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 Steffen Terberl (re.) unterstützt Erfinder an der FU. Der Biochemiker Volker Erdmann (links) ist mit seiner Firma bereits in erste neue Labore im ehemaligen Militärhospital eingezogen. Nach der Sanierung soll es 700 Arbeitsplätze geben.
© Thilo Rückeis

Neues Gründungszentrum der FU Berlin: Erfinder im OP-Saal

Firmen aus der Forschung: Die Freie Universität Berlin will das ehemalige US-Militärhospital in Dahlem zum Gründungszentrum machen. Noch steht der größte Teil des Gebäudes leer, aber in einigen Jahren sollen 700 Arbeitsplätze entstehen.

Dort, wo eines Tages die Wirtschaft im Berliner Südwesten erblühen soll, steht ein weißer Funktionsbau und welkt langsam vor sich hin. Er sieht aus, als wäre er einen Schritt von der Straße zurückgetreten, als wolle er nicht zu sehr auffallen gegenüber der Kulisse der Dahlemer Villen, die ihn umgeben. Der größte Teil des Gebäudes steht seit Jahren leer, die Büros der wenigen Firmen, die untergebracht sind, wirken provisorisch. Im Empfangsbereich stehen ausrangierte Sofas.

Noch blättert die Fassade des US-Militärhospitals

Hier also, im ehemaligen US-Militärhospital in der Fabeckstraße, möchte die Freie Universität (FU) Berlin in Zukunft junge Gründerinnen und Gründer beherbergen, deren Firmen aus der Wissenschaft heraus entstanden sind. Platz für 700 Arbeitsplätze soll es geben, lokale Unternehmen sollen eingebunden werden und Forscher die Möglichkeit bekommen, ihre Ergebnisse in der Praxis zu testen. Jeder, den man fragt, spricht in den höchsten Tönen vom geplanten „Technologie- und Gründungszentrum Südwest“. Doch einzig Gerhard Raetz vermag sich beim Anblick der blätternden Fassade ein modernes Forschungsgebäude auszumalen. Wo andere zugige Fenster spüren, wächst für ihn schon ein Dachgarten. Ein Rundgang mit ihm wirkt durchaus ansteckend.

Es dämmert bereits, als Raetz den kleinen Besichtigungstrupp über den Parkplatz führt und die Eingangshalle betritt, gehalten im kantenlosen Design der Siebzigerjahre. „Hier wird alles offen und etwas repräsentativ, damit man auch mal einen Investor einladen kann.“ Raetz deutet auf eine gelbliche Wand. „Stellen Sie sich große Fenster vor und dahinter die Cafeteria.“ Raetz’ Berliner Firma, die landeseigene IZBM, betreibt bereits Gründerzentren in Adlershof und Charlottenburg. Er weiß, dass die wichtigsten Räume die gemeinsam genutzten sind: Kaffeeküchen, Klos, Kickerflure. Etablierte und Anfänger sollen hier aufeinander treffen, sich Rat holen, vielleicht einen Auftrag rüberschieben. „Man kann ja alles kaufen außer Kontakten“, sagt Raetz.

Schon Studierende wollen "marktfähige Produkte" entwickeln

Aus dem gleichen Grund ist die Nähe zur Universität wichtig. Bei der Gründungsförderung gehört die FU zu den fünf erfolgreichsten Universitäten in Deutschland. Seit 2006 gab es 100 Ausgründungen, 2013 wurde die FU als „Entrepreneurial Network University“ ausgezeichnet. Studierende und Wissenschaftler gewinnen einen Businessplan-Wettbewerb nach dem anderen, doch ihre Firmen ziehen weiter nach Buch oder Adlershof, weil im Berliner Südwesten bislang die passenden Räumlichkeiten fehlen. Der Leiter der Gründungsförderung „Profund“ an der FU, Steffen Terberl, der Raetz gerade durch den ehemaligen OP-Trakt folgt, erzählt, dass Studierende immer häufiger nach studienbegleitenden BWL-Kursen verlangen, weil sie aus ihrer Forschung ein „marktfähiges Produkt“ machen wollen. Terberls Team erklärt ihnen, wie man ein Geschäftsmodell entwickelt und mit Investoren verhandelt. Immer mehr junge Firmen kommen aber aus Bereichen wie den Lebenswissenschaften, in denen Labore und Hochleistungscomputer gebraucht werden. „Die Uni verfügt über technische Infrastruktur, die sich anfangs kein Gründer leisten kann“, sagt Terberl.

