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Christian Thomsen, Präsident der TU Berlin.
© TU Berlin/David Ausserhofer

30 neue IT-Professuren für Berlin: "Digitalisierung an den Unis stärken"

In Berlin sollen 30 neue IT-Professuren eingerichtet werden. TU-Präsident Christian Thomsen erklärt im Interview, was erforscht werden soll - und wie sich auch die Lehre ändern muss.

Herr Thomsen, in Berlin sollen im Rahmen der Digitalstrategie für die Stadt 30 neue Professuren im IT-Bereich eingerichtet werden. Was versprechen Sie sich davon?

Das Thema Digitalisierung soll in der Forschung gestärkt werden, und zwar im weitesten Sinne. Einiges sind sicher Hardcore-IT-Fragen. Etwa: Wie muss man Maschinen programmieren, damit sie untereinander kommunizieren? Oder: Wie geht man mit den massenhaft vorhandene Daten um, so dass man sie konstruktiv nutzen kann? In der Medizin wird man anhand von Patientendaten neue Behandlungsmethoden entwickeln können.

Was sind weniger klassische IT-Themen, die erforscht werden sollen?

Ich denke an Internet und Recht. Um bei der Medizin zu bleiben: Wann braucht man die Einwilligung von Patienten, wenn sie ihre Daten zur Verfügung stellen? Das sind ethische und juristische Fragen, die durch Professuren im Land Berlin bisher nicht abgedeckt sind. Ein anderes Beispiel ist die digitale Lexikographie. Der Duden wird nicht mehr neu aufgelegt, da es sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Dennoch ist das lexikographische Wissen um Sprache sehr wichtig. Das sind auch Linguisten gefordert.

Wird auch E-Government erforscht, wo es um die Verbesserung von Verwaltungsabläufen geht? Berlin hat dabei großen Nachholbedarf.

Das wird ein Thema der digitalen Strategie sein, aber nicht in erster Line bei den einzurichtenden Professuren. Aus meiner Sicht handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Fragestellung, sondern mehr um eine Umsetzung- und Bereitschaftsfrage. Der Rückstand der Verwaltungseinheiten in Berlin ist so hoch, dass es schon ein großer Gewinn für alle wäre, wenn sie auf das aktuell mögliche Niveau gebracht würden.

Bei den Professuren handelt es sich durchgehend um Juniorprofessuren. Warum?

Das hat damit zu tun, dass die Finanzierung zu großen Teilen aus der Wirtschaft kommen soll. Gedacht ist an folgenden Schlüssel:  Zwei Drittel private Mittel und ein Drittel Geld vom Land. Juniorprofessuren haben den Vorteil, dass sie zunächst für sechs Jahre befristet sind. Für längere Zeiträume würde man von Firmen keine Geldzusagen bekommen. Wir veranschlagen dabei pro Professur insgesamt 100 000 Euro pro Jahr. Die Juniorprofessuren werden jetzt an allen Hochschulen der Stadt eingerichtet. Dabei sollen sie nach inhaltlichen Kriterien, also anhand der vorhandenen Disziplinen der jeweiligen Hochschule, angesiedelt werden. Industrie 4.0 ist sicher ein Thema für die TU, Internet und Recht passt dagegen eher an eine andere Universität. Die Fachhochschulen sollen ebenso beteiligt werden wie die Universität der Künste.

Was passiert nach sechs Jahren?

Es ist daran gedacht, zumindest einen Teil der Professuren danach zu verstetigen.

Haben die Firmen ihre Finanzierung an Bedingungen geknüpft?

Die Unternehmen haben sicher Interesse an vielen Fragen, aber sie haben keinen direkten Einfluss auf das, was erforscht wird. Noch sind wir am Einsammeln der Mittel. Denkbar und wünschenswert ist, dass sich Mittelstandsfirmen zusammentun und zu dritt oder zu viert eine Professur finanzieren. Gerade für den Mittelstand sind die Herausforderungen der Digitalisierung enorm wichtig. Diese Firmen wissen aber oft nicht, wie sie die angehen sollen. Das können wir hoffentlich ändern.

Mit neuen Professuren wird es auch mehr Kapazitäten in der Lehre geben. Wie wollen Sie mehr Studierende in der Informatik anlocken? Tendenziell mangelt es da eher an Interessenten, das Fach ist in Berlin deswegen NC-frei.

Es ist richtig, dass das Fach an der TU Berlin NC-frei ist. Wir haben zwar sehr viele Anfänger, aber die Nachfrage in der Wirtschaft ist nochmal größer. Mit den zusätzlichen Professuren können wir jedenfalls mehr Studierende betreuen. Hoffentlich erkennen viele Studieninteressierte Digitalisierung als Chance und entscheiden sich für das Fach. Ich könnte mir auch vorstellen, dass neue Studiengänge eingeführt werden. Eine Idee wäre ein Studiengang „Automatisieren in der Industrie“, der auf die Anforderungen der Industrie 4.0 vorbereitet. Das braucht aber seine Zeit.

Muss sich die Lehre in den traditionellen Ingenieurstudiengängen im Zuge der Digitalisierung ebenfalls ändern?

Natürlich. Ob man nun neue Studiengänge auflegt oder Ingenieurstudiengänge stärker mit Informatikinhalten verbindet, wird sich zeigen. Der Maschinenbau wird auch noch internationaler werden müssen, etwa durch die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen. Wer in der Produktion erfolgreich sein will, muss auch Sprache, Kultur und Geschichte von wichtigen Industrieländern kennen. Da denke ich beispielsweise an China.

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