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Erleuchtet. In der Exzellenzinitiative steht die TU gut da, die Forschungsgelder sind konstant hoch.
©  TU Berlin/Jacek Ruta

Technische Universität Berlin: Erfolgreich, aber zerrissen

An der TU Berlin steht Präsident Christian Thomsen zur Wiederwahl. Er ist beliebt. Doch durch den langen Streit über die Viertelparität sind tiefe Gräben an der Uni entstanden.

Als die TU Berlin vor vier Jahren ihren Präsidenten wählte, gab es ein spannendes Duell. Der Physiker Christian Thomsen forderte den umstrittenen Amtsinhaber Jörg Steinbach heraus. Wie Politiker standen sich beide in Rededuellen gegenüber. Thomsen versprach vor allem, einen besseren Kommunikationsstil in der TU zu etablieren und die Verwaltung zu reformieren. Er schlug Steinbach mit großer Mehrheit. Wenn der 58-jährige Thomsen sich am kommenden Mittwoch zur Wiederwahl stellt, kann es als sicher gelten, dass er im Amt bestätigt wird. Niemand wollte als Gegenkandidat antreten. Thomsens freundlicher Umgangston und seine Offenheit werden allenthalben gelobt. „Christian Thomsen war in den vergangenen Jahren ein sehr guter Präsident“, meint nicht nur die Soziologieprofessorin Sabine Hark.

Trotzdem trügt der Anschein, die TU gehe vereint und zufrieden in die Wahl: „Die TU ist völlig zerrissen“, sagt ein Professor, der lieber anonym bleiben möchte. „Es wird eine große Herausforderung, sie wieder zusammenzuführen.“ Gemeint ist der schwere Streit über die Einführung der Viertelparität. Er begann in Steinbachs Amtszeit und setzte sich in Thomsens Präsidentschaft fort. Soll es Professorinnen und Professoren wirklich weiterhin zustehen, im Akademischen Senat mehr als dreimal so viele Stimmen zu führen wie die Vertreter der jeweils anderen Statusgruppen, der Studierenden und der Mitarbeiter?, lautete die Frage.

Die Verwaltung will "auf Augenhöhe" mit den Professoren kommen

In der jahrelangen Debatte erklärten Studierendenvertreter, es sei „undemokratisch“, dass die Masse der 31.000 TU-Studierenden mit nur wenigen Stimmen repräsentiert werde, während die viel kleinere Zahl von Professoren stark dominiere. Auch Verwaltungsmitarbeiter verlangten, durch eine neue Stimmverteilung „auf Augenhöhe“ mit den Professoren zu kommen. Und ein reformfreudiger Professor warf seinen reformunwilligen Kollegen vor, sich grundlos als Elite aufzuführen und das Leben von Professor Brinkmann in der längst abgesetzten TV-Serie „Schwarzwaldklinik“ zu leben.

Viele Professorinnen und Professoren fühlten sich von dem massiven Vorstoß düpiert – angesichts der als groß empfundenen eigenen Verantwortung für Forschung und Lehre und angesichts des impliziten Vorwurfs, die Mehrheit bei den Stimmen nicht zum Wohle der Universität, sondern zum Wohle der eigenen Kaste zu führen.

Im Dezember beschloss der Erweiterte Akademische Senat (EAS) der TU einen Kompromiss: Die Professorenmehrheit im Akademischen Senat soll bleiben. Doch für die Wahl des Präsidiums wird ein neues Gremium geschaffen, ein Wahlkonvent mit 60 Mitgliedern, in dem alle vier Gruppen gleich stark sind. Ohne breitesten Konsens wird es in Zukunft also keine Präsidentin, keinen Präsidenten an der TU geben. Noch im dritten Wahlgang kann nur gewählt werden, wer mindestens drei Stimmen aus jeder Gruppe bekommt.

"Nichts ist gut", sagt ein Professor

Der Kompromiss, ausgearbeitet von der eigens eingesetzten AG Partizipation, sollte die Uni befrieden. Doch nach der Abstimmung herrschte „gespenstische Stille“ im Saal, wie der Professor sagt. Grund zum Jubel habe es angesichts des Stimmergebnisses auch kaum gegeben: 33 Ja-Stimmen und 25 Nein-Stimmen. Demnach haben zwar auch Professoren für die eigene Entmachtung gestimmt, vermutlich besonders jene der linken „Reformfraktion“. Die meisten dürften aber dagegen votiert haben: „Der Kompromiss ist grandios gescheitert“, sagt der Professor, der die TU seit vielen Jahren kennt. „Nichts ist gut.“

Die Initiative für die Viertelparität ist seiner Wahrnehmung nach stark aus der Verwaltung unterstützt worden. Unter den Studierenden und den wissenschaftlichen Mitarbeitern interessierten sich allein die Funktionäre für das Thema.

