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Querschnitt eines im Labor gezüchteten Hirns.
© dpa

Wissenschaftliche Durchbrüche des Jahres 2013: Erfolgreiche "Impfung" gegen Krebs und andere Entdeckungen

Die Immuntherapie von Tumoren ist für „Science“ der wissenschaftliche Durchbruch des Jahres 2013, gekürt wurde unter anderem auch die Erzeugung von Mini-Organen in der Petrischale.

Erfolgreiche „Impfung“ gegen Krebs

Man hat lange diskutiert bei „Science“ in Washington, dem führenden amerikanischen Wissenschaftsmagazin. Und sich dann doch entschieden, die Immuntherapie von Krebs zum „Durchbruch des Jahres“ zu küren. Damit ehrt die Redaktion eine neue Behandlungsmethode, bei der der Tumor nicht direkt attackiert, sondern das Immunsystem gestärkt wird. Eine Art „Impfung“ gegen den Krebs. Mit der Technik können in Einzelfällen auch bislang unheilbare Tumoren zurückgedrängt und womöglich geheilt werden. Das Problem ist, dass bislang nur wenigen Patienten auf diese Weise geholfen werden kann. Es droht ein Hype. Der Jubel könnte sich als verfrüht erweisen. Meist dauert es viele Jahre oder gar Jahrzehnte, bis eine neue Therapie den Weg vom Labor zum Krankenbett findet. Auch die Immuntherapie ist keine Ausnahme. 1987 stießen französische Forscher auf ein Eiweiß namens CTLA-4. Es sitzt auf T-Zellen, einem wichtigen Arm des Immunsystems, und hindert diese daran, mit ganzer Kraft anzugreifen. 1996 zeigten Wissenschaftler, dass es sinnvoll sein kann, den Blockierer zu blockieren und CTLA-4 auszuschalten. Ergebnis: Bei Mäusen verschwanden Tumoren.

2010 gab es Ergebnisse auch zum Menschen. Der Anti-CTLA-4-Wirkstoff, ein Eiweißmolekül aus der Gruppe der Antikörper mit Namen Ipilimumab, verlängerte bei Patienten mit gestreutem (metastasiertem) schwarzen Hautkrebs (Melanom) das durchschnittliche Überleben von sechs auf zehn Monate. Dieses Jahr stellte sich heraus, dass von 1800 behandelten Melanom-Patienten nach drei Jahren noch 22 Prozent am Leben waren, viele vermutlich auf Dauer geheilt. Allerdings hat das seinen Preis. Laut „Science“ verlangt der Hersteller 120 000 Dollar, etwa 88 000 Euro, für eine Behandlung. Ein weiterer Ansatz ist die für jeden Patienten maßgeschneiderte Immuntherapie, genannt Chimäre Antigen-Rezeptor-Therapie oder kurz CAR-Therapie. Dazu werden T-Zellen genetisch so verändert, dass sie Krebszellen angreifen. Vor kurzem berichtetet Carl June von der Universität von Pennsylvania über Erfolge bei Blutkrebs. Wissenschaftler hoffen, die CAR-Therapie auch bei anderen Krebsarten einzusetzen. Weitere Durchbrüche des Jahres finden Sie auf den folgenden Seiten.

Klone dank Koffein

1996 wurde das Klonschaf Dolly geboren. Seitdem gab es Versuche, auch menschliche Zellen zu klonen. Erst in diesem Jahr glückte dieses Unterfangen. Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health & Science University und sein Team entkernten Eizellen und „befruchteten“ sie mit Zellkernen aus der Haut eines Babys. Dank einiger Kniffe – so gehörte Koffein zur „Rezeptur“ in der Petrischale – gelang es, menschliche Embryonen zu erzeugen. Allerdings nur, um aus ihnen Stammzellen für medizinische Zwecke zu gewinnen, nicht, um Menschen zu klonen. Ob die so gewonnenen Stammzellen noch zeitgemäß sind, ist unklar. Denn seit 2007 können menschliche Stammzellen auch durch Rückprogrammierung aus ganz normalen Zellen gewonnen werden, ohne Eizellen oder Embryonen.

Bonsai-Organe aus der Petrischale

Es klingt ein wenig nach Frankenstein: 2013 haben mehrere Forschergruppen verkündet, dass sie Mini-Gehirne, Mini-Nieren oder Mini-Lebern in der Petrischale gezüchtet haben (siehe Foto). Allerdings geht es nicht um ganze Organe. Das Team von „Science“ würdigt vielmehr die Kunst, pluripotente Stammzellen zur Selbstorganisation zu bewegen, statt sie im Zell-Chaos versinken zu lassen. Das so entstandene Mini-Hirn ist nicht größer als ein Apfelkern, es gleicht dem eines menschlichen Embryos in der neunten Woche. Erste Strukturen, die Vorder-, Mittel- und Hinterhirn entsprechen, sind erkennbar. Mit ihm kann man die frühe Entwicklung des Gehirns erforschen – von Gesunden wie von Kranken.

