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Die vier Uni-Präsidenten in der TU bei der Präsentation der Studie.
© Jacek Ruta/TU Berlin

Hochschul-Forderungen nach mehr Geld: DIW-Studie: Berliner Unis bringen mehr ein als sie kosten

Berlins Unis sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Allein die Studierenden konsumieren im Jahr für eine Milliarde Euro, belegt eine Studie.

In den Augen des typischen Berliner Finanzsenators sind die Unis der Stadt schwarze Löcher, in denen Steuern in aberwitzigen Höhen verschwinden. Sollte auch der jetzige Amtsinhaber Ulrich Nußbaum (parteilos) so denken, könnte ihn jetzt eine Studie eines Besseren belehren. Das hoffen jedenfalls die Uni-Präsidenten. Berlins Unis generieren Geld, lautet ihre Botschaft. Für jeden Euro, den das Land für seine Unis ausgibt, spielen sie zwei Euro ein. Das ist das Ergebnis einer Studie, die DIW econ, das Consulting-Unternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), im Auftrag der vier Berliner Universitäten erstellt hat.

Aus dem Landeszuschuss des Jahres 2011 von 840 Millionen Euro erwirtschafteten die Unis 1,7 Milliarden Euro, heißt es dort. Neben solchen direkten ökonomischen Impulsen erzeugen die Unis „langfristige Effekte für die Reputation und die Anziehungskraft von Berlin“, sagte Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität am Dienstag. Nicht zuletzt bewirkten die Unis „kulturellen und sozialen Fortschritt“. Olbertz präsentierte die Studie an der TU gemeinsam mit den Präsidenten der anderen drei Unis.

Der Anlass: Berlins Hochschulen befinden sich in der heißen Phase der Verhandlungen über ihre Zuschüsse für die Jahre 2014 bis 2017 mit dem Senat. In den kommenden zwei bis drei Wochen erwarten sie die Entscheidung. Laut Martin Rennert, der Universität der Künste (UdK), drängt die Zeit. Die Uni müsse schnell ihren Haushalt aufstellen.

Die Lage ist schwierig. Zwar fordern die Hochschulen zusätzliche Mittel nur, um die steigenden Kosten für Energie und Personal bewältigen zu können und nicht etwa für eine bessere Qualität von Lehre und Forschung. Doch selbst die Finanzierung des Status quo würde einen Aufwuchs um zusätzliche 147 Millionen Euro im Jahr 2017 bedeuten, also einem Plus von 3,8 Prozent entsprechen. Das ist erheblich mehr als der Zuwachs, um den der Haushalt des Landes Berlin laut Koalitionsvertrag wachsen darf: um 0,3 Prozent. Darum betonen die Präsidenten jetzt den Wert der Unis für die Region.

Die knapp 1,7 Milliarden Euro, die Berlin aus seinem Zuschuss an die Unis einspielt („Bruttowertschöpfung“), ergeben sich zu 78 Prozent aus der Nachfrage der Unis nach Gütern, Dienstleistungen und Beschäftigten. Hier legten die Unis zwischen 2009 und 2011 um vier Prozent zu (siehe Grafik). Die Unis sind „ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Berlin“, folgert die Studie. An den vier Unis arbeiten demnach rund 14 400 Menschen. Der restliche Teil der Wertschöpfung ergibt sich der Studie nach aus dem Konsum der inzwischen 96 000 Uni-Studierenden von rund einer Milliarde Euro. Rund 10 400 Arbeitsplätze hängen laut Studie „von den Nachfrageimpulsen der Universitäten in der Berliner Wirtschaft“ ab. Die insgesamt 24 800 von den Unis abhängigen Arbeitsplätze bringen demnach Steuern von rund 118 Millionen Euro ein.

Auch die Fachhochschulen und deren Studierende kurbeln Berlins Wirtschaft an. Doch ihren Einfluss hat die Studie nicht untersucht – die Unis treten während der Verhandlungen um neue Hochschulverträge als eigene Gruppe auf. Bei den Verhandlungen vor vier Jahren gingen die Interessen von Unis und Fachhochschulen weit auseinander. Wie stabil die momentan öffentlich zur Schau gestellte Harmonie zwischen den vier Unis ist, wird sich zeigen, wenn das Ringen um deren jeweilige Budgets beginnt.

Die Unis berufen sich auch auf ihre ständig steigenden Einnahmen aus Drittmitteln, die sie zusätzlich zum Landeszuschuss im Wettbewerb von außen einwerben. Zwischen 2009 und 2011 stiegen diese um 18 Prozent und machten ein Drittel der Uni-Einnahmen aus. Die Uni-Präsidenten können auch auf den Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verweisen: Dort liegt Berlins Wissenschaft „deutlich an der Spitze der deutschen Regionen“.

Die Forschungsstärke der Unis führt dazu, dass Berlin für die außeruniversitäre Forschung besonders attraktiv ist, sagte FU-Präsident Peter-André Alt sagte. Von 86 Leibniz-Instituten sind 14 in Berlin angesiedelt. Die Helmholtz-Gemeinschaft hat drei Institute in Berlin, die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer Gesellschaft je sieben. Während Berlin einen Anteil für die von Bund und Ländern finanzierte Forschung von 3,1 Prozent trägt, holen Berlins Unis und seine außeruniversitären Einrichtungen 8,9 Prozent der von Bund und Ländern finanzierten Vorhaben in die Hauptstadt.

Die Studie sieht noch weitere wirtschaftliche Impulse – wenn diese auch nicht exakt berechnet werden könnten. So waren die vier Universitäten im Jahr 2011 an acht Firmen beteiligt, die größtenteils in der Technologievermarktung tätig waren. Diese Firmen hätten direkt oder indirekt 170 Arbeitsplätze geschaffen und eine „regionale Wertschöpfungskette in Höhe von 10,6 Millionen Euro“ ausgelöst. Weiter seien in eng mit den Universitäten verbundenen An-Instituten 400 Mitarbeiter beschäftigt gewesen.

Bedeutend sind aber besonders die Ausgründungen. Zwischen den Jahren 2006 und 2012 seien 470 Unternehmen aus den Unis heraus gegründet worden. Diese beschäftigten rund 17 000 Mitarbeiter, darunter mehr als 8600 in Berlin. Die Studie nimmt auch „langfristige wirtschaftliche Effekte“ der Unis für die Region an, „etwa durch eine Erhöhung der Standortqualität für Unternehmen, durch die Generierung von Wissenskapital und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der regionalen Wirtschaft“. Würde man die Effekte der außeruniversitären Institute sowie der Ausgründungen und Beteiligungsunternehmen hinzunehmen, „so ergäbe sich ein noch positiveres Bild“ über die Impulse der Unis, heißt es in der Studie.

Was wäre, wenn die Berliner Politik an den hohen Studierendenzahlen festhält, den Unis ihre steigenden Kosten aber trotzdem nicht ersetzen will? Er könne sich die Argumente von dort schon vorstellen, sagte TU-Präsident Jörg Steinbach. Die Universitäten könnten ja ihre Kosten drücken, indem sie Dozenten mit sehr hohem Lehrdeputat beschäftigen, werde es heißen: „Aber dann müssten wir Forschungskapazitäten abbauen. Damit würden wir genau das gefährden, was die Studie beschreibt.“ Da die Uni-Präsidenten nicht massenhaft „Lehrknechte“ einstellen wollen, die kaum Zeit zum Forschen haben, wäre ihnen der Abbau von Studienplätzen lieber. Steinbach rechnete vor: Sollten nur zehn Millionen Euro gespart werden müssen, würde das der Vernichtung von 3000 Studienplätzen entsprechen.

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