Kraftnahrung für die "Hochleistungskuh"

Wie auf ein Stichwort nicken drei junge Frauen, die ebenfalls mit durch das Gebäude schlendern. Es sind zwei Tierärztinnen und eine Biologin, die 2015 gemeinsam die Firma „PerformaNat“ für nachhaltige Futtermittel gründen wollen. Wie bei Ausgründungen üblich, ist ihre Idee bei der Forschung entstanden. Am Institut für Veterinär-Physiologie, wo sie derzeit ihre Laborversuche machen, wird schon länger untersucht, wie herkömmliche Kraftnahrung den Stoffwechsel der „Hochleistungskuh“ zerstört. Mit natürlichen Substanzen wollen die drei nun eine längere und schonendere Nutzung der Tiere ermöglichen. Ohne den Zugang zu Technik und Laboren der Universität hätten die drei nicht einmal die Testphase finanzieren können. „Auch die Anbindung an das Institut ist wichtig, falls es doch mal Fragen gibt“, sagt Katharina Hille, eine der drei zukünftigen Gründerinnen, die zu dem Thema promoviert.

Tatsächlich ist ein Gründerzentrum im Berliner Südwesten seit den 1990er Jahren im Gespräch. An der FU gab es jedoch lange Widerstand, viele waren der Meinung, dass die wirtschaftliche Verwertung von der akademischen Forschung wegführt. Die FU ist natur- und geisteswissenschaftlich orientiert, Technik spielt hier kaum eine Rolle. Das Umdenken begann vor rund zehn Jahren, als Forschungsgelder öfter für anwendungsbezogene Projekte flossen. Gründungen werden seitdem nicht mehr als Einbahnstraße gesehen. Das Wissen, das Doktoranden in Gründerlaboren erwerben, kann auch einen Lehrstuhl bereichern.

Ende 2015 soll der Umbau beginnen

Das alte Klinikgelände ist die einzige größere freie Fläche in Uninähe. Rund 50 000 Quadratmeter umfasst das Grundstück, auf 11 000 sollen Labore und Büros entstehen. Er sei „außerordentlich optimistisch“, dass seine Firma Ende 2015 mit dem Umbau beginnen könne, sagt Raetz. „Im Augenblick warten wir sehnsüchtig auf das Okay des Finanzsenators zur Grundstücksübertragung“. Noch befindet sich die Anlage im Besitz des Liegenschaftsfonds. Doch seit der Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus Mitte Dezember die Übertragung des Grundstücks und den Bau des Zentrums befürwortet hat, ist es für Raetz nur eine Frage der Zeit, bis er das Startzeichen bekommt. Unterstützt wird er etwa vom Berliner SPD-Politiker Raed Saleh, der das Zentrum als „Riesengewinn für Berlin“ bezeichnet. Saleh schreibt es der eigenen Politik zu, dass das Gelände nun nicht an einen privaten Investor mit dem höchsten Preisangebot gehen, sondern nachhaltig genutzt werden soll.

Kontakt über den Flur. Der erste Trakt ist eingerichtet. Vieles andere liegt noch brach.
Kontakt über den Flur. Der erste Trakt ist eingerichtet. Vieles andere liegt noch brach.
© Thilo Rückeis

Bevor die Gründer einziehen können, muss aber noch einiges passieren. Raetz betritt jetzt eine Halle, in der das Licht nicht funktioniert. Handytaschenlampen werden angeknipst, die Lichtkegel wandern über Heizungsrohre und herumstehende Pappwände. „Als die Amerikaner 1994 raus sind, war hier viel Asbest“, sagt Raetz. Der ist inzwischen entfernt. Viele der früheren Labore haben keine Fenster. Drei Lichtschächte will Raetz einbauen, dazu die Innenräume erneuern und alles energetisch sanieren. Er rechnet mit Kosten von 45 Millionen Euro. 90 Prozent sollen von der Infrastukturförderung für regionale Wirtschaft übernommen werden.

Ein emeritierter Professor hat schon jetzt Büros gemietet

Einer, der sich in diesem Halbdunkel zurechtfindet, ist Volker Erdmann. Er ist emeritierter Biochemiker und Leibnizpreisträger und hat vor einem halben Jahr die Erdmann Technologies GmbH gegründet, die „molekulare Scheren“ zur Behandlung von Tumorzellen entwickelt. Schon jetzt hat Erdmann im ehemaligen Krankenhaus Büros gemietet. Er nutzt neue Labore, die das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in einem Seitenflügel eingerichtet hat und die auch eine andere Pharmazeutikfirma nutzt. Um sich mit forschenden Unternehmern auszutauschen, muss Erdmann also nur über den Flur gehen.

Kontakt zu anderen Gründern schätzen auch die zukünftigen Futtermittel-Herstellerinnen. „In so einem Netzwerk herrscht ein anderes Arbeitsklima als am Institut“, sagt Katharina Hille. „In der Wissenschaft sind die Leute skeptisch, da muss man zehnmal beweisen, dass etwas funktioniert. Andere Gründer sagen: Mach doch einfach mal!“ Für die drei könnte der Umbau aber zu spät kommen. Wenn sie in anderthalb Jahren gründen, wird hier noch eine Baustelle sein. Selbst der optimistische Raetz schätzt, dass die ersten Gründer frühestens 2017 einziehen können.

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