Künstliches Leben: Forscher erschaffen Hefe-Chromosom im Labor
Zum ersten Mal erschaffen Forscher künstlich ein Chromosom eines Lebewesens mit Zellkern. Bis das zum Beispiel bei der Produktion von Medikamenten hilft, dürfte es aber noch dauern.
Sie könnte eines Tages seltene Medikamente gegen Malaria produzieren oder Impfstoffe. Die neue Hefe könnte zu einer Minifabrik für Biotreibstoffe werden oder dabei helfen, die Evolution besser zu verstehen. Wenn es um „künstlich erschaffenes Leben“ geht, betonen Forscher die Vorteile besonders nachdrücklich. Das Team um Jef Boeke von der New York University macht es nicht anders. Die Biologen berichten im Fachblatt „Science“, dass sie ein Chromosom der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae im Labor nachgebaut haben.
Bei dem Projekt „Build a Genome“ halfen unter anderem 60 Studenten von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Sie setzten jeweils bis zu 1000 Buchstaben des Erbguts zusammen. Allmählich wurde daraus eine Kette mit 273 871 Basenpaaren. Die Forscher fügten das neue Chromosom synIII in Hefezellen ein. Die Zellen funktionierten normal, auch wenn sie 19 verschiedenen Nährlösungen und Umwelteinflüssen wie Hitze oder Säure ausgesetzt wurden.
Es ist das erste Mal, dass Forscher das Erbgut eines Eukaryoten – eines Lebewesens mit Zellkern – selbst gebaut haben. Für Viren und Bakterien ist das längst Realität. Wenn sie das Genom kennen, können Wissenschaftler Pocken oder die Spanische Grippe im Labor auferstehen lassen. 2010 präsentierte der Amerikaner Craig Venter ein Bakterium, das von künstlichem Erbgut kontrolliert wird.
Lebewesen mit Zellkern jedoch sind komplizierter. Das Erbgut der Bäckerhefe beispielsweise besteht aus zwölf Millionen einzelnen Buchstaben, die auf 16 Chromosomen verteilt sind. Gerade 2,5 Prozent davon stecken im neuen Chromosom synIII. Boeke und seine Kollegen haben vor allem nachgebaut, was bereits in der Natur vorhanden ist. Allerdings haben sie unnütze Wiederholungen im Erbgut (insgesamt 47 841 Basenpaare) weggelassen, außerdem fügten sie mehr als 500 Änderungen ein. Ihre Technik erlaubt es ihnen, das Erbgut wie in einem Kartenspiel neu zu mischen. Boeke ist begeistert: „Jetzt ist die synthetische Biologie keine Theorie mehr“, sagt er. In den nächsten vier Jahren will er das komplette Hefe-Genom nachbauen.
Hefe ist für Biologen nicht irgendein Lebewesen. Es ist ein Arbeitstier für ihre Labore. Sein komplettes Erbgut mit 6000 Genen war bereits 1996 entschlüsselt, es ist der am besten erforschte Organismus auf der Erde. 5000 der Gene können Wissenschaftler einzeln ausschalten, ohne dass die Hefe stirbt. Nun interessieren sich die Forscher dafür, welche Genkombinationen sie verändern können und was man damit erreichen kann.
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