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In der Nische stand bis 2001 der Große Buddha. Einst war er bunt bemalt sagen Forscher.
© AFP

Afghanistan: Die bunten Buddhas von Bamiyan

Vor zehn Jahren wurden die bedeutenden Skulpturen in Afghanistan von den Taliban zerstört. Die Rekonstruktion bereitet Probleme.

Zehn Jahre ist es her, dass die Taliban die riesenhaften Buddha-Statuen im afghanischen Bamiyan-Tal sprengten. Der Terrorakt vom 12. März 2001 pulverisierte zwei Unikate des Weltkulturerbes. In den vergangenen Jahren gab es vielfältige Rettungsversuche von Wissenschaftlern und Technikern vor allem aus Deutschland und Japan. Rund 9000 Blöcke der Figuren konnten gesichert werden.

Mehrere hundert davon haben Münchner Wissenschaftler untersucht. Erwin Emmerling, Professor am Institut für Restaurierung und Konservierungswissenschaft, berichtet über den aktuellen Stand: „Die Buddhas hatten eine farbintensive Erscheinung.“ Der Große Buddha leuchtete in Rot, das kleine Pendant war in ein weißes Gewand gehüllt, die Innenseiten der Roben kontrastierten in Hellblau. Die beiden Figuren waren im Lauf der Jahrhunderte mehrfach übermalt worden, mit raffinierten Zumischungen wurde der bis zu acht Zentimeter dicke Lehmputz elastisch gehalten und mit einer Armierung aus Seilen am Abrutschen vom Fels gehindert. Emmerling, dessen Institut auch an der Konservierung der chinesischen Terracotta-Armee beteiligt ist, hält eine partielle Wiederherstellung der afghanischen Statuen für möglich.

Vor knapp 1500 Jahren meißelten buddhistische Mönche in nahezu akrobatischer Manier die beiden Buddha-Bildnisse aus der kilometerlangen, porösen Sandsteinwand des Bamiyan-Tals, 230 Kilometer nordöstlich von Kabul in 2500 Meter Höhe gelegen. Dazu schlugen sie zunächst seitliche Spalten in den Fels, die sie mit Treppen begehbar machten. Von dort aus arbeiteten sie die Figuren von oben nach unten aus dem Stein heraus. 55 Meter hoch und 12 Meter tief war der Große Buddha, 38 Meter hoch der Kleine – damit entspricht er der New Yorker Freiheitsstatue vom Fuß bis zum Strahlenkranz.

Das Bamiyan-Tal lag an einer der Seidenstraßen zwischen Mittelmeerraum und Ostasien und wurde im ersten nachchristlichen Jahrtausend zu einer Raststation der Handelskarawanen und zu einem der größten buddhistischen Kultzentren außerhalb Indiens. Tausende von Mönchen sollen Kultnischen und Klosterhöhlen betreut haben. Nach Untersuchungen der ETH Zürich und der Uni Kiel ist der Große Buddha der jüngere. Er wurde zwischen 591 und 644 n. Chr. aus dem Fels geschlagen, sein kleiner Bruder erstand zwischen 544 und 595 n. Chr. Statuen und Wandmalereien waren von indischen, griechischen und ostasiatischen Einflüssen geprägt. Nach der Islamisierung Afghanistans im achten Jahrhundert verlor das Tal seine religiöse Aura, blieb aber Symbol der kulturellen Identität des hier lebenden Hazara-Stammes.

Die Hazara wünschen sich die Wiederherstellung der Figuren, auch in der Hoffnung auf Prosperität durch Tourismus. Doch die meist sunnitischen Herrscher in Kabul waren den Schiiten im Bamiyan-Tal schon immer in herzlicher Abneigung zugetan. Die Taliban waren nicht die Ersten, denen die Buddha-Grotten von Bamiyan ein Dorn im Auge waren. Vor rund 1000 Jahren zerstörte der türkische Eroberer Mahmud von Ghazni die Gesichter der Figuren. 1919 ließ der als „Vater des modernen Afghanistan“ gefeierte Amir Amanullah die Statuen mit Kanonen beschießen. Aber erst die radikalen Islamisten vernichteten die Symbole des vorislamischen „Unglaubens“ gänzlich. Dabei taten sie sich schwer, es mussten Sprengsätze in den Nischen gezündet werden, um aus den Kolossen Schutthaufen zu machen – 2000 Kubikmeter Steinbrocken und Lehmstaub, acht Meter hoch zu Füßen des Großen Buddha.

