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Pinselohr. In freier Wildbahn sind Luchse nur mit viel Glück zu sehen. Die scheuen Tiere streifen durch unwegsames Gelände und sind nachtaktiv.
© picture alliance / dpa

Artenschutz: Die Spur der Luchse

Mit Satellitentechnik verfolgen Forscher, wie die Raubkatzen im Harz wieder heimisch werden.

Ein Hang im Harz, mitten im einstigen Grenzgebiet zwischen DDR und BRD. Hoch türmen sich unzählige Felsbrocken auf, Moos wächst auf ihnen. Ein Fichtenwald, der den Hang zur Hälfte bedeckt, bietet Schutz vor dem Wind, der über das übrige Gelände mit einiger Stärke dahinfegt. Der Rauheit des Harzes macht dieser Flecken Land alle Ehre. Zweibeiner kommen hier nur mühsam voran, zu unwegsam ist das Gelände. Aber Menschen kommen ohnehin nur selten hierher.

Dieser Hang ist einer der Lieblingsplätze der Luchsdame namens F2. Bis vor zwei Jahren war das Tier vom Luchsprojekt Harz überwacht worden. Auch jetzt noch zeigt sie sich dessen Mitarbeitern auf Fotofallen. Ole Anders, Leiter des Telemetrieprojektes bei der Nationalparkverwaltung in Bad Harzburg, kann sich noch sehr gut daran erinnern, als die Luchsin ihnen in die Falle ging. „Das war in der Nähe der Rabenklippe, als sie mal wieder eine Stippvisite an unserem Schaugehege gemacht hat. Die wilden Luchse kommen oft hierher, schließlich leben im Gehege potenzielle Geschlechtspartner.“

Vorsicht Falle. Mit solchen Kästen fängt Ole Anders Luchse ein.
Vorsicht Falle. Mit solchen Kästen fängt Ole Anders Luchse ein.
© Anke Wilde

Einen Luchs zu fangen, ist längst nicht so schwer, wie einen Wolf zu fangen. Die Tiere sind zwar scheu, orientieren sich aber mehr mit ihren Augen als mit der Nase, sagt Ole Anders. Vorkehrungen zur Geruchsneutralisierung und langes Warten sind darum nicht nötig. Wird ein Reh gefunden, das offenbar frisch von einem Luchs gerissen worden war, dann bringen die Mitarbeiter des Luchsprojekts die Falle (siehe Foto) an den jeweiligen Ort und legen den Kadaver um den Auslösemechanismus für die Fallklappe herum. Meist kommen die Luchse bald wieder, um auch den Rest des erlegten Tieres zu verspeisen. Nicht immer ist der Fangversuch erfolgreich, aber einmal in seinem Leben lässt sich ein Luchs dann doch mal austricksen. So auch F2. „Als sie in die Falle ging, kam mitten in der Nacht, so gegen halb zwölf, die SMS.“ Die wird automatisch herausgeschickt, sobald die Klappe hinter einem Luchs zufällt. Schon am nächsten Morgen war die Großkatze wieder frei, ausgestattet mit ihrem Namen – F2 – und einem GPS-Halsband.

Dreizehn Monate lang begleitet ein solches Halsband die Luchse im Harz, dann öffnet sich der Schließmechanismus und es fällt ab. Momentan tragen acht Tiere ein solches Halsband. Permanent sendet es ein hochfrequentes UKW-Signal, das für die Tiere nicht hörbar ist, jedoch per Richtfunkantenne geortet werden kann. Zusätzlich positioniert sich das Halsband zweimal täglich mithilfe der GPS-Satelliten, immer mittags und nachts. Nach sieben Positionierungen schickt das Halsband eine SMS mit den Ortsdaten an den Hersteller, der sie an die Nationalparkverwaltung weiterleitet und in eine Datenbank eingibt.

Bei F2 war tagsüber auffällig oft der felsige Hang aufgetaucht, ein Zeichen, dass sie hier gern ihr Nickerchen macht, bevor sie in den Abendstunden auf die Jagd geht. Auch jetzt finden sich Zeichen von ihr an diesem Platz: Haare, die sie im Moos verloren und die der Wind noch nicht verweht hat. Ole Anders hat seine ganz persönliche Methode, solche Ruheplätze zu identifizieren: „Wenn man so einen mutmaßlichen Tageslagerplatz hat, dann schaut man sich um, wo man selbst gern liegen und ein wenig dösen würde.“

Die GPS-Technik erspart den Forschern des Luchsprojekts im Vergleich zur klassischen Richtfunktechnik eine Menge Zeit und Wege. Zudem brachte sie ihnen viele Erkenntnisse über das Streifverhalten der Luchse. Die nachtaktiven Großkatzen sind Einzelgänger und besetzen Reviere, die im Schnitt 100 Quadratkilometer groß sind. Während Weibchen sich gegenseitig meiden, sobald sie ihr Streifgebiet gefunden haben, halten die Männchen es mit den Grenzen nicht so genau. Sie versuchen, die Gebiete von möglichst vielen Weibchen abzudecken und dringen dazu gern in das Revier ihrer Rivalen ein, um dort ihre Duftmarken zu setzen und das Gebiet so als das ihre zu deklarieren.

Die Reviergrößen sind für die Biologen eine wichtige Kennzahl dafür, wie viele Luchse eigentlich in den Harz passen. Bei dem Luchsprojekt nämlich geht es nicht nur um wissenschaftliche Erkenntnisse. Ziel ist es, eine Art in ihre einstigen Verbreitungsgebiete zurückzubringen, die bis vor kurzem in Mitteleuropa nahezu ausgerottet war. Bis ins 19. Jahrhundert hinein galten Luchse als Nahrungskonkurrenten des Menschen und wurden deshalb – ähnlich wie der Wolf – mit einigem Aufwand bejagt. Erst seit den 1970er Jahren wurden Luchse in ihren alten Lebensräumen wieder angesiedelt.

In den Harz kamen die Großkatzen zur Jahrtausendwende zurück. 24 Luchse wurden zwischen 2000 und 2006 ausgewildert. Sie stammen aus verschiedenen europäischen Wildparks und haben sich seitdem fleißig vermehrt. Hinzu kamen noch zwei Jungtiere, die 2007 aus einem Wildpark in Wernigerode ausgebüchst waren. Inzwischen gilt der gesamte Harz mit seinen 2500 Quadratkilometern als wieder besiedelt. Dennoch sind immer wieder auch Rückschläge zu verzeichnen, manche Tiere verenden im Straßen- oder Schienenverkehr, andere sind an der Fuchsräude eingegangen.

Die Tierschützer im Harz hoffen, dass sich ihre Luchse bald mit anderen bestehenden Populationen verbinden werden, beispielsweise mit der im Bayrischen Wald. Anders: „Wenn man es ernst meint mit der Wiederansiedlung, dann müssen die Lücken zwischen den jetzigen Vorkommen geschlossen werden. Es muss zum genetischen Austausch zwischen den Populationen kommen, damit die Tierart nicht durch den genetischen Flaschenhals geht und ein zweites Mal ausstirbt.“

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