Hepatitis C: Die stille Seuche
Eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus bleibt oft lange unerkannt. In den USA wird nun erwogen, ganze Jahrgänge zu testen.
Wenn in den letzten Wochen über Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Spenderorganen, über die Schwierigkeiten des Hirntod-Kriteriums und die veränderte Lösung bei der Zustimmung zur Organspende gestritten wurde, dann ging es nicht zuletzt um sie: Um Menschen mit der chronischen Krankheit Hepatitis C. Jede vierte der rund 1200 Lebern, die in Deutschland Jahr für Jahr transplantiert werden, bekam einer von ihnen. Jemand, den die Langzeit-Infektion besonders schlimm erwischt hatte.
Trotzdem ist Hepatitis C eine Form der Leberentzündung, von der man selten hört. Es gibt bei ihr kaum heftige Verläufe mit Gelbsucht wie bei der Hepatitis A, die viele von einer Fernreise mitbringen. Sie wird wesentlich seltener beim Geschlechtsverkehr übertragen als Hepatitis B, obwohl auch hier Blut der Überträger ist. Dass die Mutter ihr Neugeborenes ansteckt, kommt ebenfalls nicht oft vor.
Bis 1988 hatte Hepatitis C nicht einmal einen Namen. Im Ausschlussverfahren wurde sie „Non-A-Non-B-Hepatitis“ genannt – bis der Erreger dank molekularbiologischer Methoden gefunden wurde. Doch eine Impfung gegen den wandlungsfähigen Erreger gibt es nicht.
400 000 bis 500 000 Menschen sind in Deutschland laut Robert-Koch-Institut mit dem Virus infiziert, die meisten seit vielen Jahren. Denn in zwei von drei Fällen schafft es das Immunsystem nicht, das Virus wieder vor die Tür zu setzen. Trotzdem bekommt nur eine Minderheit ein paar Wochen später Fieber und Schüttelfrost. Bis zu 80 Prozent der Betroffenen merken nichts oder kaum etwas von der Neuinfektion. Bei ihnen kommt die Hiobsbotschaft Jahre später aus dem Labor. Im schlimmsten Fall, wenn die Leber schon deutlich angegriffen ist.
Denn vor allem in dem gut durchbluteten Entgiftungsorgan setzen sich die Viren fest, die Entzündung führt hier zu Vernarbungen. Ein Viertel der chronisch Hepatitis-C-Infizierten bekommt nach Jahrzehnten eine Leberzirrhose. Das kann bis zum Leberversagen führen, die Betroffenen erkranken außerdem deutlich häufiger an Leberkrebs. Oft bleibt nur die Transplantation einer gesunden Spenderleber als letzter Ausweg.
Nun hat sich die amerikanische Seuchenbehörde CDC (Centers for Disease Control) dafür ausgesprochen, alle Amerikaner der Jahrgänge 1945 bis 1965 mindestens einmal im Leben auf Hepatitis C zu testen. Ihre neuen Leitlinien wurden im Informationsdienst „Morbidity and Mortality Weekly Report“ veröffentlicht. Die Babyboomer machen ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung aus. Unter ihnen seien drei Viertel aller Hepatitis-C-Fälle zu finden, heißt es in der Begründung. Bisher hatten Screening-Programme sich auf besondere Risikogruppen wie Drogenabhängige beschränkt. Dass sie dort etwas bringen, zeigen vor allem Untersuchungen aus Frankreich.
Der eine Weg, auf dem sich die geburtenstarken Jahrgänge vor Jahrzehnten angesteckt haben könnten, sind Transfusionen von Blut und Blutprodukten oder die Blutwäsche (Dialyse). Seit der Erreger bekannt ist, sind die verwendeten Blutprodukte und Geräte in den Industrienationen aber wahrscheinlich „sauber“. Der andere Weg ist das Spritzen von Drogen mit verunreinigten Nadeln. Sie ist heute die häufigste Ursache für eine Übertragung. Seit 2005 sinkt in den USA die Zahl der Erstdiagnosen. Beim Test wird nach Antikörpern gesucht, die der Organismus gegen das Virus gebildet hat. Sind sie vorhanden, wird geprüft, ob sich das Virus selbst noch im Körper tummelt.
Bei großen Teilen der Bevölkerung – und nicht allein bei besonderen Risikogruppen – nach Hepatitis-C-Viren zu fahnden, lohnt sich nur, weil die Behandlung Fortschritte macht. „Die chronische Hepatitis C ist inzwischen besser heilbar“, urteilt Michael Roggendorf, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis-C-Viren an der Uniklinik Essen. Grund sind zwei Arzneimittel, die seit letztem Sommer verfügbar sind. Deren Wirkstoffe Telaprevir und Boceprevir greifen das Virus direkt an. Sie stoppen den Lebenszyklus der Viren, indem sie wichtige molekulare Scheren, die Proteasen, hemmen.
Segensreich sind die neuen Medikamente vor allem für viele Patienten aus den USA und Europa, die mit dem Hepatitis C-Virus vom Genotyp 1 infiziert sind. Im Vergleich zu den Genotypen 2 und 3 zeigt diese Form des Virus sich nämlich wenig beeindruckt von der bisher üblichen Kombinationstherapie aus Ribavirin-Tabletten und gespritztem Interferon alpha. Als Dreifach-Therapie mit den neuen Wirkstoffen ist die Behandlung jedoch sehr erfolgreich.
Die bisherige Kombitherapie zieht sich über fast ein Jahr hin, oft länger. Für viele ist sie wegen der Nebenwirkungen ein großes Problem. Dass man sie nun nicht mehr so lange ertragen muss, ist bereits eine Erleichterung. Die Hoffnung ist, dass eine Kombination der neuen Mittel die Heilung allein schaffen könnte.
„Obwohl sie teuer sind, könnten die Krankenkassen langfristig Geld sparen, weil weniger Leberzirrhosen und Leberzellkarzinome behandelt werden müssen und weniger Transplantationen nötig sind“, sagt Roggendorf.
Allerdings wird die Chance auf Heilung mit Nebenwirkungen wie Blutarmut und Hautausschlägen erkauft. Wer ab wann und nach welchem Schema behandelt werden sollte, aber auch, wann eine Therapie abgesetzt werden muss, ist eine Wissenschaft für sich. Aktuelle Empfehlungen zum Einsatz der neuen Mittel ergänzen inzwischen die Leitlinien zur Hepatitis-C-Behandlung. Meist könne die Therapie beim Genotyp 1 auf 24 bis 28 Wochen verkürzt werden, heißt es dort. Außerdem könnten beim ersten Anlauf mit der Triple-Therapie bis zu 75 Prozent der Infizierten vom Virus befreit werden. Gegenüber den maximal 44 Prozent, die bisher zu erreichen waren, ist das ein bedeutender Fortschritt. Ob er eine Reihenuntersuchung ganzer Jahrgänge auf das Virus rechtfertigt, das zudem in Europa etwas weniger verbreitet ist als in den USA, ist eine andere Frage.
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