Vielleicht weht in der Verwaltung der TU noch der Geist des alten West-Berlin, wie manche glauben. Tatsächlich ist der Personalrat hier traditionell stark. Mitarbeiter der Verwaltung treten selbstbewusst auf und erwarten, dass ihre Bedeutung auch von Professoren, erst recht vom Präsidenten gewürdigt wird. Thomsen hat die Verwaltung überzeugt: „Er ist ein guter Präsident“, sagt Kerstin Toepfer aus der TU-Personalabteilung, die für die Gruppe der sonstigen Mitarbeiter im Akademischen Senat sitzt: „Ein Präsident nicht nur für die Professoren, sondern für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität.“ Insbesondere durch die Diskussion um mehr Partizipation sei an der TU „viel Hellhörigkeit und ein stärkeres Wir-Gefühl“ entstanden.

Man wollte sich in Sitzungen kollegial mischen

Der Professor hat indes den Eindruck, das Präsidium habe sich mit seinem Agieren in Sachen Viertelparität und dem dort entstandenen „Bruch mit den Professoren“ „das Wohlwollen“ der aufbegehrenden Verwaltung „erkauft“: „Die immer stärkere Rolle des Wissenschaftsmanagements und der Verwaltung erdrückt uns“, sagt er. Zwar hätten Thomsen und seine Vizepräsidenten den Zug wohl kaum stoppen können. Doch sie hätten sich neutral verhalten können, anstatt sich aktiv in das Geschehen einzubringen.

Thomsen selbst hatte auf der Suche nach Lösungen den Wahlkonvent als Kompromiss ins Spiel gebracht – wenn er das jetzt beschlossene Quorum im dritten Wahlgang auch als seine „rote Linie“ bezeichnet hatte. Und die Erste Vizepräsidentin Christine Ahrend hatte sich im Vorfeld für die Viertelparität starkgemacht und stimmte bei der Abstimmung mit ab. Ahrend steht am Mittwoch ebenfalls zur Wiederwahl.

Schon im April hatte das Präsidium versucht, die Wogen im AS auf einer Klausurtagung mit dem Thema „Kommunikation und Rollenverständnis“ zu glätten. Die AS-Mitglieder beschlossen dabei auch, die alte, konfrontativ wirkende Sitzordnung nach Wahllisten („Fensterfraktion“, „Türfraktion“) aufzugeben und sich in Sitzungen fortan kollegial zu mischen. Franz-Josef Schmitt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU und Vorsitzender ihres Erweiterten Akademischen Senats, lobt die Wirkung: „Der Stil der Diskussion hat sich verbessert. Es macht einen Unterschied, wenn jeder die Beweggründe der anderen kennt.“ Schmitt hat sich stark für die Viertelparität engagiert. Er hält den beschlossenen Wahlkonvent für einen guten Kompromiss und die, wie er formuliert, „Grabenkämpfe, die die Universität in zwei Lager gespalten haben“, für Geschichte – vorausgesetzt, das Kuratorium und der Berliner Senat folgen dem Beschluss.

Könnte die Viertelparität das Image beschädigen?

Hingegen befürchten manche Professorinnen und Professoren an der TU, attraktive Wissenschaftler könnten einen Ruf an die TU fortan ausschlagen. Auch könne die Viertelparität das Image im Exzellenzwettbewerb beschädigen.

Kritiker treibt noch ein weiterer Gedanke um. Der aus der Verwaltung gegen die Professorenmehrheit im AS wehende Wind könnte nur zum Teil noch aus den klimatischen Bedingungen des alten West-Berlins stammen. „Mich beschleicht das Gefühl, dass wir es mit mehr zu tun haben“, sagt einer. Das in der TU-Verwaltung offenbar verbreitete Misstrauen gegen die Professoren sei womöglich anschlussfähig an die aktuellen populistischen elitefeindlichen Diskurse. Unter diesen Umständen müsse man sich nicht darüber wundern, wenn der Funke Viertelparität von der TU bald an die HU und die FU überspringen würde. Mit den beiden Unis bewirbt sich die TU gemeinsam in der Exzellenzinitiative.

