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Christian Drosten, Chefvirologe der Charité.
© Reuters/Michael Kappeler

Christian Drosten sieht geringe Ansteckungsgefahr: „Es lohnt sich nicht, Flächen im Haushalt zu desinfizieren“

Im NDR-Podcast des Virologen geht es um Virus-Übertragung über die Luft und Fremdschutz durch Masken. Weniger nützlich: Flächendesinfektion im Haushalt.

Zehn Tage, zwölf Tage, vierzehn Tage – wie lange soll die Verdopplungszeit denn nun sein, damit die derzeitigen Coronavirus-Maßnahmen gelockert werden können? Die Politik wechselt hier derzeit häufiger die Meinung und auch der Charité Chefvirologe Christian Drosten kann in seinem täglichen NDR-Podcast keine definitive Zahl nennen.

„Es gibt hier keine Pauschalregeln“, sagt Drosten. Die Zeit, in welcher die Anzahl der Infektionen verdoppelt wird, liegt in Deutschland derzeit bei etwa zwölf Tagen.  Eine solche Zahl gebe Auskunft darüber, wie viele Patienten ins Krankenhaus aufgenommen werden müssen und wie dies die Intensivmedizin belasten könnte, so Drosten.

Desinfektion von Oberflächen nur im Krankenhaus nötig

Es sei Aufgabe von einem zentralen Institut wie dem Robert Koch-Institut, diese Zahlen genau zu verfolgen. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern hat Drosten in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina dafür Empfehlungen gegeben, welche Maßnahmen jetzt wichtig sind, um das Virus weiter einzudämmen.

Dazu gehört neben mehr Tests und der Nutzung mobiler Daten, um Kontakte Infizierter schneller zu verfolgen, vor allem eines: Das konsequente Tragen einer Maske. Was dagegen wohl nicht hilft im Kampf gegen das Virus ist die Desinfektion von Flächen im Haushalt. „Es lohnt sich nicht, im Haushalt alle möglichen Oberflächen mit Desinfektionsmittel zu bearbeiten“, sagt Drosten später im Podcast.  Dessen sei er sich „fast sicher“. Anders sei das im Krankenhaus, wo es etwa auch um Körperflüssigkeiten der Patienten ginge.

Generell sei die Ansteckungsgefahr über Oberflächen nicht besonders hoch, die jetzigen Anti-Coronavirus-Maßnahmen sollen deshalb Luft- und Tröpfchenübertragung ausschließen. Das Maskentragen könnte in Deutschland allerdings schwer durchzusetzen sein, sagt Drosten. „Wir haben in unser Gesellschaf nicht die besten Startbedingungen, um alle Masken tragen zu lassen.“

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Es gebe keine kulturelle Verankerung, außerdem seien derzeit schlicht keine Masken zu erwerben. Trotzdem sei es wichtig, dass alle Masken tragen, um andere zu schützen. Drosten bezieht sich im Podcast auf neue Studien, die Evidenz für einen Fremdschutz durch das Tragen einfacher Mund-Nase-Masken liefern.

Eine Studie aus Hongkong, die am vergangenen Freitag im Nature Magazin veröffentlicht wurde, untersucht eine große Gruppe von Erwachsenen mit Infektionserkrankungen der oberen Atemwege, also Rachen und Nase. Die Studie wurde vor dem Aufkommen von Sars-2 durchgeführt, die Patienten hatten normale Erkältungs-Coronaviren, das Influenza-Virus sowie Rhinoviren, also Schnupfenviren.

Mund-Nase-Masken schützen andere

30 Minuten lang wurde die Luft um den Kopf der Patienten herum abgesaugt, gesammelt und konserviert, damit sie im Labor untersucht werden kann. Hierbei wurden sowohl größere Tröpfchen, die zu Boden fallen, als auch sehr feine Tröpfchen, die in der Luft schweben, das sogenannte Aerosol, gesammelt.

Die Ergebnisse seien eindeutig, sagt Drosten: Elf Patienten der Studie waren Corona-infiziert und trugen eine Mund-Nase-Maske.  „Bei keinem der elf Patienten konnte aus dem Gerät später ein Virus nachgewiesen werden.“ Bei einer Gruppe ohne Maske habe man dagegen bei zehn Patienten größere und kleinere Tröpfchen gefunden.

Eine weitere Studie mit Covid-19-Patienten aus Singapur gebe Anlass zur Vermutung, dass die Krankheit auch durch die Luft übertragen werden kann. Bei zwei von drei Patienten ließen sich in dieser Studie Tröpfchen aus der Raumluft nachweisen, sowohl kleine als auch größere.

Ansteckung lässt sich durch Maske nicht verhindern

Insbesondere bei trockener, warmer Raumluft trocknen Tröpfchen schnell, werden dadurch kleiner und stehen länger in der Luft, erklärt Drosten. Es gebe aber keinen Grund zur Panik: In vielen Räumen wie beispielweise Supermärkten würde die Luft durch raumlufttechnische Anlagen umgewälzt, was eine Ansteckung durch die Luft unwahrscheinlicher mache. Fakt sei aber auch, dass das Tragen einer einfachen Maske eine Ansteckung durch feine Tröpfchen in der Luft nicht verhindern kann.

Eine weitere interessante Beobachtung der Studie aus Singapur: Wischproben von Oberflächen aus den Zimmern der infizierten Patienten waren nur in der ersten Woche der Erkrankung positiv für das Virus. Das Rieseln des Virus hört also nach einer Woche auf, erklärt Drosten, obwohl die Patienten noch erkrankt waren.  

Am Schluss ging es noch um ein Symptom der Coronavirus-Infektion: dem plötzlichen Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn. Eine Umfrage von Wissenschaftlern aus dem Iran mit mehr als 15.000 Teilnehmern ergab, dass es sich hierbei um ein häufiges Symptom einer Sars-2-Infektion handeln könnte. „Wenn ich in meinem Alltag plötzlich nichts mehr reichen würde, würde ich erst einmal zu Hause bleiben“, sagt der Virologe.

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