel in seiner Dissertation offenbar zwar Übernahmen aus anderen Texten belegt – aber so selten, dass über lange Passagen fälschlicherweise der Eindruck entstehen kann, er selbst spreche und nicht eine andere Quelle. Das entspricht der Kritik des kommerziell arbeitenden Plagiatsjägers Martin Heidingsfelder, der wegen Steffels Arbeit an die Ethikkommission der FU herangetreten war. Offiziell teilte die FU mit, sie werde sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern.
Verwundert ist man an der FU auch über Steffels Kritik, er habe vergeblich um ein persönliches Gespräch gebeten. Rechtlich ist eine mündliche Anhörung nicht zwingend. Auch die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) musste sich mit einer schriftlichen Stellungnahme begnügen.
Zu Irritationen führt an der FU aber vor allem Steffels Hinweis, seinem Doktorvater Dietrich Winterhager zufolge habe er sich „an die an seinem Lehrstuhl übliche Zitierweise gehalten“. Schon nach Bekanntwerden des Täuschungsverdachts hatte Winterhager erklärt, Steffels Zitierweise in der 1999 eingereichten Dissertation habe den von ihm als Erstgutachter gestellten Anforderungen entsprochen, sie seien damals im gesamten Fachbereich üblich gewesen. Ein Professor aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften sagt dazu: „Das hat bei uns sehr viel Ärger ausgelöst.“ Man lege am Fachbereich großen Wert darauf, richtig zu zitieren. Winterhager „desavouiert eine ganze Generation von Doktorarbeiten.“
War die Zitierpraxis früher die Norm? Auch Schavan berief sich darauf
Auch Schavan hatte argumentiert, sie habe gemäß den damals gültigen Normen zitiert und zog vor Gericht. Doch das Düsseldorfer Verwaltungsgericht erklärte im Jahr 2014: Selbst wenn es in Schavans Fakultät üblich gewesen wäre, Textstellen ohne Kennzeichnung zu übernehmen, wäre das rechtlich unerheblich, weil eine solche Zitierpraxis dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit widersprochen hätte und damit rechtswidrig wäre.
Auch kritisierte das Gericht einen einflussreichen Professor, der Schavan verteidigt hatte. Er rede selbst „etwaigen Verstößen gegen die wissenschaftliche Redlichkeit“ das Wort, indem er „Arbeitsmethoden als wissenschaftsadäquat rechtfertigt, die das Vortäuschen der Eigenständigkeit einer wissenschaftlichen Leistung erlauben“. Schavan hatte damals zahlreiche Unterstützer in Politik und im Wissenschaftsmanagement. Jüngst stellte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) anlässlich der Plagiatsvorwürfe gegen Steffel hinter Schavan: Schavan habe ihren Titel „zu Unrecht“ verloren, sagte Grütters der „Berliner Zeitung“.