Zurück bis zum Urknall: Es lebe der Zweifel
Astrophysiker haben ihr Weltbild mal wieder revidiert - und schon jetzt ist klar, dass die neue Fassung auch nicht ewig halten wird. Und doch ist ihre Herangehensweise die richtige. Eine, die nur ein Kriterium kennt: Jede Behauptung muss bewiesen werden.
Zweifel zerstören. Das betrifft auch die Weltbilder, die Naturwissenschaftler zeichnen: beginnend mit dem Urknall, dem unbegreiflichen Wachsen von allem zu einem Universum, in dem der Einzelne noch weniger als der Staub des Staubes ist. Wer sich in das Konstrukt hineindenkt, wird bald stutzig. Ob das alles so stimmt, was sich die Forscher überlegen? Woher wollen die so genau wissen, wie es am Anfang war?
Die Zweifler sollten recht behalten. In dieser Woche musste das Bild des Kosmos einmal mehr korrigiert werden. Er ist nämlich 80 Millionen Jahre älter, als die Experten bisher sagten. Bei einem Gesamtalter von 13,8 Milliarden Jahren ist das wenig, aber es zeigt dennoch, dass da etwas faul war in ihren Formeln. Die Korrektur wurde nötig, nachdem das Weltraumteleskop „Planck“ die kosmische Hintergrundstrahlung vermessen hatte. Sie gibt Hinweise darauf, wie das Universum in seiner Kindheit aufgebaut war. An diesen Daten müssen sich die Theorien der Forscher messen lassen. Allen ist klar, dass auch das revidierte Bild vom Kosmos nicht lange in dieser Form bestehen wird, denn einige Muster in den Daten kann es einfach nicht erklären.
Es leben die neuen Zweifel! Wenn man sie nicht als etwas sieht, das zerstört, sondern als etwas, das Platz schafft für Besseres. Die neuen Fragen können helfen, der Weltformel noch näher zu kommen. Nie war die Gelegenheit günstiger. Die Frage nach dem Ursprung aller Dinge stellt der Mensch schon lange. Doch erst seit wenigen Generationen kann er Antworten formulieren und diese überprüfen.
Kopernikus, Galilei und andere räumten mit dem Irrtum auf, die Erde sei das Zentrum des Kosmos. Darwin und andere Evolutionsbiologen bewiesen, dass Tiere und Pflanzen nicht per Schöpfungsorder plötzlich und unveränderbar auf die Welt kamen, sondern sich aus einem gemeinsamen Ursprung entwickelten. In den vergangenen Jahrzehnten näherten sich Forscher schließlich dem Beginn von allem an. Sie schufen ein Modell des Alls, das mit dem Urknall begann, sich seitdem ausdehnt und jene Zutaten enthält, die mindestens einen belebten Planeten in der Milchstraße hervorbrachten.
Das Modell hat große Vorzüge. Erstens sind sehr viele Annahmen durch Experimente bewiesen worden. Wo das nicht gelingt, kann es zweitens verändert werden, um die Realität besser abzubilden. Das unterscheidet es von Dogmen, die sich im Lauf der Zeit oft von einer Stütze zur Last verwandeln. Das Modell hat aber auch Schwächen. Es kann bis heute nicht sagen, was genau beim Urknall passierte und wie der kosmische Sprengstoff überhaupt angerichtet und gezündet wurde. Diese Lücken füllen Mystiker und Physiker unterschiedlich. Beweise haben beide nicht, was keine der beiden Antworten besser oder schlechter macht.
Die Frage, warum der Mensch sich an diesen Lücken, die mit seinem Alltag nichts zu tun haben, abarbeitet, ist leicht zu beantworten. Er muss. Er ist getrieben davon, Zusammenhänge verstehen zu wollen und die umfassende Weltformel zu finden. Man kann sich diese als ein Haus vorstellen, das zum großen Teil fertig ist. Wenn die Planck-Forscher jetzt noch ein paar Steine im Obergeschoss gesetzt haben, ist das nett, für unser Leben, das im Erdgeschoss spielt, aber folgenlos. Doch es liegt in der Natur des Menschen, dass er auch die Dachterrasse fertigstellen will. Weil er von dort viel besser erkennen kann, wie fantastisch die Welt ist.
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