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Wissen: Einstein in Not

Zöllner zieht Geschäftsführerin der Stiftung zurück, Wirtschaftsplan im Parlament abgelehnt

Die Einstein-Stiftung ist erneut in großen Schwierigkeiten – personell und finanziell. Am frühen Montagabend erklärte Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD), dass er seine Kandidatin für die Leitung der Geschäftsstelle zurückziehe. Zuvor war bekannt geworden, dass die Lebensgefährtin des Senators künftig die Geschäfte der Exzellenzstiftung führen soll. Der Vorgang ist ein herber Rückschlag für Zöllners Lieblingsvorhaben. Er wiegt umso schwerer, als der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses jetzt auch noch den Wirtschaftsplan der Stiftung für 2010 abgelehnt hat. Die Finanzierung der hochrangigen wissenschaftlichen Projekte, die durch die Stiftung gefördert werden sollen, steht nun auf der Kippe.

Am Montag hieß es zunächst aus der Stiftung, dass die bisherige kommissarische Leiterin der Geschäftsstelle Anne Rühle das Amt auch offiziell übernehmen werde. Zöllner und Akademiepräsident Günter Stock sollen sich als Vorstandsmitglieder nach Bewerbungsgesprächen für Rühle entschlossen haben. Eine pikante Personalie: Denn Rühle, zuvor Zöllners Büroleiterin, ist mit dem Senator liiert.

Zöllner ging in seiner Erklärung auf die persönliche Verbindung Rühles zu ihm ein. Der Senator erklärte: „Persönliche Beziehungen dürfen weder ein Vorteil noch ein Nachteil bei der Besetzung von Stellen sein. Sie (Rühle, die Red.) hatte keinen Vorteil.“ Sie sei als „qualifizierteste Bewerberin in einem transparenten Verfahren“ ausgewählt worden. Er sehe aber die Gefahr, „dass die Diskussion um die Besetzung der Leitung der Geschäftsstelle die Bewerberin beschädigt“ und auch für die Einstein-Stiftung „selbst nachteilig sein kann“. Deshalb „wird Rühle die Stelle nicht besetzen“.

Akademiepräsident Günter Stock bedauert die Absage. Er habe nichts von dem persönlichen Verhältnis Zöllners zu Rühle gewusst, sagt Stock. Aber selbst wenn er darüber informiert gewesen wäre, hätte er sich für Rühle als Geschäftsführerin entschieden – „aufgrund ihrer hohen Qualifikation für diese Position“.

Allerdings soll Rühles Nominierung in der Wissenschaftsverwaltung durchaus umstritten gewesen sein. Sie sei fachlich nicht für die Stelle qualifiziert, hieß es aus dem Umkreis der Verwaltung. Rühle sei weder Wissenschaftlerin noch Verwaltungs- oder Förderexpertin. Für die Position gebraucht werde aber eine profilierte Fachkraft, etwa der Verwaltungschef eines Exzellenzclusters oder eines Sonderforschungsbereichs.

Auch unter den Abgeordneten im Haushaltsausschuss habe die Verbindung deutliche Irritationen hervorgerufen, hieß es – selbst wenn die Beziehung in der Sitzung am vergangenen Mittwoch nicht öffentlich thematisiert wurde. Allerdings kritisierten die Haushälter aller Fraktionen die Gehälter, die für die Beschäftigten der Geschäftsstelle im Wirtschaftsplan vorgesehen sind. Die Geschäftsstellenleitung soll außertarifliche 118 000 Euro erhalten, etwa so viel wie ein Unipräsident. Für eine Sekretärin sind 66 000 Euro vorgesehen. Das seien „stolze Gehälter“, sagte Torsten Schneider, Haushaltsexperte der SPD, auf Anfrage. Allerdings hätte Rühle als Leiterin ihr altes, niedrigeres Senatsgehalt bekommen, hieß es aus der Stiftung. Auch habe sie bisher nicht zu dem hohen Lohn gearbeitet.

