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Gegen die Angst. Mitarbeiter des Roten Kreuzes klären die Menschen in Guinea auf, wie sie sich vor Ebola schützen können.
© AFP

Ebola in Guinea: Forscher suchen nach dem Ursprung des Ausbruchs

Der Ebola-Ausbruch in Guinea ist noch nicht vorbei, auch wenn nur noch einzelne Fälle entdeckt werden. Forscher ergründen, wie es dazu kam.

Nicht einmal hundert Kilometer trennen die beiden Orte in Südguinea. Die Reaktion auf die Fremden jedoch war grundverschieden. Durch die Handelsstadt Macenta zogen Anfang April steinewerfende Jugendliche. Sie griffen die Isolierstation von „Ärzte ohne Grenzen“ an, wo die Ebolakranken in Zelten um ihr Leben rangen. Die Ausländer hätten das gefährliche Virus erst ins Land gebracht, sie wollten nur Geld verdienen! Die Hilfsorganisation musste für knapp eine Woche aus der Stadt abziehen, während der Verhandlungen mit den aufgebrachten Einwohnern betreuten lokale Ärzte und Pfleger die Patienten. „Die Menschen haben Angst. Wir kennen das von anderen Ebola-Einsätzen“, sagt Sam Taylor, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in der Hauptstadt Conakry. „Wenn Aufklärung und Eindämmung der Krankheit gleichzeitig ablaufen müssen, bleiben Gerüchte nicht aus.“ In Guinea hatte Ebola noch nie gewütet, entsprechend schwierig war dieser Balanceakt.

Etwa zur gleichen Zeit kam ein zwölfköpfiges Team um Fabian Leendertz vom Berliner Robert-Koch-Insitut in einem Dorf bei Guéckédou an. Dort, wo der Ausbruch im Dezember begann, wurden die Forscher mit offenen Armen empfangen. „Sie waren froh, dass sie nicht vergessen sind“, sagt Leendertz. „Und sie wollen so etwas nicht noch einmal erleben.“

Auf der Suche nach dem Ursprung des Virus durchkämmten Leendertz und seine Kollegen etwa drei Wochen lang an vier Stellen in Südguinea die Wälder. Sie fingen Fledermäuse und Flughunde, die als Wirte des Virus gelten und selbst nicht krank werden. Sie suchten nach toten Nagetieren und Primaten, die möglicherweise ebenso wie die Menschen an einer Ebolainfektion gestorben sind. Zusätzlich sammelten sie Schmeißfliegen. „Die Fliegen finden jedes Aas“, sagt Leendertz. Die zwei bis drei letzten Mahlzeiten können die Forscher rekonstruieren – die Methode ist zuverlässiger als Zufallsfunde im Dschungel. Mit viel Glück liefern die Fliegen sogar Virenerbgut mit. Die Auswertung der Daten und Proben beginnt gerade.

Zuerst erkrankten zwei kleine Kinder und ihre Mutter

Dass Leendertz und seine Kollegen eine ganze Woche lang in einem Dorf mit gerade einmal 25 bis 30 Hütten Station machten, ist kein Zufall. Dort, in Meliandou, starb am 6. Dezember 2013 innerhalb weniger Tage zuerst ein zweijähriges Kind, dann erkrankten seine Mutter, ein dreijähriges Geschwisterkind, die Großmutter, schließlich eine Krankenschwester und die Hebamme des Ortes. Die Hebamme trug das Virus weiter in andere Dörfer. Als sie fiebernd in Guéckédou ins Krankenhaus eingeliefert wurde, steckte sie weitere Pfleger und Ärzte an. Aus der Tragödie eines Dorfes, von dem die Welt nie erfahren hätte, wurde der erste bekannte Ebola-Ausbruch in Guinea – mit der Stadt Guéckédou als Epizentrum.

Erst Ende März erfuhr die Regierung von den seltsamen Todesfällen im Süden des Landes. Sofort alarmierte sie die Weltgesundheitsorganisation WHO und Ärzte ohne Grenzen. Unterstützt werden sie unter anderem durch das „europäische mobile Labor“, das die molekulare Diagnostik übernahm. Ein Team um Stephan Günther vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg und Sylvain Baize vom Institut Pasteur in Lyon analysierte das Erbgut des Virus und sah, dass die Menschen an einer bisher unbekannten Variante von Ebola Zaire litten, berichteten sie im Fachblatt „New England Journal of Medicine“. Möglicherweise kursiert sie schon lange unter den Wildtieren Westafrikas. Außerdem rekonstruierten sie den Beginn des Ausbruchs.

Doch wie wurde das kleine Kind krank? Normalerweise bringt ein Jäger zum Beispiel einen verendeten Gorilla zurück in sein Dorf, wo das Fleisch zubereitet wird. „Das können wir in diesem Fall ausschließen, in der Gegend leben keine Menschenaffen mehr“, sagt Leendertz. In ganz Westafrika sei es aber üblich, Flughunde und Fledermäuse zu essen – als Suppe, als Brei, gegrillt oder geräuchert. „Es ist vorstellbar, dass das Kind zu einem frisch geschlachteten Tier gekrabbelt ist, es angefasst hat und sich dann die Augen rieb“, sagt Leendertz. Im Moment rühre kein Dorfbewohner mehr Buschfleisch an. Der Schrecken sitzt tief.

Ob das Team um Leendertz den Hergang aufklären kann, ist ungewiss. Ebola verschwindet genauso schnell, wie es irgendwo auftaucht. Verdächtig sind vor allem die Flughunde. Der Palmenflughund zum Beispiel wandert über große Strecken. Diese Art könnte das Virus irgendwann nach Westafrika getragen und dort heimische Arten infiziert haben.

Insgesamt 259 vermutete und bestätigte Ebola-Fälle zählte die WHO insgesamt in Guinea und Liberia, 149 Menschen starben. Hunderte Kontaktpersonen wurden nachverfolgt und überwacht. Allmählich entspannt sich die Situation, auch wenn die Angst bleibt. Die Isolierzelte in Macenta sind inzwischen leer, auch in der Haupstadt Conakry sind nur vier von vierzig Betten belegt. Ähnlich sieht es in Guéckédou aus. Kein Grund, sich zurückzulehnen, findet Sam Taylor: „Solange ein einziger Patient krank ist, ist es nicht vorbei. Wir geben noch keine Entwarnung.“

Jana Schlütter

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