Climate Engineering: Forscher warnen vor übereilten Eingriffen ins Klimasystem
Bericht im Auftrag der US-Regierung: Climate Engineering soll dennoch erforscht werden, um die Wirkungen besser zu verstehen. Der Report wurde auch von den Geheimdiensten gefördert.
Der klassische Klimaschutz, also den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern, gilt allgemein als Mittel der Wahl, um die Erderwärmung zu bremsen. Da es mit den globalen politischen Anstrengungen, den Klimaschutz zu forcieren, aber nur langsam vorangeht, tauchen Vorschläge auf, wie dem Problem auf anderem Weg beizukommen sei. So spielen manche mit dem Gedanken, das Erdklima technisch zu beeinflussen. Als „Climate Engineering“ (oder „Geo-Engineering“) werden entsprechende Techniken bezeichnet. Die bekannteste Idee besteht darin, Schwefeldioxid in der Stratosphäre zu verteilen: Die sich bildenden Sulfataerosole würden die Sonneneinstrahlung verringern und so die Luft am Boden kühlen.
Warnung: Es ist zu früh für große Experimente
Jetzt hat ein Komitee, berufen von der National Academy of Sciences in den USA, einen Bericht zum Climate Engineering herausgegeben. Demnach ist es zurzeit nicht vertretbar, die Techniken zu nutzen. Entschieden warnen die Autoren davor, mit Experimenten anzufangen, die das Klima der Erde messbar beeinflussen könnten. Die Wirkungen der Eingriffe seien weitgehend unerforscht. Das Risiko, mit einer verfrühten Anwendung unerwünschte Folgen herbeizuführen, wäre zu groß. Zu den potenziellen Folgen des Schwefeldioxid-Sprühens zum Beispiel zählt, dass die Ozonschicht geschädigt werden könnte sowie eine unkontrollierbare Beeinflussung der Regenfälle.
Eine andere Methode beruht darauf, dass Wolken mehr Sonnenstrahlung reflektieren, wenn sie aus kleineren Tröpfchen bestehen. Durch Produktion entsprechender Kondensationskeime – etwa mithilfe von Schiffen, die Meerwasser in die Luft sprühen – lassen sich theoretisch hellere Wolken erzeugen. Auch auf diese Weise könnte man die Atmosphäre kühlen. Beobachtungen deuten darauf hin, dass das funktionieren könnte. Wie Satellitenbilder zeigen, bilden sich über viel genutzten Schiffsrouten verstärkt Wolken. Doch die Machbarkeit dieser Wolkenmanipulation ist so gut wie unerforscht, auch die Risiken sind noch weitgehend unbekannt.
Forschung ist wichtig, um Argumente zu sammeln für den Fall, dass sich die Lage zuspitzt
Gegen das Climate Engineering spricht gemäß den Autoren außerdem, dass diese Option als Ausrede dafür genutzt werden kann, den klassischen Klimaschutz zu vernachlässigen. Politiker stünden dann weniger unter Druck, sich für die Verringerung der Treibhausgasemissionen einzusetzen. Auch wird das Problem der Ozeanversauerung, das der CO2-Anstieg ebenfalls verursacht, überhaupt nicht angegangen.
Aus dem Bericht lässt sich allerdings kein kategorisches Nein zum Climate Engineering herauslesen. Forschungsprojekte halten die Autoren durchaus für sinnvoll. Denn es sei denkbar, dass sich die Situation beim Klima in den kommenden Jahrzehnten zuspitze. Dann würden womöglich Forderungen nach Notfallmaßnahmen erhoben, ohne dass bereits ausreichend Forschung an diesen Maßnahmen betrieben worden sei. Für dieses Szenario will man Vorsorge treffen.
Juristisch-politische Regeln fehlen noch immer
Darüber hinaus, so heißt es, eignen sich manche Experimente auch für die Grundlagenforschung. Vielleicht ließen sich wichtige Prozesse, bei denen Aerosole oder Wolken eine Rolle spielen, im Rahmen von Climate-Engineering-Versuchen klären. Solche Studien müssten allerdings zunächst im kleinen Maßstab ablaufen und streng kontrolliert werden. Generell rufen die Autoren dazu auf, Normen und Strukturen zu entwickeln, mit denen Experimente zur Beeinflussung des Klimas juristisch-politisch geregelt werden können.
Der Bericht zum Climate Engineering ist zwar nicht der erste seiner Art, aber vermutlich derjenige mit der größten Tragweite. Die US-Regierung hat 2012 den Auftrag erteilt. Unterstützt haben das Projekt neben der National Academy of Sciences die Klimabehörde Noaa, die Nasa sowie das Energieministerium. Überraschenderweise gehörte auch die Gemeinschaft der US-Geheimdienste zu den Förderern. Offenbar gibt es in ihren Kreisen Befürchtungen, dass sich einzelne Staaten auf eigene Faust als Klima-Ingenieure versuchen könnten. Das möchte man gerne so früh wie möglich erkennen.
CCS ist weniger riskant und sollte weiter verbessert werden
Im zweiten Teil des Berichts werden Techniken behandelt, mit denen Kohlendioxid der Luft oder Abgasen entzogen und dann gelagert werden kann. Viele globale Klimaschutz-Szenarien kommen gar nicht mehr ohne Einbeziehung dieser Techniken aus, sofern die Zwei-Grad-Grenze nicht überschritten werden soll.
Dazu gehört das „Carbon Dioxide Capture and Storage“ (CCS). Es gibt schon funktionierende Anlagen, aber sie sind noch sehr teuer und ineffizient. Die Autoren fordern, diese Technik weiter zu erforschen und bessere Anlagen zu entwickeln. Schließlich seien die Risiken der CO2-Abscheidung deutlich überschaubarer als die der technischen Steuerung des Klimas.
Vorsichtige Wortwahl
Wobei der Begriff mit Vorsicht zu benutzen ist. Das machen die Autoren des Berichts deutlich, indem sie statt Climate Engineering den Ausdruck „Climate Intervention“ verwenden. Die Bezeichnung „Engineering“ würde eine Steuerbarkeit suggerieren, von der man beim Klima in Wirklichkeit noch sehr weit entfernt sei.
Sven Titz