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Schleimhaut- und andere begrenzende Zellen, Kollagen- und andere Bindegewebsfasern, Epithelzellen - all das kannten Anatomen und Mediziner längst von unzähligen mikroskopischen Untersuchungen. Die mit Flüssigkeit gefüllten Kammern und Kanäle aber blieben unsichtbar, weil sie bei der Präparation der Gewebeproben in sich zusammenfielen - bis es eine Mikroskopier-Technik gab, mit der man auch in lebendes Gewebe hineinsehen kann.
© Jill Gregory/Mount Sinai

Anatomie: Forscher entdecken ein neues „Organ“ im menschlichen Körper

Unter dem Mikroskop bislang immer plattgedrückt: Ärzte haben ein drittes Gefäßsystem entdeckt. Es könnte von großer medizinischer Bedeutung sein.

Forscher haben eine Tendenz, Befunde, die sie nicht verstehen, mit abfälliger Namensgebung abzustrafen. Bekanntestes Beispiel ist die „Junk-DNS“: Lange Erbgutabschnitte ohne Gene wurden lange Müll genannt. Inzwischen ist klar, dass sie durchaus Funktionen haben.

Mehr als nur Zwischenraum

Nun sieht es so aus, als ob ein Gewebe, das bislang einfach Interstitium hieß, also „Zwischenraum“, auch deutlich mehr ist als nur ein irgendwie mit Zellen und Proteinen aufgefüllter Bereich zwischen den Organen.

Ärzten von der New York University School of Medicine fiel, als sie den Gallengang eines Patienten mit einer modernen endoskopischen Mikroskopie-Methode untersuchten, etwas auf, das sie aus keinem Anatomiebuch kannten. Sie sahen dort ein Netzwerk unzähliger flüssigkeitsgefüllter Kammern.

Neil Theise und seine Kollegen fanden es später von Darm bis Haut praktisch überall im Bindegewebe. Sie schreiben im Fachblatt „Scientific Reports“, dass hier unter anderem große Anteile der Lymphe entstehen könnten. Zusätzlich vermuten sie zahlreiche weitere Funktionen, unter anderem für die körpereigene Abwehr, den Schutz von Organen vor mechanischem Stress und für Alterungsprozesse. Das System ist für sie eine Art eigenständiges Organ.

Straße für Gutes und Schlechtes

Erst jetzt entdeckt wurde es, weil bislang Gewebeproben vor dem Mikroskopieren chemisch so behandelt wurden, dass die kleinen flüssigkeitsgefüllten Kanälchen bis zur Unsichtbarkeit kollabierten. Michael Zeisberg, Experte für das Interstitium an der Uniklinik Göttingen und nicht an der Studie beteiligt, sagt, die Ergebnisse könnten „große Implikationen haben, da es vorstellbar ist, dass diese Kanäle als Straßen für metastasierende Krebszellen oder auch für heilende Botenstoffe dienen.“

Welche Funktionen sie tatsächlich übernehmen, müsse jetzt intensiv untersucht werden. „Aber wenn sich das bestätigt, dann haben wir hier eine bislang unbekannte Straße durch den Körper, also neben Blut- und Lymphbahnen ein drittes Gefäßsystem.“

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