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ein gedrucktes Ohr
© Wake Forest Baptist Medical Center

Ersatz-Organe aus dem 3-D-Drucker: „Es ist, wie mit Lego zu spielen“

Der Gewebezüchter Anthony Atala hat ehrgeizige Pläne: Er will transplantierbare Gewebe und Organe mit dem 3-D-Drucker erzeugen. Auch in Berlin soll es ein Labor geben. Ein Gespräch am Rande des Hauptstadtkongresses.

Sie werden beim Hauptstadtkongress über die Zukunft der Medizin sprechen. Was ist Ihre Vision?
Mir geht es um personalisierte Medizin. Wie man die Möglichkeiten des Körpers nutzen kann, um sich von einem Leiden zu erholen und Organe zu regenerieren.

Ihre Gruppe hat vor Kurzem gezeigt, dass man lebendes Gewebe drucken kann: ein kleines Ohr, einen Teil des Kieferknochens und Muskelgewebe. Wie geht das?

Wir haben vor 14 Jahren damit angefangen, uns mit dem 3-D-Druck zu beschäftigen. Damals hatten wir bereits Gewebe produziert und einigen Patienten eingepflanzt, aber diese waren „handgemacht“. Wenn man vielen Kranken helfen will, muss man den Prozess automatisieren. Wir haben also zunächst versucht, normale Drucker für unsere Zwecke umzubauen. Statt Tinte haben wir in Hydrogel verpackte Zellen benutzt, der Druckknopf hat sich mit jeder Lage nach oben verstellt und so eine dreidimensionale Struktur erzeugt. Aber die Ergebnisse waren nicht robust genug, um in den Körper eingepflanzt zu werden. In den letzten elf Jahren haben wir daher ein neues Drucksystem entwickelt, das gleichzeitig für die nötige Festigkeit sorgt. Dieses System nutzt fünf verschiedene Strategien, um Gewebe zu produzieren, das nach einer Transplantation im Körper überleben kann. Diese Technik haben wir in „Nature Biotechnology“ vorgestellt.

Welche Hürden mussten Sie überwinden?

Für einen besonders präzisen Druck ist eine sehr kleine Düse nötig. Sie sollte einen Durchmesser von ein bis zwei Mikrometern haben. Das ist 80 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Die nächste Herausforderung war, dass die Zellen durch die Passage dieser Engstelle und den Aufprall nicht verletzt werden dürfen. Sie werden also eingebettet in eine Flüssigkeit, die zu einem Gel wird, sobald sie auf der Oberfläche aufkommt. Das ist die Bio-Tinte. Die dritte Schwierigkeit ist, dass das Organ strukturelle Integrität braucht. Deshalb nutzen wir zwei verschiedene Sorten von Bio-Tinte. Die eine ist hart und enthält eine Art Plastik. Sie verleiht das Gerüst. Die andere ist besonders weich und enthält die Zellen. Es ist ein bisschen, wie mit Lego zu spielen, aber ein Block ist hart und der nächste weich. Und schließlich mussten wir sicherstellen, dass es sehr kleine Mikrokanäle in der ganzen Struktur gibt. Darin können sich feinste Blutgefäße bilden. Diese Kapillaren sind wie eine Autobahn, die die Versorgung mit Nährstoffen bis in das Zentrum des Organs sicherstellt.

Das Plastikmaterial zersetzt sich?

Natürlich. Die harten Bausteine lösen sich mit der Zeit auf und die Zellen übernehmen ihre Funktion.

Sie haben die Mikrokanäle erwähnt. Ein lebendes Organ braucht ein sehr feines und komplexes Netz aus Blutgefäßen, um genügend Nähr- und Sauerstoff zu bekommen. Ist dieses Netz bereits fein genug? 

Wir haben im Laufe der Jahre gesehen, dass die Kapillaren maximal 200 Mikrometer voneinander entfernt sein dürfen. Das ist nicht viel und wirklich die Obergrenze. Durch die Mikrokanäle ist die gedruckte Struktur aber wie ein Schwamm. Die Nährstoffe gelangen also überall hin. Wenn sie in den Körper eingepflanzt wird, können die Kapillaren sich darin ausbilden und die Aufgabe übernehmen.

Wann wollen Sie diese Technik am Menschen erproben?

Wir machen gerade die Vorarbeiten für die amerikanische Zulassungsbehörde FDA, um mit einer klinischen Studie zu beginnen. Wann das sein wird, können wir nicht vorhersagen. Selbst wenn wir so weit sind, ist es die Zulassungsbehörde, die grünes Licht geben muss.

Der Forscher plant eine Kooperation mit Berlin

Welche Patienten kommen infrage? 