Die ersten Schritte zur Bestandsaufnahme und Sicherung wurden an der ETH Zürich getan. Armin Grün, Pionier in der Anwendung fotogrammetrischer Methoden in der Archäologie, gelang eine Rekonstruktion des Großen Buddha – allerdings nur im Computer. Das Glück spielte dabei mit: Grün trieb zwei Fotografien aus den siebziger Jahren auf, bei denen Kameraeinstellung und Fotografenstandort bekannt waren.

Mit solchen Daten kann der Computer in einem gewaltigen Rechnereinsatz aus den Fotografien ein dreidimensionales Modell kreieren. Das kann man drehen und kippen, hintergehen oder zoomen, selbst die kleinsten Falten der Kleidung oder Risse im Lehmputz sind zu erkennen. Grün verkündete schon 2002, dass es möglich sei, „den Großen Buddha mit all seinen Details auf einen Zentimeter genau rekonstruieren“. Ein 30-Zentimeter-Modell, gefräst aus einem Kunststoffblock, und eine 3-D-Postkarte belegen die generelle Wirksamkeit der Methode. Vom Kleinen Buddha waren zunächst keine Fotografien aufzufinden. Nach einem öffentlichen Appell tauchten doch noch brauchbare Bilder auf. Seit 2007 kann der emeritierte Züricher Professor auch den Kleinen Buddha virtuell rekonstruieren. Um einiges schwieriger wäre allerdings die tatsächliche Wiederherstellung der Figuren nach diesen Vorlagen. Zum einen hat die Explosion nicht nur die Statuen, sondern auch die Nischenwände stark in Mitleidenschaft gezogen. Zum zweiten bleibt die Zuordnung und Platzierung der vorhandenen Fragmente bei dieser fotogrammetrischen Methode völlig offen. Beide Probleme ging ein multidisziplinäres Team um Michael Jansen an. Der Professor für Stadtbaugeschichte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) dokumentierte mit hochmodernen Laserscannern ab 2004 die Wände der Nischen und hat daraus ein begehbares 3-D-Modell erstellt.

Es ist so präzise, dass auch in der Computeranimation die einzelnen Schichten des in Jahrmillionen gepressten Sedimentgesteins deutlich zu unterscheiden sind: In Farbe und Zusammensetzung weichen sie erkennbar voneinander ab. Diese Unterschiede finden sich nun auch in den Bruchstücken der Buddhas, so dass jetzt die Zuordnung der einzelnen Fragmente zu bestimmten Schichten der Felswand möglich ist. Michael Jansen: „Rein technisch wäre also ein Wiederaufbau möglich.“ Im Computer kann er die Skulpturen aus den noch vorhandenen Bruchsteinen bereits zusammensetzen.

Zumindest beim Kleinen Buddha hält nun auch der Münchner Restaurator Emmerling eine Wiederherstellung für möglich, beim Großen Bruder mit seinen zwölf Metern Tiefe ist er eher skeptisch. Das Hauptproblem für den Konservator liegt in der chemischen Stabilisierung der Gesteinsbrocken: Herkömmliche Verfahren würden wohl dem afghanischen Klima nicht standhalten. Eine neue Methode, bei der das Gestein mit einer siliciumorganischen Verbindung im Inneren gefestigt wird, scheint jedoch vielversprechend. Dafür müssten Tausende von Steinen nach Deutschland gebracht oder im Bamiyan-Tal eine Fabrik gebaut werden. Beides ist kaum realistisch. Für die Kosten gibt es nur vage Schätzungen, die sich im Millionen-Euro-Bereich bewegen.

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