Drei Wissenschaftler, drei Ansätze, ein Virus: Drei Forscherleben für den Kampf gegen eine stille Epidemie
Der Medizin-Nobelpreis ist der Bekämpfung einer Infektionskrankheit gewidmet, die auch ohne Impfstoff besiegt werden kann.
Die Wissenschaftler Harvey J. Alter, Michael Houghton und Charles M. Rice wurden "für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus" mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet. Alle drei haben ihr Arbeitsleben dem Kampf gegen Infektionskrankheiten gewidmet, jeder fand seinen eigenen Weg.
Medizin der Blutspende
Der Mediziner Harvey J. Alter hat am 12. September seinen 85. Geburtstag gefeiert. Er wurde 1935 in New York geboren. Schon früh in seiner Karriere kümmerte er sich um die Erreger von Leberentzündungen. Er war Mit-Entdecker des sogenannten „Australia-Antigens“ (so genannt, weil es erstmals im Blut eines Aborigines nachgewiesen worden war). In wissenschaftlicher Terminlogie HBsAg genannt, ist es ist ein wichtiger Teil des Hepatitis-B-Virus, das auf eine Infektion mit dem Erreger hinweist. Alter entwickelte bald darauf Methoden mit, die dafür sorgten, dass Blutkonserven sicher auf Hepatitis A und B getestet werden konnten. Das löste eines der großen Probleme der Transfusionsmedizin.
Denn zuvor hatte das Risiko, den Empfänger zu infizieren, bei etwa 30 Prozent gelegen. Trotzdem traten nach Transfusionen weiterhin gelegentlich Leberentzündungen auf. Alter war bald sicher, dass es noch eine weitere Form der Hepatitis geben musste. 1989 erschienen in „Science“ zwei Fachartikel, die die Existenz des neuen „Non-A-non-B-Hepatitis“-Virus bestätigten. Seither heißt der Erreger Hepatitis C. Alter ist nach wie vor in leitender Funktion im Bereich Infektionskrankheiten an den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, Maryland, aktiv. Als das Telefon bei ihm gestern morgen um 4.45 Uhr Ostküstenzeit klingelte, habe er gedacht, was denn zum Teufel los sei, sagte Alter in einem Telefonat, das am Montag auf dem Twitter-Account der Nobelpreise veröffentlicht wurde. Auch als es fünf Minuten später erneut klingelte, habe er nicht abgenommen. „Beim dritten Mal bin ich dann wütend aufgestanden, um ranzugehen – dann war Stockholm dran, das war eine verrückte Erfahrung.“ Es sei etwas, „von dem du denkst, dass es niemals passieren wird“. Und dann passiere es doch, und auch noch „in diesem verrückten Covid-Jahr, in dem alles ohnehin auf den Kopf gestellt worden ist“.
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Nicht A, nicht B, C
Der Biochemiker und Virologe Michael Houghton, geboren im Jahr 1949 in England, stammt aus einer Arbeiterfamilie. Sein Vater war Lastwagenfahrer und Gewerkschaftsführer. Houghton war ein guter Schüler, wurde mit 15 Jahren auf einer Privatschule aufgenommen und absolvierte dann die Prüfungen von Oxford und Cambridge. Er entschied sich aber für die University of East Anglia, weil ihm das Biologieprogramm dort mehr zusagte. Houghton wurde 1977 am King’s College London promoviert. 1982 wurde der Virologe Leiter der Non-A-non-B-Hepatitis-Abteilung bei dem Pharmaunternehmen Chiron. 2010 wechselte Michael Houghton an die Universität von Alberta und hat dort derzeit ein Canada Excellence Research Lehrstuhl für Virologie und die Li Ka Shing-Professur der Virologie an der University of Alberta inne. Dort ist er auch Direktor des Li Ka Shing Instituts für angewandte Virologie.
Nachdem Daniel Bradley Anfang der 1980er Jahre das Hepatitis-C-Virus – damals noch „Non-A, Non-B“ genannt – aus Schimpansen-Serum isolierte, konnte Houghton es zusammen mit Bradley bei Chiron in Teilen klonieren und einen Test entwickeln, der mit Beginn der 1990er Jahre eingesetzt wurde. Damit war es möglich geworden, Blutkonserven auf den Leberzirrhose und Leberkrebs hervorrufenden Erreger zu testen.
Houghton erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, etwa 1993 den Robert-Koch-Preis mit Daniel W. Bradley und Hans-Georg Rammensee. 1992 bekam er mit Qui-Lim Choo und George Kuo aus seinem Team und anderen den Karl Landsteiner Memorial Award der American Association of Blood Banks. Außerdem erhielt er 1994 den William Beaumont Prize der American Gastroenterological Association. Für 2013 wurde ihm ein Canada Gairdner International Award zugesprochen, den er aber ablehnte, weil seine Kollegen Choo und Kuo nicht ebenfalls ausgezeichnet wurden.
Stoff für Untersuchungen
Der Biochemiker Charles Rice wurde im Jahr 1952 in Sacramanto in Kalifornien geboren. Er studierte Biochemie am California Institute of Technology, wo er 1981 promovierte und bis 1985 weiter forschte. Danach arbeitete er für 14 Jahre an der medizinischen Fakultät der Washington University in St. Louis, wo er sich auf Retroviren spezialisierte. Diese Viren tragen anstelle des Erbgutmoleküls DNA deren zelluläre Arbeitskopie aus der Substanz RNA. Im Genom des Hepatitis-C-Virus fokussierte er sich auf eine Region an einem Ende des kettenförmigen Moleküls. Ihre Funktion für die Vermehrung des Virus war bis dahin ungeklärt. Rice vermutete, dass genetische Variationen, die er bei anderen isolierten Viren fand, ihre Vermehrung hemmten. Er stellte eine RNA-Variante her, die die Region enthielt, aber keine der hemmenden Variationen aufwies.
Diese erwies sich in Tierversuchen mit Schimpansen als voll funktionstüchtige Virusvariante. Nach Injektionen in die Leber konnte das Virus im Blut nachgewiesen werden und die Tiere entwickelten Symptome, wie sie auch beim chronischen Verlauf der Erkrankung beim Menschen auftreten. Damit war erstmals bewiesen, dass das Virus allein das Krankheitsbild Hepatitis hervorrufen und die Fälle der Erkrankung nach Bluttransfusionen erklären konnte.
Rice wechselte im Jahr 2001 an die Rockefeller University in New York, wo er ein interdisziplinäres Forschungszentrum für Hepatitis-C leitet. Im Jahr 2015 wurde er gemeinsam mit dem Virologen Ralf Bartenschlager von der Universität Heidelberg für Beiträge zum Verständnis des Lebenszyklus der Hepatitis-C-Viren mit dem Robert-Koch-Preis ausgezeichnet. Auf Basis dieser Forschung wurden Angriffspunkte für die medikamentöse Behandlung gefunden und die Möglichkeit geschaffen, das Virus in Zellkulturen zu vermehren. Damit war die Voraussetzung für weitere Grundlagenforschung geschaffen, in der Wirkstoffe getestet werden können. In seinem Labor an der Rockefeller University überträgt seine Arbeitsgruppe diese Erkenntnisse auch auf die Suche nach möglichen Wirkstoffen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2.
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