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Sabine Hark (re.) leitet als Professorin das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin. Gemeinsam nahm sie mit Prof. Dr. Angela Ittel, Vizepräsidentin der TU Berlin, am March for Science teil, um auf Anfeindungen und Unterdrückung von Forscherinnen und Forschern aufmerksam zu machen. Am 18.12.2017 gibt es den Aktionstag für Gender Studies mit dem #4genderstudies auf Twitter.
© Anna Groh/TU Berlin

Interview mit Sabine Hark: "Es geht um Macht, Status und Verteilung"

Warum so viele Männer Frauen am Arbeitsplatz belästigen – und Rechte mit Angriffen auf die Gender Studies die Wissenschaftsfreiheit in Frage stellen.

Frau Hark, Genderforscherinnen und -forscher planen am kommenden Montag eine Aktion für die Gender Studies. Worum geht es?
In letzter Zeit häuften sich die teilweise auch persönlich diffamierenden Artikel über die Geschlechterforschung. Das ist nicht ganz neu, seit mehr als zehn Jahren geht das schon so. Aber in Verbindung damit, dass jetzt auch die AfD als in den Parlamenten vertretene Partei gezielt gegen die Geschlechterforschung vorgeht, schien es vielen Kolleg*innen an der Zeit, stärker als bisher in die Öffentlichkeit zu gehen. Es wird bundesweit Veranstaltungen geben. Und wir werden über soziale Medien, in Blogs, auf Homepages und so weiter darstellen, worüber wir forschen und was wir lehren.

Wie erklären Sie sich die Angriffe?
Ich war gerade zu einem Vortrag in den USA, an der Rutgers University. Die Kolleg*innen waren erstaunt, dass es hier gezielt die Gender Studies sind, die angegriffen werden, weil es dort die Geisteswissenschaften insgesamt trifft. Ich glaube, dass das zum Teil auch hier hinter den Angriffen steckt. Die Gender Studies scheinen für die Rechten ein Einfallstor zu sein, um die Wissenschaftsfreiheit in Frage zu stellen. Darüber hinaus glaube ich, dass die rechte Seite durchaus verstanden hat, worum es in den Gender Studies geht, nämlich um eine kritische Befragung konventioneller Vorstellungen beispielsweise von Geschlecht, Sexualität und Familie.

Die Kritiker werfen den Gender Studies besonders vor, biologische Tatsachen zu ignorieren. Gibt es aus Ihrer Sicht tatsächlich keine bedeutsamen biologischen Einflüsse auf die Geschlechter?
Erst einmal geht es in der Wissenschaft nicht darum, irgendetwas zu leugnen oder zu ignorieren. Auch in den Gender Studies nicht. Ansonsten untersuchen kulturwissenschaftlich arbeitende Geschlechterforscherinnen kulturelle Aspekte von Geschlecht, und Biologinnen arbeiten zu biologischen Aspekten, etwa in den Neurowissenschaften oder in der Genetik. Und in vielen Projekten arbeiten sie zusammen. Die avancierte Humanbiologie, die ja selbst mehrere Ebenen der Geschlechtsbestimmung kennt, also Chromosomen, Gonaden, Geschlechtsorgane, um nur drei zu nennen, geht im Übrigen davon aus, dass es nicht den einen biologischen Parameter gibt, der alles abdeckt. Eric Vilain, Mediziner und Direktor des Center for Gender-Based Biology an der University of California in Los Angeles beispielsweise argumentiert, dass der sinnvollste Parameter wohl die Geschlechtsidentität der Einzelnen sei, also wie sie sich jede Person selbst definiert. ,Einfach fragen‘ ist seine Devise.

Ist die Genderforschung an der Universität so umstritten wie im politischen Raum?
Nein, ganz sicher nicht. Die Geschlechterforschung ist in vielen Disziplinen ein ganz normaler Teilbereich, Geschlechterforscherinnen bewerben sich wie andere um Drittmittel und sind dabei genauso erfolgreich wie andere. Wir hier an der TU Berlin kooperieren beispielsweise mit der Robotik, der Architektur, der Stadtplanung, dem Maschinenbau, der Informatik, der Ökonomie. Da erlebe ich kaum Berührungsängste oder Abwehr.

Können die öffentlichen Angriffe die Gender Studies tatsächlich gefährden?
Ich fürchte schon. Wenn ständig wiederholt wird, dass hier nur Unsinn oder Ideologie produziert wird und die AfD immer neue Anträge in den Parlamenten stellt, die Gender Studies abzuschaffen, bleibt vielleicht irgendwann doch was hängen.

Sie haben sich auch zu der Sexismusdebatte rund um die Vorwürfe gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein geäußert. Wird die Diskussion die Lage verändern?
Ich glaube schon. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Frauen sich dazu äußern, aber die große Zahl und die vielen beruflichen Felder, um die es jetzt geht, das ist schon neu und das wird sich nicht so einfach wieder wegwischen lassen.

Warum belästigen weltweit so viele Männer Frauen am Arbeitsplatz?
Hier geht es um Macht, Status und um Verteilungsfragen. Aus Sicht der Männer dringen Frauen in Bereiche ein, die historisch ihnen vorbehalten waren. Sexualisierte Belästigungen sind so gesehen grenzenverteidigende Handlungen.

Auch Berliner Studentinnen haben jetzt berichtet, von Dozenten sexuell belästigt oder anders sexistisch behandelt worden zu sein. Ist die Lage an den Hochschulen heute nicht besser als vor 20 Jahren?
Das ist schwer zu sagen, weil es zu wenig empirische Forschung dazu gibt und weil Sexismus vielleicht gerade an den Hochschulen noch stärker tabuisiert ist als im Rest der Gesellschaft. Mit Sicherheit hat aber der Großteil der Frauen an Hochschulen zumindest Sexismus erfahren.

Eine Frage, die in der Debatte immer wieder gestellt wurde, war: „Kann man Frauen heute kein Kompliment mehr machen, ohne als übergriffig dazustehen?“ Was antworten Sie darauf?
Ich bin als Wissenschaftlerin keine Knigge-Ratgeberin. Aber es geht hier nicht um Komplimente „ja oder nein“, sondern darum, an welchem Ort Komplimente angemessen sind und wo nicht. Im beruflichen Kontext sollte es um Anerkennung beruflicher Leistung gehen und nicht um Rocklänge, Frisur oder Figur.

In der Silvesternacht vor zwei Jahren wurden Dutzende von Frauen in Köln massiv von Hunderten von Männern mit Migrationshintergrund belästigt. Damit befassen Sie sich in Ihrem neuen Buch „Unterscheiden und herrschen“ (zusammen mit Paula Villa). Der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer werfen Sie in dem Zusammenhang einen „toxischen Feminismus“ vor. Warum?
Alice Schwarzer gehörte zu jenen, die mit als Erste zu wissen glaubten, was in Köln geschehen war – dass nämlich männliche Migranten, Muslime, deutsche Frauen angegriffen haben. Sie hat stark dazu beigetragen, dass Sexismus als fast schon naturgegebene Eigenschaft von Muslimen verstanden wird. Das nennen wir in unserem Buch die toxische, also rassistische Aufladung von Feminismus. Klar sollte sein, dass sexualisierte Gewalt immer kritisiert und bekämpft werden muss, egal wer sie verübt und wem sie widerfährt. Als Sozialwissenschaftlerin ist es mir wichtig, zu betonen, dass wir genau untersuchen müssen, wie sich die Konstanten männlicher Herrschaft mit kulturellen, religiösen und sozialen Strukturen und Dynamiken verbinden und diese Verbindungen nicht einfach behaupten können.

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