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Hör- und sichtbar. Projekte wie dieser Showtrommel-Kurs tragen zur Integration von Flüchtlingskindern bei. Doch nicht alles läuft ideal beim Übergang von der Willkommens- in die Regelklassen, so fehlt es an Kooperation zwischen den Lehrkräften.
© Thilo Rückeis

Schulstudie: Flüchtlingskindern fehlt richtige Förderung

In Regelklassen werden Schüler aus Flüchtlingsfamilien zu wenig individuell gefördert. Eine neue Studie empfiehlt mehr Personal und durchgängige Sprachförderung - was allen Schülern zugute komme.

Etwa 130.000 junge Flüchtlinge haben die deutschen Schulen seit dem Höhepunkt der Fluchtwelle 2015 aufgenommen. Eine Untersuchung des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat jetzt ergeben: Die in Deutschland lange übliche Absonderung neu hinzukommender ausländischer Kinder in eigens eingerichteten Sonderklassen scheint für sie endlich überwunden. Vorbereitungs- und Willkommensklassen für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen richteten nicht nur Hauptschulen ein, sondern fast ebenso häufig integrierte Schulen, Realschulen und Gymnasien. Und die Geflüchteten wechseln in aller Regel schnellstmöglich in die Regelklassen.

Allerdings lernen sie vor allem in Großstädten meist an „segregierten“ Schulen – also solchen mit migrantischer und zugleich sozial benachteiligter Mehrheit. Der SVR hat jetzt untersucht, wie sich das auf ihren Lernerfolg auswirkt.

In den Willkommensklassen ist die Förderung noch individuell

Nicht zwingend negativ, sagen die Befragten, allesamt Fellows des bundesweiten Projekts „Teach first“. Das schickt junge Akademiker vor dem Berufsstart an Problemschulen, um dort die Kollegien zu verstärken und Schülerinnen und Schüler gezielt beim Lernen zu unterstützen. In 75 Prozent der Willkommensklassen, die ein bis zwei Jahre laufen, gehen die Lehrkräfte demnach mit individueller Förderung auf die sehr unterschiedlich vorgebildete und stark altersgemischte Schülerschaft ein. Nach dem Wechsel in die Regelklasse aber bekomme nur noch die Hälfte der Schülerinnen und Schüler Einzel-Sprachförderung, während dies in den Vorbereitungsklassen zu 75 Prozent geschah.

Außerdem arbeiteten die Lehrkräfte kaum zusammen, beobachtete das „Teach first“-Team. Während schon die Abstimmung zwischen den in Willkommensklassen Unterrichtenden verbesserungsfähig sei, „findet eine Kooperation mit dem Lehrpersonal der Regelklassen so gut wie gar nicht statt“, heißt es in der Studie. An etwa 60 Prozent ihrer Schulen tauschten sich die beiden Lehrergruppen überhaupt nicht aus. Dies sei aber „eine entscheidende Stellschraube, um die Bildungschancen junger Flüchtlinge zu verbessern“.

Starke Arbeitsbelastung für die Lehrer

Die SVR-Studie verweist hier auf ähnliche Befunde der empirischen Bildungsforschung. Lehrkräfte an segregierten Schulen hätten durch ihre starke Arbeitsbelastung weniger Zeit und Energie für Absprachen und gemeinsame Unterrichtsvorbereitung als die Kollegien an sozial begünstigten Schulen. Auch wenn also Flüchtlinge an segregierten Schulen nicht automatisch schlechtere Leistungen brächten: „Die Mehrfachbelastung des dortigen Personals (birgt) das Risiko“, so die SVR-Studie, „dass Flüchtlinge nicht hinreichend unterstützt werden, vor allem, wenn sie besondere Förderung brauchen.“ Außerdem seien selbst Schulen, die seit Jahrzehnten schon von vielen Zuwandererkindern besucht werden, „auf eine multikulturell und mehrsprachig geprägte Schülerschaft bislang nur unzureichend eingestellt“.

Die aktuelle Befragung der „Teach first“-Fellows lege deswegen nur „den Finger auf die bestehenden Wunden eines Schulsystems, das nicht genug auf Diversität achtet“, sagte Cornelia Schu, die Leiterin des SVR-Forschungsbereichs, am Donnerstag. Gegenmaßnahmen würden insofern den Schulen insgesamt dienen: Alle Lehrkräfte müssten im Studium und Referendariat schon „Basiskompetenzen in kultureller Vielfalt“ sammeln, für sie und die älteren Kolleginnen und Kollegen sei entsprechende Fortbildung nötig. Dabei müsse es nicht zuletzt darum gehen, dass künftig „durchgängige Sprachförderung, auch in Bio und Mathe“ stattfinde. Und: „Segregierte Schulen brauchen mehr Geld und Personal“, darunter Sprachlehrerinnen und Sozialpädagogen, die die Elternarbeit, Einzelförderung und Kooperation in den Kollegien verbessern könnten.

Befragt wurden Fellows des Teach-First-Programms

Dass sich die aktuelle Untersuchung neben statistischen Daten zu Schulen vor allem auf die Aussagen der „Teach first“-Fellows stützte, erklärten Schu und Simon Morris-Lange, der Leiter der Studie, mit den Schwierigkeiten, Zugang zu den Schulen zu bekommen. „Da mussten wir uns selbst aufmachen“, sagt Morris-Lange. Die Perspektive der knapp dreißigjährigen Fellows, die eben nicht schon Jahrzehnte Teil des Schulsystems seien, sehe man auch als Gewinn, ergänzte Schu.

Online befragt wurden für die Studie 62 Fellows, die im Schuljahr 2016/17 ihr zweites, und 90, die ihr erstes Dienstjahr absolvierten. Sie waren zu dem Zeitpunkt an 56 Schulen in Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Knapp die Hälfte (43,4 Prozent) beteiligte sich an der Umfrage. Für das „Teach first“-Programm werden junge Hochschulabsolventinnen und -absolventen ausgewählt, die psychisch besonders belastbar und pädagogisch hochmotiviert sind.

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