UV-Strahlung: Durch Ozonverlust droht früher Sonnenbrand
Noch nie wurden im Nordpolargebiet so niedrige Ozonwerte gemessen wie in diesem Frühjahr. Etwa die Hälfte des Ozons ist zerstört, berichten europäische Forschungseinrichtungen. Sonnenstrahlen können daher schneller Schaden anrichten.
Der große Ozonschwund führt dazu, dass verstärkt energiereiche UV-B-Strahlung auf die Erdoberfläche trifft. Das könne bei empfindlichen Menschen und Kleinkindern innerhalb von Minuten zu einem Sonnenbrand führen, warnt die Welt-Meteorologie-Organisation. In den nächsten Tagen und Wochen können ozonarme Luftschichten auch Deutschland erreichen, teilt der Deutsche Wetterdienst mit und rät, Sonnenschutz aufzutragen.
Bisher endeten Messkampagnen der Stratosphärenphysiker stets mit der beruhigenden Aussage, dass es über der Arktis zu Jahresbeginn zwar auch einen verringerten Ozongehalt gibt, aber kein stabiles Ozonloch wie über der Antarktis. Der Grund: Im Norden bildet sich selten ein geschlossener Luftwirbel, der um den Pol herumführt und so die Zufuhr neuen Ozons bremst. Im Winter hatte sich aber eine solche Situation ergeben, so dass die kalte Luft der Stratosphäre – einer Luftschicht oberhalb von zehn Kilometern – eingekreist blieb. Ob der Ozonverlust in diesem Jahr die Qualität eines „Lochs“ erreicht, wollen die Experten erst nach der endgültigen Datenauswertung beurteilen.
An der arktischen Ozonmessung sind 30 Stationen beteiligt. Koordiniert wird das internationale Programm von der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI). Dort wurde eine spezielle Methode entwickelt, das „Match-Verfahren“. Dabei wird ein und dasselbe „Luftpaket“ an verschiedenen Orten mit Ballonsonden durchflogen und die Messwerte anschließend verglichen. Die Bewegungsbahnen des Luftpakets errechnet das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage in Reading, Großbritannien. Auf diese Weise kann nicht nur erkannt werden, unter welchen Bedingungen welche Verluste des Ozongehalts auftreten. Zudem konnte erstmals zweifelsfrei der Anteil des vom Menschen verursachten Ozonverlustes bestimmt werden.
Die Auswertungen ergaben, dass die Ozonzerstörung immer noch zum größten Teil auf die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zurückzuführen ist. Deren Produktion wurde 1987 weltweit verboten, aber das Spurengas ist sehr langlebig. Die Abbauprodukte des FCKW docken an Eiskristallen und Aerosolen (Schwebeteilchen) einer besonderen Wolkenform an. Bei Stratosphärentemperaturen unter minus 78 Grad Celsius wird dann, sobald die Frühjahrssonne scheint, in einem photochemischen Prozess reaktives Chlor freigesetzt, das den Abbau des Ozons beschleunigt.
„Die aktuelle Entwicklung kann durchaus mit der Klimaerwärmung zusammenhängen“, sagt AWI-Forscher Markus Rex. „Steigende Treibhausgaskonzentrationen halten die Wärmestrahlung der Erde in tieferen Luftschichten zurück und erwärmen diese. In die darüberliegende Stratosphäre gelangt weniger wärmende Strahlung, dort kommt es zu einer stärkeren Abkühlung, was den Ozonabbau befördert.“ Zwar gab es seit Mitte des letzten Jahrhunderts weniger kalte Winter, aber wenn ein Kälteeinbruch erfolgt, hat er umso drastischere Folgen, wie nun zu sehen ist.
Derzeit bewegen sich die ozonarmen Luftschichten in Richtung Russland. Aber Ausläufer dieser Strömung können auch Mitteleuropa erreichen. Allerdings werde der Ozonschwund befristet sein, sagt Rex. Auch wird die erwartete stärkere UV-Strahlung in dieser Zeit immer noch in dem Bereich liegen, dem wir ohnehin im Hochsommer ausgesetzt sind. „Das Problem ist, dass viele Menschen so früh im Jahr nicht mit einem starken Sonnenbrand rechnen.“ Deshalb sei besondere Vorsicht geboten.
Gert Lange
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