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Gute Schule. Dafür braucht es Bund, Länder und Kommunen. Aus der SPD-Bundestagsfraktion kommt darum jetzt ein neuer Vorstoß zu einem „Nationalen Bildungsrat“.
© picture alliance / dpa

DGB-Bilanz nach dem Bildungsgipfel: Die Bildungsrepublik verfehlt ihre Ziele

Bilanz nach dem „Bildungsgipfel“ 2008: Eine DGB-Studie kritisiert die anhaltende „soziale Spaltung“. Insbesondere die Zahl der Jugendlichen ohne Schul- oder Berufsabschluss bleibe hoch.

Im Herbst 2008 riefen die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten auf ihrem „Bildungsgipfel“ die „Bildungsrepublik Deutschland“ aus. Ehrgeizige Ziele verabredeten sie, die bis 2015 erreicht werden sollten. Doch die meisten dürften wohl verfehlt werden: Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie des Essener Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag des DGB, die am Mittwoch veröffentlicht wurde (hier die gesamte Studie). Klemm untersucht seit 2010 jährlich, was aus den Zielen geworden ist.

So weit ist die Bildungsrepublik gekommen

Eine „gemischte Bilanz“ zieht Klemm. Zwar seien einige Vorgaben umgesetzt worden. So ist die Zahl der Studienanfänger rasant gestiegen – statt wie geplant 40 Prozent nahmen bereits im Jahr 2013 57,5 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium auf. Ebenfalls bilden sich mehr Menschen fort, der anvisierte Sprung von 40 auf 50 Prozent bei der Weiterbildungsbeteiligung gelang schon 2012.

In anderen Bereichen sieht es dagegen düsterer aus. Dass die Quote der Schulabgänger ohne jeglichen Abschluss wie angestrebt von acht auf vier Prozent halbiert wird, „ist kaum zu erwarten“, heißt es. Zwar ist der Anteil im Jahr 2013 auf 5,7 Prozent gesunken. Doch insbesondere in Ostdeutschland schaffen viele Schüler nicht einmal einen Hauptschulabschluss. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 10,3 Prozent (der niedrigste Wert liegt in Hamburg und Bayern bei 4,5 Prozent, in Berlin sind es 8 Prozent).

Die Bildungsausgaben gehen leicht zurück

1,4 Millionen junge Erwachsene verfügten 2013 nicht über einen Berufsabschluss. Das sind 13,8 Prozent der 20- bis 29-Jährigen (siehe Grafik). Für „völlig ausgeschlossen“ hält es Klemm, dass die geplante Halbierung dieser Quote von 17 Prozent im Jahr 2008 auf 8,5 Prozent im Jahr 2015 erreichbar ist. Beim Krippenausbau verfehlte Deutschland das Ziel, bis 2013 schon 35 Prozent der unter Dreijährigen in der Kita zu betreuen. Die Quote lag vielmehr bei 32,3 Prozent. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt schließlich geht nach einem zwischenzeitlichen Anstieg wieder leicht zurück. 2012 lagen sie bei neun Prozent des BIPs. Bis 2015 soll der Wert eigentlich auf zehn Prozent steigen.

Zentrales Problem: die soziale Schieflage

Gerade angesichts der vielen Jugendlichen ohne Schul- oder Berufsabschluss hält Klemm die soziale Spaltung im Bildungssystem für das gravierendste Problem: „Das Auseinanderklaffen zwischen der Lage der Begünstigten und der von Benachteiligten wird weiter verfestigt und immer wieder reproduziert.“ Dass es in Deutschland einen hohen Anteil von „Risikoschülern“ gibt, ist nicht zuletzt durch die Pisa-Studie bekannt geworden. Klemm weist darauf hin, dass selbst diejenigen, die einen Hauptschulabschluss schaffen, nicht immer die Mindeststandards für Hauptschüler erreichen. Gerade in Westdeutschland liegt die Quote der Neuntklässler, die die Mindeststandards verfehlen, oft deutlich über der Quote der Schulabbrecher.

"Abgehängte bleiben abgehängt"

Auf den ersten Blick positive Befunde, wie die höhere Weiterbildungsquote, offenbarten bei näherer Analyse ebenfalls erschreckende Tendenzen. So bildeten sich vor allem die ohnehin Privilegierten weiter – während Arbeitslose, Menschen ohne Berufsabschluss und Migranten deutlich seltener teilnahmen und „abgehängt bleiben“. Auch an die Hochschulen kommen demnach vor allem Kinder aus Akademikerfamilien. „Eine Bildungsrepublik sieht anders aus“, resümiert Klemm.

