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Er hat’s gefunden! Der frischgebackene Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell demonstriert, dass er mit Leidenschaft und Vergnügen bei der Sache ist.
© Körber-Stiftung/ Friedrun Reinhold

Nobelpreis für Chemie 2014: Die Physik ist für Stefan Hell ein Abenteuer

„Ich liebe Herausforderungen“, sagt er über sich. Man brauche Vorstellungskraft, um sich immer wieder neu an ein Problem zu wagen und an Grenzen zu rütteln. Ein Kurzporträt.

Als Stefan Hell auflegt, macht er zunächst weiter, als sei nichts geschehen. Zumindest den einen Absatz will er noch zu Ende lesen, die Studie interessiert ihn. Hell braucht einen Moment, bis er begreift, was gerade passiert ist. Der Anruf kam aus Stockholm. Der 51-jährige Forscher vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hat gemeinsam mit seinen amerikanischen Kollegen Eric Betzig und William Moerner den Nobelpreis für Chemie gewonnen, am 10. Dezember werden die Medaillen überreicht. Jetzt muss er doch mit seiner Frau sprechen.

Im obersten Stockwerk von Turm 2 auf dem Göttinger Max-Planck-Campus richten sich derweil alle Augen auf seine verschlossene Bürotür. Erwartungsfroh und stolz. Um 12.28 Uhr öffnet sie sich endlich, Hell tritt zögernd in den Flur, wirkt ein bisschen verlegen. Ohrenbetäubender Jubel brandet auf. Er lächelt. Die Gratulanten loben seine Hartnäckigkeit, sein Festhalten an seiner Vision. Dass er an Grenzen rüttelte, die als unumstößlich galten. „Normalerweise überlebt eine Karriere so etwas nicht“, sagte Staffan Normark, der Sekretär der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften während der Pressekonferenz des Nobelpreis-Komitees. „Er hat es geschafft.“

Physik ist für Stefan Hell ein Abenteuer, mindestens so interessant wie die Tiefseeforschung. „Ich liebe Herausforderungen“, sagt er über sich. Man brauche Vorstellungskraft, um sich immer wieder neu an ein Problem zu wagen.

Dass er Naturwissenschaftler wurde, entsprach nicht nur seiner Begabung. Es hatte praktische Gründe. Denn seine Kindheit verbrachte Hell in einer deutschsprachigen Ortschaft nahe der rumänischen Stadt Arad, in Banat. Dort wurde er 1962 geboren und besuchte ein Gymnasium mit Spezialklassen für Mathematik und Physik. Seine Eltern, ein Ingenieur und eine Grundschullehrerin, förderten seine Begabung. Geschichte oder Literatur seien sehr von der Ideologie gefärbt gewesen, sagt er. Die Naturwissenschaften hingegen hätten unabhängig davon Bestand. „Bei uns war niemand Kommunist.“

Die Suche nach Zusammenhängen zieht sich durch sein Leben

1978 siedelte die Familie nach Ludwigshafen um. Hell glänzte in der neuen Schule nicht nur in Mathe und Physik, sondern auch in Deutsch. Linguistik und Etymologie begeistern ihn noch heute. Die Suche nach Zusammenhängen – egal ob in der Physik oder anderen Disziplinen – zieht sich durch sein Leben. „Leute, die auswendig gelernt haben, habe ich immer ein wenig verachtet.“

Er studierte in Heidelberg Physik, schloss dort mit der Promotion ab. Doch von seinen Ideen zur Lichtmikroskopie wollte niemand etwas wissen. Als freier Erfinder, mit einem Zuschuss der Großeltern, tüftelte er zunächst im stillen Kämmerlein und meldete ein Patent an. Veröffentlichungen in Fachzeitschriften konnte er nicht vorweisen. Stattdessen hangelte er sich von Stipendium zu Stipendium, ging nach Turku in Finnland, nach Oxford und schließlich nach Göttingen. Zwölf Jahre war er immer wieder am Rande des Scheiterns. „Ich dachte: Wenn es nicht geht, dann nicht“, sagt Hell. „Dann hab ich es wenigstens probiert.“

Seit 2002 ist er nun Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, außerdem leitet er die Abteilung „Optische Nanoskopie“ am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Inzwischen wird Hell mit Preisen überhäuft. 2006: Deutscher Zukunftspreis, 2008: Leibniz-Preis, 2011: Körber-Preis, 2014: Kavli-Preis. Und nun die höchste aller Ehrungen. Einen Ruf nach Harvard lehnte er 2008 ab. Deutsche Forschung kann mithalten, sagt Hell. „Wir sind bei Harvard und Stanford sehr gefürchtet.“ (mit dpa)

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