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Mutig zum Feuer. Werden auch die weiblichen Berufsbezeichnungen erwähnt, können sich mehr Mädchen vorstellen, einen typischen Männerberuf zu ergreifen. Auch Jungen reagieren entsprechend auf Sprache.
© picture alliance / dpa

Gender in der Sprache: Feuerwehrfrauen und Geburtshelfer helfen bei der Berufswahl

Geschlechtergerechte Sprache kann die Entscheidung für einen Beruf beeinflussen, hat die Psychologin Bettina Hannover in einer Studie festgestellt. Wird die weibliche Form verwendet, trauen sich auch Mädchen den Beruf zu. Aber auch Jungen lassen sich motivieren.

Frau Hannover, Feuerwehrmann und Feuerwehrfrau, Ingenieur und Ingenieurin – über solch geschlechtergerechten Formulierungen wird oft gestöhnt. Sie gelten als unnötig kompliziert. Zu Recht?
Im Gegenteil. Unsere Studie zeigt, dass Kinder Berufe anders bewerten, je nachdem, ob man nur die männliche oder auch die weibliche Berufsbezeichnung verwendet. Vor allem Mädchen trauen sich dann viel eher zu, den Beruf zu erlernen. Wir haben uns in der Studie auf Berufe konzentriert, die als typische Männerberufe gelten. Die Leitfrage lautete: Kann geschlechtergerechte Sprache dazu beitragen, junge Frauen für „männliche“ Berufsfelder zu motivieren? Jetzt wissen wir: Ja, kann sie.

Warum fühlen sich Mädchen nicht angesprochen, wenn von Ingenieuren, Astronauten, Maurern die Rede ist?

In der Psychologie sprechen wir von „Selbstwirksamkeit“: Wie sehr traut sich eine Person zu, eine Herausforderung zu meistern? Mädchen haben gegenüber maskulin konnotierten Berufen eine geringe Selbstwirksamkeit, sie sind also weniger überzeugt, diesen Beruf ausüben zu können. Außerdem werden stereotyp männliche Aufgaben generell als schwieriger eingeschätzt. Unsere Studie belegt, dass geschlechtergerechte Sprache dieser Stereotypisierung entgegenwirken kann. Die Selbstwirksamkeit der Mädchen steigt, wenn die Paarform verwendet wird.

Wie beeinflusst geschlechtergerechte Sprache die Jungen?

Auch Jungen trauten sich die Berufe eher zu, wenn auch die weibliche Form verwendet wurde! Und: Die beobachteten Effekte gelten auch andersherum. Wenn man von „Geburtshelfern und Geburtshelferinnen“ spricht, lernen schon Kinder, dass natürlich auch Männer diese Tätigkeit ausüben können.

Haben die Ergebnisse Sie überrascht?

Bettina Hannover ist Psychologin und forscht als Professorin für Schul- und Unterrichtsforschung an der Freien Universität Berlin.
Bettina Hannover ist Psychologin und forscht als Professorin für Schul- und Unterrichtsforschung an der Freien Universität Berlin.
© promo/Fotostudio Menarc

Nein. Unsere Studie war in ein großes, EU-finanziertes Forschungsprojekt eingebunden, das deutlich den Zusammenhang zwischen dem Verwenden von Sprache und der Wahrnehmung von Geschlecht belegt. Untersuchungen der zugrunde liegenden kognitiven Mechanismen zeigen, dass wir unser Sprechen lebenslang an neue Sprachgewohnheiten anpassen. Folglich haben auch sprachpolitische Maßnahmen einen direkten Einfluss auf uns.

Die Psychologie belegt also das alte feministische Anliegen, dass es nicht reicht, Mädchen und Frauen mit der männlichen Form „mitzumeinen“?