Wie die Probleme gelöst werden können

Was Jugendlichen beim Übergang in den Beruf helfen könnte

Die Jugendlichen müssen in der Schule schon früh auf mögliche berufliche Perspektiven aufmerksam gemacht werden. Welche Neigungen und Talente jemand hat, soll individuell erkannt werden. Beim Einstieg ins Berufsleben müssen die Jugendlichen dann eng und kontinuierlich betreut werden – so sollte es im Idealfall laufen, sagt Matthias Anbuhl, im DGB-Bundesvorstand Leiter der Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit, auf Anfrage. Die „Berufseinstiegsbegleiter“, die das Bundesbildungsministerium über sein Programm „Bildungsketten“ fördert, seien ein richtiger Schritt. Fast 1000 Begleiter erreichen bisher über 16 000 Jugendliche an über tausend Schulen, darunter 13 Prozent Förderschulen. Schon in der 7. Klasse erarbeiten sie eine „Potenzialanalyse“ mit den einzelnen Schülern. Der DGB fordert allerdings, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht nur Personal von Trägern mit Dumping-Löhnen dafür anheuert, die zwar „engagiert“, aber in der Berufswelt nicht immer gut vernetzt seien.

Mehr Nachhilfe in der Berufsschule

In der Berufsschule müssten die „ausbildungsbegleitenden Hilfen", also Nachhilfe, schon früher als bislang angeboten werden, nämlich bevor die Probleme eines Jugendlichen massiv geworden sind.

Die Übergangsmaßnahmen, in denen zur Zeit rund 260 000 junge Menschen auf einen Ausbildungsplatz warten, hält der DGB nicht für sinnvoll. Die Jugendlichen müssten sofort nach dem Abgang von der Schule „nah an die Betriebe“ herangeführt werden, sagt Anbuhl. Der DGB wünscht einen „Paradigmenwechsel“. Kleine und mittlere Betriebe, die sich zunehmend nicht mehr in der Lage sehen auszubilden, müssten flächendeckend von „Ausbildungsassistenten“ unterstützt werden. Ein Modellversuch, der in einigen Bundesländern läuft, sei vielversprechend, sagt Anbuhl. Die Assistenten bereiten kleine und mittlere Betriebe auf ihre Aufgaben in der Ausbildung vor, indem sie etwa Ausbildungspläne mitgestalten. Sie helfen bei der Auswahl von Azubis, betreuen die Azubis eng und vermitteln bei Konflikten.

Was noch passieren muss

„Wir brauchen einen neuen Bildungsgipfel“, fordert der DGB. Bund, Länder und Kommunen müssten zusammen mit den Sozialpartnern eine „gemeinsame Bildungsstrategie“ entwickeln.

Als ideales Gremium dafür brachte Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der AG Bildung und Forschung der SPD-Fraktion im Bundestag, am Mittwoch einen „Nationalen Bildungsrat“ ins Spiel. „Der gute Geist des Bildungsgipfels braucht auch eine institutionelle Form“, sagt er dem Tagesspiegel. Der Bildungsrat würde analog des Wissenschaftsrats gestaltet sein und Verabredungen zu den „großen Aufgaben des Bildungswesens“ treffen, sagte Rossmann. Es sei verdienstvoll, dass der DGB mit Klemms Studie einen Beitrag zum Bildungsmonitoring leiste. Doch eigentlich müsse auch das eine Aufgabe der Politik sein, die ebenfalls über den Bildungsrat bewältigt werden könne. Die Kultusminister der Länder sind bislang gegen einen Bildungsrat.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte bereits im November eine „gesamtstaatliche Bildungsstrategie“ gefordert. Jährlich sollten 23,5 Milliarden Euro mehr als bislang in Bildung fließen, vor allem in Kitas und Ganztagsschulen. Bisher nimmt nur ein Drittel der Schüler an Ganztagsangeboten teil.

Das Bundesbildungsministerium erklärte auf Anfrage, in dieser Legislaturperiode seien mehr als eine Milliarde Euro für die „Bildungsketten-Initiative“ eingeplant, besonders für die Berufsorientierung und die -einstiegsbegleitung. Die Bundesregierung wolle diesen Ansatz nun „in die Breite tragen“. Die Länder seien bereits gebeten worden, „sich finanziell und strukturell zu beteiligen“.

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