Internationaler Leberkongress 2014: Eine neue Ära im Kampf gegen Hepatitis C
Die Therapie wird immer wirkungsvoller, schonender und schneller. Nun hat die WHO auf dem Leberkongress eine erste Leitlinie zu der Infektion vorgestellt.
Trotz aller Fortschritte kommt es in der Medizin nicht oft vor, dass sich die Ereignisse überschlagen: Innerhalb kurzer Zeit wurden gleich mehrere Medikamente gegen Hepatitis C zugelassen, die schneller und schonender als ihre Vorgänger sind. Außerdem helfen sie mehr Patienten. Die Reaktionen seriöser Experten sind fast euphorisch: „Wir ernten die Früchte jahrzehntelanger Forschung“, sagte kürzlich der Leberspezialist Michael Manns von der Medizinischen Hochschule Hannover und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.
Gerade 25 Jahre ist es her, dass das Hepatitis-C-Virus identifiziert wurde. Es folgten Therapien mit Spritzen und Tabletten, um die Viren aus dem Körper zu vertreiben. Schließlich rufen sie sonst Leberentzündungen, Vernarbungen und Leberkrebs hervor. Im schlimmsten Fall hilft nur noch eine Lebertransplantation. Heilung wurde möglich – allerdings nicht für alle. Und der Preis war hoch: Die Behandlung dauerte bis zu eineinhalb Jahre und hatte heftige Nebenwirkungen. Viele Patienten litten unter grippeähnlichen Symptomen und Depressionen.
Das ändert sich nun. „Allein in den letzten Monaten war die Entwicklung neuer Therapien so erfolgreich, dass Experten schon eine Ära ausrufen, in der alle Patienten geheilt werden können. Sie diskutieren sogar, ob eine Ausrottung möglich ist“, war im Fachblatt „Lancet“ zu lesen.
Die WHO-Leitlinie zu Hepatitis C wurde auf dem Internationalen Leberkongress vorgestellt
Ähnlich sieht es die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Fortschritte sind derart groß und das Virus, mit dem weltweit rund 150 Millionen Menschen chronisch infiziert sein sollen und dem immer noch jedes Jahr mindestens 350 000 Menschen zum Opfer fallen, ist so bedeutend, dass die WHO eine erste Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Hepatitis C herausgegeben hat. Sie wurde am Mittwoch beim Internationalen Leber-Kongress in London vorgestellt.
Die WHO wendet sich mit ihren Empfehlungen an politische Entscheider, medizinische und gesellschaftliche Akteure aller Länder. Sie möchte Grundlagen für den bestmöglichen Umgang mit der Krankheit schaffen, die wie HIV und Hepatitis B über das Blut übertragen wird. Alle sollen Zugang zu den Ribavirin-Tabletten und Interferon-Spritzen haben, wenn sie sie brauchen. Zusätzlich – und je nach Virusvariante auch ohne das belastende Interferon – sollen die neuen Medikamente zum Einsatz kommen. Ihnen ist eines gemeinsam: Die „direct acting antivirals“ (DAA) greifen direkt in den Lebenszyklus des Hepatitis-C-Virus ein und stoppen seine Vermehrung. Sie wirken viel spezifischer als ihre Vorgänger.
Zwei von diesen Substanzen sind seit drei Jahren auf dem Markt: Boceprevir und Telaprevir. Ein drittes, Sofosbuvir, wurde gerade in Europa zugelassen. Sie bekämpfen besonders gut den hartnäckigen Genotyp 1 des Virus, gegen den die bisherige Standardtherapie öfter versagte als bei den Genotypen 2 oder 3. Die Zulassung weiterer DAA wie Simeprevir und Daclatasvir steht unmittelbar bevor. Eine Reihe teilweise noch namenloser Substanzen wird in Studien getestet. Internationalen Experten werden die WHO-Empfehlungen deshalb in kurzen Abständen aktualisieren, nationale Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten handhaben es ebenso. Die besser verträglichen, kürzeren und wirkungsvolleren Therapien sollen möglichst schnell bei den Patienten ankommen.
Die neuen Tabletten gegen Hepatitis C sind extrem teuer
Die volle Pipeline hat auch einen Nachteil. Den Firmen bleibt wenig Zeit, bevor die Konkurrenz noch bessere Pillen vermarktet. Entsprechend teuer sind die neuen Medikamente – pro Patient kommen rasch Kosten von mehreren 10 000 Euro zusammen. Aber nur einer von zehn Infizierten lebt in einem reichen Land, merkt die WHO besorgt an: „Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung, um den Preis zu senken.“ Als Vorbild könnte der dramatische Preissturz für HIV-Medikamente dienen.
Weil die Infektion meist jahrelang keine Beschwerden verursacht, bleibt sie nach wie vor oft unentdeckt. Einen Impfstoff gibt es nicht, anders als gegen die klassische „Gelbsucht“ Hepatitis A und gegen die Hepatitis B. Die WHO empfiehlt deshalb, bei Risikogruppen nach Antikörpern zu suchen. Dazu gehören zum Beispiel Drogenabhängige und Menschen, die verunreinigte Blutkonserven oder Injektionen bekommen haben könnten. Fällt der Test positiv aus, folgen weitere Untersuchungen. Die Heilungschancen sind gestiegen. Nun soll Hepatitis C auch öfter entdeckt und behandelt werden.
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