Graue Masse war gestern

Das Fett muss weg, es versperrt die Sicht. Das beschloss ein Team um Karl Deisseroth von der Uni Stanford und macht nun Gehirne transparent. Das Problem: Fett hält normalerweise die Einzelteile des Hirns zusammen. Entfernt man es aus den Zellen, bricht alles in sich zusammen. Die neue Technik namens „Clarity“ nutzt deshalb ein Netz aus Hydrogel, das das Gehirn durchdringt und an fast alle Moleküle andockt, außer an die Lipide der Zellmembranen, die damit überflüssig wurden. In aller Klarheit können die Forscher sowohl große Nervennetzwerke als auch kleinste Strukturen analysieren und dafür immer wieder neu anfärben. Statt die graue Masse mühselig in feinste Scheiben zu schneiden, können sie mithilfe von Licht in 3-D durch Mäusegehirne reisen. Bis das auch mit kompletten Gehirnen klappt, wird noch Zeit vergehen. Doch Clarity hat das Potenzial, selbst feinste Details zu offenbaren, die in den Gehirnen von Menschen mit neurologischen Erkrankungen anders sind.

Simple Solarzellen

Sonnenstrom billiger zu erzeugen, das könnte mit einem neuen metallorganischen Material gelingen. Solarzellen mit winzigen Kristallen, Perowskiten, haben im Labor inzwischen einen Wirkungsgrad von 15 Prozent erreicht. Noch vor vier Jahren lag der Wert bei vier Prozent, weshalb die Forscher hoffen, noch mehr rausholen zu können. Herkömmliche Solarzellen auf Siliziumbasis erreichen mittlerweile zwar schon mehr als 20 Prozent Wirkungsgrad, sind aber in der Herstellung teuer. Perowskitbasierte Zellen wären wesentlich billiger. Und damit auch der von ihnen erzeugte Strom.

Kosmische Teilchenschleudern

Lange vermutet, jetzt bewiesen: Die kosmische Strahlung entsteht zum größten Teil bei Sternenexplosionen. Während einer Supernova werden die Teilchen (meist Protonen) extrem beschleunigt. Dabei erhalten sie eine Energie, die um ein Vielfaches über dem liegt, was irdische Teilchenbeschleuniger wie der LHC zuwege bringen. Vermutet wurde diese Herkunft seit Jahren. Nun gelang es Astrophysikern, diese mithilfe des Gammastrahlenteleskops „Fermi“ zu belegen.

Die Spülmaschine läuft im Schlaf

Schlaf ist alles andere als vertane Zeit. Wir brauchen ihn nicht nur, um Erinnerungen zu festigen oder Überflüssiges aus dem Gedächtnis zu löschen. Viel wichtiger ist: Im Schlaf verwandelt sich das Gehirn in eine Art Spülmaschine. Forscher um Maiken Nedergaard von der Uni Rochester beobachteten den Weg von Farbstoff durch Mäusegehirne. Dabei sahen sie, dass sich die Nervenzellen während des Schlafs zusammenziehen und damit größere Kanäle für das Hirnwasser schaffen. Abfall, der am Tag entsteht, kann so weggespült werden.

Mikroben und Gesundheit

Auf jede Zelle im menschlichen Organismus kommen etwa zehn Keime, insgesamt machen sie bis zu zwei Kilo des Körpergewichts aus. Wie wichtig dieses Zusammenleben mit Mikroben ist, wurde in den vergangenen Jahr immer deutlicher: Die Nützlinge im Darm zum Beispiel spalten nicht nur Nahrung auf und entscheiden über Unterernährung oder Fettsucht. Sie wehren auch gefährliche Erreger ab, stärken das Immunsystem und formen unsere Reaktion auf Umweltgifte.

Die Struktur entscheidet

Manche Viren schlagen dem Immunsystem immer wieder ein Schnippchen; eine Impfung gegen sie zu entwickeln, ist ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel. Dengue ist so ein Beispiel, aber auch HIV, Hepatitis C oder das West-Nil-Virus. Trotzdem produziert der Körper Antikörper, die sehr effektiv gegen Viren sind. Wenn man weiß, wo sie an das Virus binden, könnte das Impfstoffkandidaten verbessern, war lang das Versprechen der Strukturbiologie. Nun hat sie es erstmals eingelöst – für das RSV-Virus, das jedes Jahr bei Millionen Kindern eine Lungenentzündung auslöst. In anderthalb Jahren soll der Impfstoff am Menschen getestet werden.

Mikro-Skalpell fürs Erbgut

Zum Werkzeugkasten der Genforscher ist ein Präzisionsinstrument dazugekommen: CRISPR. Ursprünglich lotsten damit Bakterien molekulare Scheren an ganz bestimmte Stellen im Erbgut von angreifenden Viren. Nun haben Forscher die CRISPRs zu vielseitigen, einfach herstellbaren und billigen Mikroskalpellen umgebaut. Sie können kleine Abschnitte im Erbgut zielgenau löschen, tauschen oder einfügen. Im letzten Jahr wurden damit bereits Gene von Ratten, Zebrafischen, Fruchtfliegen, Pflanzen und Menschen manipuliert.

Ralf Nestler, Jana Schlütter, Hartmut Wewetzer

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