„Handgemachte“ Gewebe und Organe haben wir bereits eingepflanzt. Wir teilen diese in vier Kategorien ein. Alle Gewebe sind komplex, aber am einfachsten sind die flachen Strukturen wie etwa die Haut. Das betrifft sowohl die Architektur als auch die Tatsache, dass es vor allem einen Zelltypen gibt. Die nächste Ebene sind hohle Röhren, also Blutgefäße oder die Harnröhre. Dann kommen hohle Organe wie die Blase oder der Magen. Hier wird die Architektur und die Funktion komplexer, es gibt mehr Zusammenspiel mit anderen Organen. Die vierte Ebene sind die soliden Organe wie das Herz, die Leber, die Niere. Sie haben sehr viel mehr Zellen pro Quadratzentimeter, dementsprechend brauchen sie eine besonders gute Blutversorgung. Bis jetzt haben wir die ersten drei Ebenen bewältigt. Ein solides Organ war noch nicht dabei. Beim Drucken wollen wir ebenso vorgehen. Erst kommen flache Strukturen, dann Röhren, dann hohle Organe. Das ultimative Ziel sind solide Organe.

Die Niere ist besonders kompliziert, mit bis zu 30 verschiedenen Zelltypen und einer Architektur, die für ihr Funktionieren entscheidend ist. Sind Sie trotzdem zuversichtlich, dass man so ein Organ drucken kann?

Ja! Wir haben bereits kleine Nieren hergestellt und sie im Tiermodell getestet. Diese Nieren produzieren wirklich Urin. Allerdings sind sie im Moment so groß wie eine Zitrone. Um für den Menschen verwendbar zu sein, müssen die Organe eher so groß wie eine Pampelmuse sein.

Sie haben Metastasen auf einem Chip wachsen lassen – ein Ansatz, mit dem man Krebsmittel testen könnte.

Darüber denken wir seit 2002 nach. Wenn wir diese Gewebe und Organe für Patienten herstellen können, dann könnte das auch bei Medikamentenstudien helfen. Helfen sie? Wie giftig sind sie? Heute können wir diese winzigen Organoide drucken. Sie sind nur 150 mal 250 Mikrometer groß und brauchen somit keine Blutgefäße in ihrem Inneren. Aber wenn wir sie auf einem Chip anordnen, dann funktioniert zum Beispiel eine Leber besser als bisherige Zellkulturen oder Tierversuche. Das ist vielversprechend. Ein weiterer Teil des Projekts ist, kranke Organoide zu entwickeln, Metastasen in der Leber zum Beispiel. Theoretisch könnte man eine Leberbiopsie eines Krebspatienten nehmen, daraus ein Organoid herstellen und damit ausprobieren, welches Medikament am besten gegen diesen Krebs hilft. Das ist ein weiterer Aspekt personalisierter Medizin.

Anthony Atala
Der amerikanische Urologe Anthony Atala ist Direktor des Instituts für Regenerative Medizin an der Wake-Forest-Universität in Winston-Salem.
© WFU/Ken Bennett

Wir haben gehört, dass Sie in Zukunft mit Berliner Forschern kooperieren wollen.

Wir wollen diese Technologien auch zu Patienten hier in Berlin bringen. Und wir wollen gemeinsam mit unseren Kollegen die Technik verbessern, mehr Gewebetypen und Organe transplantierbar machen. Wenn also ein Gewebe oder ein Organ durch eine Krankheit, durch einen Unfall oder durch ein erbliches Leiden beschädigt ist, wollen wir es ersetzen. Für Krankheiten wie Muskeldystrophie können wir das noch nicht, denn in diesem Fall haben alle Muskelzellen im Körper den Gendefekt. Das müsste man zum Beispiel mit einer Gentherapie verbinden. Damit wird es noch etwas komplexer. Aber wir arbeiten daran. Das sind Patienten, für die es bisher keine Therapie gab.

Wo wäre das Labor angesiedelt?

Wir planen eine Kooperation mit dem Unfallkrankenhaus in Marzahn. Die Haut, die wir herstellen, könnte zum Beispiel Verbrennungsopfern helfen. Oder Patienten nach einem Unfall.

Wann ist es so weit?

Das wissen wir noch nicht. Wir führen gerade die Gespräche dazu. Wir hoffen, dass es 2019 so weit sein kann.

- Die Fragen stellten Jana Schlütter und Hartmut Wewetzer.

Anthony Atala hält am Mittwoch um 12 Uhr 30 beim Hauptstadtkongress Medizin im Citycube (Messedamm 26, 14 055 Berlin) einen Vortrag zum Thema „Regenerative Medizin – Neue Ansätze im Gesundheitswesen“. Danach diskutiert Atala mit Karl Max Einhäupl (Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité), Peter Albiez (Deutschlandchef der Pharmafirma Pfizer) und Friedrich von Bohlen (Biotechnik-Unternehmer) zum Thema „Zukunft der Medizin“. Der 19. Hauptstadtkongress findet bis zum 10. Juni statt, erwartet werden zu diesem Branchentreffen für Gesundheitswirtschaft und Politik mehr als 8000 Teilnehmer.

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