Die Abgeordneten monierten in der mehr als einstündigen Diskussion zahlreiche finanzielle Ungereimtheiten. Die Abgeordneten kritisierten vor allem zu hohe Kosten für die Verwaltung der Einrichtung. Auch wurden erneut nicht die gesamten 35 Millionen Euro verplant, die die Stiftung jährlich ausgeben kann. Wie im vergangenen Jahr muss die Stiftung befürchten, dass ihr am Jahresende Geld weggenommen wird. Selbst Sozialdemokraten gehen auf Distanz zu dem Prestigeprojekt ihres Senators. Der SPD-Haushälter Schneider drohte im Ausschuss: „Wir haben die Stiftung eingerichtet, wir können sie auch wieder plattmachen“, wie er auf Anfrage bestätigte. Die SPD-Fraktion will sich demnächst mit dem Thema beschäftigen.

Für die Geschäftsstelle seien mehr als 800 000 Euro angesetzt, sagt Schneider – „viel zu viel“. Vereinbart worden sei, dass die Verwaltung allein aus dem Zinsertrag bezahlt wird, der mit dem Stiftungskapital erwirtschaftet wird. Bei der Gründung der Stiftung hatte der Senat fünf Millionen Euro als Grundstock für die Stiftung beiseitegelegt. Nach dieser Vereinbarung dürfte die Verwaltung höchstens 250 000 Euro kosten, sagt Schneider.

„Der Senator schafft es nicht, das Geld treffsicher für die Wissenschaft auszugeben“, kritisiert das FDP-Hauptausschussmitglied Sebastian Czaja. Für „völlig pervers“ hält es der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Oliver Schruoffeneger, dass die Universitäten laut Wirtschaftsplan sogar 200 000 Euro Verwaltungsgebühren an die Stiftung zahlen sollen. Es sei zudem fragwürdig, dass die Stiftung sechs Millionen Euro noch gar nicht verplant habe, sagt Jutta Matuschek, haushaltspolitische Sprecherin der Linken. Politiker aller Parteien werfen der Stiftung vor, ihr Finanzgebaren sei intransparent. Sie entziehe sich somit der parlamentarischen Kontrolle. „Das darf bei so viel Staatsgeld einfach nicht sein“, sagt Schneider. Die Abgeordneten kritisieren zudem, dass die Einstein-Stiftung bisher anders als versprochen gar keine Spenden für die Berliner Wissenschaft eingesammelt habe. Die Opposition fordert jetzt, die Einstein-Stiftung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die CDU verlangt eine Sonderprüfung durch den Rechnungshof.

Am Montagmittag hatte Anne Rühle auf Anfrage noch versucht, die Vorwürfe zu entkräften. Als der Wirtschaftsplan im vergangenen Herbst aufgestellt wurde, seien die Grundlagen nicht überschaubar gewesen. Der Plan werde bis zum Ende der Sommerpause überarbeitet, die Verwaltungskosten würden deutlich geringer ausfallen. Im vergangenen Herbst sei sie auch davon ausgegangen, einen neuen Leiter für die Geschäftsstelle auf dem freien Markt rekrutieren zu müssen. Die 118 000 Euro seien für notwendig erachtet worden, um einem mit A 16 besoldeten Beamten auch als Angestellten seinen bisherigen Nettolohn bieten zu können.

Unterdessen spitzt sich der Konflikt zwischen Zöllner und Finanzsenator Ulrich Nußbaum um die Stiftung zu. Nußbaum hatte den Kollegen bereits düpiert, indem er den für ihn vorgesehenen Sitz im Vorstand abgegeben hat. Die Finanzverwaltung hat sich nach Tagesspiegel-Informationen nun auch geweigert, den Wirtschaftsplan für die Stiftung mit zu unterschreiben – mit denselben Argumenten wie die Abgeordneten.

Die Grünen prüfen inzwischen, ob sie eine Strafanzeige wegen Untreue und Betrug stellen, weil die Wissenschaftsverwaltung gegen die Vorschriften des Haushaltsrechts verstoßen habe. Das kündigte Schruoffeneger an. Es gehe nicht an, dass ohne einen genehmigten Wirtschaftsplan Geld an die Stiftung geflossen seien. Der Hauptausschuss beschäftigt sich im September wieder mit der Einstein-Stiftung.

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