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Flirt für die Wissenschaft. Ob aus den beiden ein Paar geworden ist?
© HU Berlin

Partnerwahl: Esperanto der Liebe

Ob zwei Flirtende wirklich Interesse aneinander haben, erkennt man schon nach zehn Sekunden - egal ob sie aus dem eigenen Kulturkreis kommen oder nicht. Ihre Körpersprache ist universell verständlich.

Der Raum war nüchtern, die Einrichtung spartanisch: ein grauer Teppich, darauf zwei Stühle, an der Decke Neonröhren. An den kahlen blauen Wänden zwei Mikrofone; in den Ecken Videokameras. Kein Ort für ein Rendezvous, eher für ein Verhör. Dennoch trafen sich hier im bereits Jahr 2006 mehr als 380 Singles auf der Partnersuche. Der Psychologie-Professor Jens Asendorpf hatte sie an die Berliner Humboldt-Universität zum Speed-Dating eingeladen. Er wollte unter anderem herausfinden, welche Kriterien über Erfolg oder Misserfolg eines Dates entscheiden.

Der amerikanische Wissenschaftler Skyler Place von der Universität Indiana hat nun einige der 5000 Videoclips zur Beantwortung einer ganz anderen Frage genutzt. Er spielte Versuchspersonen eine zehnsekündige Sequenz aus der Mitte der Aufnahmen vor. Die Probanden sollten anhand des Ausschnitts schätzen, ob die deutschen Dater aneinander Interesse hatten oder nicht. Das Resultat: Den Betrachtern reichten oft diese wenigen Sekunden, um die Frage korrekt zu beantworten. Und zwar unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Deutsche, Amerikaner oder Chinesen handelte.

Die Trefferquote blieb hoch, wenn Skyler Place den Ton abdrehte. Selbst wenn er die Videos am Computer so unscharf machte, dass die Gesichtszüge der Flirtenden nicht mehr zu erkennen waren, beeinflusste das die Ergebnisse kaum. „Wir nehmen an, dass unsere Körperbewegungen wertvolle Informationen darüber enthalten, ob wir eine andere Person anziehend finden oder nicht“, sagt Place. „Diese Signale scheinen universell zu sein, sie werden also auch in anderen Kulturkreisen verstanden.“

Es gibt also eine Art Esperanto der Liebe. Das mag einerseits an der kulturellen Globalisierung liegen: Hollywood prägt weltweit das Bild von der erotischen Kontaktaufnahme. Die Wiener Verhaltensforscherin Elisabeth Oberzaucher vermutet aber, dass einige Signale keinen kulturellen Normen unterliegen. „Es gibt Bewegungsmuster bei der Partnersuche, die sich einer bewussten Kontrolle weitgehend entziehen“, betont sie.

Das legt nahe, dass uns die Fähigkeit zur Interpretation derartiger Signale in die Wiege gelegt ist. Vielleicht haben sich im Laufe der Evolution einfach diejenigen durchgesetzt, die die erotischen Interessen ihrer Mitmenschen am besten einschätzen konnten. Schließlich konnten sie so bei der Partnersuche besser abschätzen, wer noch zu haben war – und verschossen ihr Pulver nicht sinnlos.

Oder aber sie erkannten, wo sich ihr Einsatz besonders lohnen würde: Das erotische Interesse eines Konkurrenten macht die Person, um die es geht, nämlich oft umso begehrenswerter. „Frauen suchen nicht nach gut aussehenden Männern, sie suchen nach Männern mit schönen Frauen“, hat der tschechische Schriftsteller Milan Kundera das einmal auf den Punkt gebracht. Dahinter steckt eine gewisse Logik: Wenn es ein Mann schafft, eine schöne Frau für sich zu interessieren, dann muss er gewisse Qualitäten mitbringen. Indem wir die Entscheidungen der Konkurrenz bei der Partnerwahl berücksichtigen, vermeiden wir Fehleinschätzungen. „Letztlich ist das eine Methode der Fehlerkorrektur“, sagt Elisabeth Oberhauser. Wissenschaftler sprechen von „Mate Choice Copying“.

Skyler Place hat mit den Speed-Dating-Videos nachgewiesen, dass es diesen Mechanismus tatsächlich gibt: Er zeigte Psychologie-Studenten kurze Ausschnitte aus den Clips und fragte sie dann, ob sie selbst Interesse hätten, eine Beziehung zu dem gefilmten Dater einzugehen. Die Versuchsteilnehmer antworteten deutlich häufiger mit „ja“, wenn sie aus der Filmsequenz schlossen, dass das Date auf Wolke 7 geendet hatte. Tatsächlich resultierte in der Berliner Studie in mehr als ein Drittel der Dates in einem persönlichen Treffen; fast fünf Prozent der Teilnehmer hatten eine längere Beziehung mit ihrem Dating-Partner.

Und wer hatte den meisten Erfolg? Die ernüchternde Antwort der Berliner Forscher lautete: die mit dem hübschesten Gesicht. Je attraktiver ein Teilnehmer war, desto häufiger äußerten seine Dating-Partner Interesse an einem Treffen. Interessant war auch der Einfluss der Sexualhormone. Frauen mit hohem Östrogenspiegel wurden häufiger angeflirtet, Männer mit viel Testosteron ebenfalls. Schüchtern oder extrovertiert, arm oder reich, gebildet oder ungebildet – all das spielte für den ersten Eindruck und damit die Erfolgsquote beim Speed-Dating dagegen kaum eine Rolle.

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