Sabine Hark, Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU, bezweifelt jedenfalls, dass die Debatte die TU weitergebracht hat: Die Mitbestimmungsrechte der Gruppen seien in der Uni ohnehin weitgehend geregelt, die Viertelparität sei sicher „nicht die Antwort auf die Demokratisierungsfrage an Hochschulen“. Ein anderer Skeptiker ist sogar der Meinung, die TU habe es angesichts ihrer Beschäftigung mit der Viertelparität versäumt, andere strategische Fragen zu diskutieren. Wie etwa kann man exzellente Fachbereiche jenseits der großen Exzellenzcluster zur Geltung bringen?

In der Exzellenzinitiative steht die TU gut da

In der Exzellenzinitiative steht die TU jedenfalls gut da. Vier Cluster brachte sie in die Endrunde. Auch hält die TU ein konstant hohes Niveau bei den eingeworbenen Forschungsmitteln. Maßgeblich vorangetrieben hat Thomsen auch, dass der Berliner Senat 55 neue IT-Professuren schafft. Ein neues Einstein-Zentrum „Digital Future“ wurde eröffnet, das die Berliner Aktivitäten in dem Bereich bündelt. Diesen Aktivitäten dürfte es mit zu verdanken sein, dass Berlin 2017 den Zuschlag für das Deutsche Internet-Institut erhielt.

Das Haushaltsloch, das der TU jährlich eine pauschale Minderausgabe von zehn Millionen Euro abverlangte, hat Thomsen wie angekündigt halbiert. Dies gelang auch, weil die TU mehr Studierende aufnimmt und vom Land dafür mehr Geld bekommt, unter anderem über das von Thomsen eingeführte Orientierungsstudium MINT-Grün, das der Berliner Senat auch der FU und der HU verordnet hat.

Unter dieser von Thomsen programmatisch angekündigten Öffnung leidet aber die Betreuung der Studierenden, sagt Johann Köppel, der Dekan der Fakultät Planen, Bauen, Umwelt. Und er fragt sich, ob es unter diesen Umständen richtig ist, Personalkapazitäten in den strategischen Bereichen beim Präsidium aufzubauen anstatt die Lehre zu unterstützen.

Ein Vorschlag: Professoren hospitieren in der Verwaltung

Die vom Präsidenten vor vier Jahren in Aussicht gestellte Entbürokratisierung der Verwaltung kann Köppel nicht erkennen. Auch der Chemiker Franz-Josef Schmitt hat nicht den Eindruck, als laufe die Verwaltung nun überall so, wie die Professoren es sich wünschen: als gut geölte Serviceeinrichtung. Einerseits herrsche in der Verwaltung „ein eigener Wille“, „die Führungskräftekultur ist nicht ausgereift“, sagt Schmitt. Andererseits würden die Professoren aber oft nicht die Gesetze kennen, denen die Mitarbeiter zu folgen hätten, und reagierten vorschnell genervt. Die AG Partizipation, der auch Schmitt angehört, hat Hospitationen von Fakultätsmitarbeitern, auch von Professoren, in der Verwaltung vorgeschlagen. Das Präsidium arbeite bereits an der Umsetzung.

Vor vier Jahren hatte Thomsen erklärt, es gebe einen großen Vertrauensverlust der Wissenschaftler gegenüber der Verwaltung der Uni. Dies liege keineswegs an den Verwaltungsmitarbeitern, sondern an der fehlenden Digitalisierung und überflüssigen Verwaltungsschritten. Die Einführung der SAP-Software wurde schon unter Thomsens Vorgänger beschlossen, die Umstellung ist für 2019 geplant.

Die von Thomsen damals versprochenen Maßnahmen in der Personalentwicklung stehen ebenfalls noch aus. So vermisst die Verwaltungsmitarbeiterin Toepfer verpflichtende Schulungen für Führungskräfte oder Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche. Positiv sieht sie, dass inzwischen auch Verwaltungsmitarbeiter zum Austausch ins Ausland gehen können. Das sei „hierarchiefrei“ organisiert worden: „Man kann sich direkt beim Präsidium bewerben.“

Thomsen selbst muss sich am Mittwoch nicht dem neuen viertelparitätischen Wahlkonvent stellen – er wird noch mit der alten Dominanz der Professorinnen und Professoren gewählt. Dass ein nennenswerter Teil der Professoren bei der Wahl seinen Frust über die Viertelparität an ihm auslässt, ist unwahrscheinlich. Das Thema beherrschte die TU schon, bevor er Präsident wurde.

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