Genau. Sprache kann Menschen oder Gruppen von Menschen sichtbar oder unsichtbar machen. Die explizite Erwähnung von männlichen und weiblichen Personen ermöglicht es uns, im Gedächtnis Informationen zu aktivieren, die auf die jeweilige Personengruppe bezogen sind. Wenn wir von „Ärzten und Ärztinnen“ sprechen, sehen wir mental also tatsächlich Männer und Frauen in weißen Kitteln. Es gibt dazu eine andere schöne Studie, die Auswirkungen des geschlechtergerechten Sprechens auf unser Denken belegt: Hier wurden SPD-Mitglieder befragt, wer für das Amt des Bundeskanzlers – oder eben der Bundeskanzlerin – infrage käme. Die Personen, die mit dem generischen Maskulinum konfrontiert waren, nannten nur Männer, während die andere Gruppe unter Verwendung der Paarform auch mit Kandidatinnen aufwartete.

Üben Frauen einen Beruf aus, halten Kinder ihn für leichter

Die Studie legt auch einen tiefliegenden gesellschaftlichen Sexismus offen: Die Kinder schätzen einen Beruf, sobald er auch von Frauen ausgeübt wird, als leichter erlernbar ein. Wie kommt das?

Tatsächlich sinkt immer dann, wenn Frauen ein berufliches Feld betreten, das durchschnittliche Einkommensniveau. Frauen übernehmen oft für weniger Geld die gleichen Aufgaben – weil sie darauf angewiesen sind, weil sie oft nur Halbzeit arbeiten können, aber auch, weil sie ihre eigene Arbeit nicht für wertvoll und sich selbst nicht für kompetent genug halten. Unsere Studie zeigt, dass schon kleine Kinder solche Geschlechterstereotype verinnerlicht haben. Das ist etwas, das wir beklagen und bekämpfen müssen.

Wie sehr ist geschlechtergerechte Sprache schon Mainstream?

Auch das haben wir in unserem Forschungsverbund untersucht. In der formalen Schriftsprache ist geschlechtergerechte Sprache relativ weit auf dem Vormarsch. Es gibt eine klare Zusage von politischen Organisationen, aber auch von Verlagen oder Universitäten. Wir sollten hier in Zukunft auch Sprachkompetenz schulen. Oft gibt es Formulierungen, mit denen wir geschlechtliche Zuschreibungen vermeiden können, wenn sie de facto irrelevant sind.

Die Wirtschaft beklagt immer wieder einen Mangel an weiblichem Nachwuchs. Sind Ihre Studienergebnisse schon in den Unternehmen angekommen?

In der Wirtschaft sehe ich noch nicht viel Bewegung, auch wenn das Thema inzwischen weitere Kreise erreicht. Aber wir sehen derzeit in mehreren Studien, dass ein kompetenzbezogenes Geschlechter stereotyp in Auflösung begriffen ist. Frauen reüssieren allmählich sichtbar über ihre Leistungen. Das alte Vorurteil, dass Frauen weniger kompetent seien als Männer, verschwindet entsprechend aus den Köpfen der Menschen.

In der Schriftsprache gibt es viele Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu kommunizieren: Den Unterstrich wie in Ingenieur_in, das Binnen-I, ein Sternchen für alle Geschlechter wie in Ing* ... Schwieriger ist es im Mündlichen. Wie halten Sie es?

Ich wende in Vorlesungen und Vorträgen, aber selbst in informeller Kommunikation wie in E-Mails, durchgehend geschlechtergerechte Sprache an – und korrigiere das auch in den Hausarbeiten meiner Studierenden. Es geht darum, in der Gesprächssituation oder in der Schriftkommunikation immer wieder mentale Bilder beider Geschlechter zu aktivieren, damit wir auch an weibliche Personen denken. Eine Fußnote auf Seite eins, Frauen seien selbstverständlich mitgemeint, nützt da nichts. Aber die Menschen mögen keine hässliche, redundante Sprache. Man muss es geschickt machen und gute Sprachformen finden. Ich bin auch im ständigen Lernprozess.

Die Fragen stellte Anna-Lena Scholz

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