Baden-Württemberg: Die Asten kehren zurück
Baden-Württembergs Studierende dürfen wieder in der Hochschulpolitik mitmischen. Doch bis es so weit ist, sind noch ein paar Hürden zu nehmen.
Schwarze T-Shirts, über den Mündern ein schwarzes Tape, über den Köpfen ein Plakat: „mundtot seit 1977“. So protestierten Studierende an der Universität Freiburg im Herbst 2010 bei einem Besuch des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus im Audimax.
Ende der 70er Jahre hatte die damalige schwarze Landesregierung – wie es schon 1973 in Bayern geschehen war – die verfasste Studierendenschaft in Baden-Württemberg abgeschafft. Sie galt ihr als zu links und aufrührerisch. Aus der Sicht der CDU erwartete die Bevölkerung von der Regierung, die „politischen Umtriebe, die unsere Hochschulen an der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben hindern“, zu unterbinden.
Zwar durften die Studierenden im Südwesten noch immer Asta-Vertreter wählen. Diese hatten aber wenig Rechte: In Debatten über Bologna oder das Bafög etwa durften sie sich nicht einmischen, weil ihnen das hochschulpolitische Mandat fehlte. Genauso war ihnen verboten, Verträge wie die über ein Semesterticket zu schließen. Auch bekamen die Asten lediglich ein geringes Budget vom Land.
Seit diesem Sommer ist das anders. Die grün-rote Landesregierung hat eines ihrer Wahlversprechen eingelöst und die verfasste Studierendenschaft wieder eingeführt. Sie ist die politische Vertretung aller Studenten einer Hochschule. Wie in der hohen Politik besteht die verfasste Studierendenschaft aus einer Legislative – an vielen Hochschulen in Gestalt des Studentenparlaments – und einer Exekutive, dem Asta. Parlament und Asta streiten beispielsweise mit der Unileitung für bessere Studienbedingungen, beraten Studienbewerber, die sich einen Studienplatz erklagen wollen, oder veranstalten Partys. Um dies zu finanzieren, bezahlt jeder Student zwischen sieben und 13 Euro im Semester. Über die Verwendung des oft sechsstelligen Haushalts entscheiden die gewählten Vertreter.
Am Gesetz, das ihnen ihre offiziell anerkannte Stimme zurückgegeben hat, durften die Studenten in Baden-Württemberg selbst mitschreiben – zumindest ein bisschen. Auf einer Website konnte jeder den Entwurf kommentieren, „gefällt mir“ drücken oder meckern. Als „erstes internetgestütztes Gesetzgebungsverfahren in Baden-Württemberg“ pries das Wissenschaftsministerium die Aktion.
Die Studentenvertreter sind gleichwohl nicht mit allen Punkten der Reform einverstanden. Auf besondere Kritik stößt ein Paragraf, der die Studierendenschaften verpflichtet, einen eigenen Haushaltsbeauftragten einzustellen, der über ihre Finanzen wacht. Den müssen die Studentenvertretungen selbst bezahlen. Besonders kleine Hochschulen bringe die Klausel in finanzielle Not, sagt Marie Haibt, Sprecherin des Präsidiums der Landesastenkonferenz.
Der RCDS, die Studentenvereinigung der CDU, ist grundsätzlich gegen die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft. Von „Zwangsmitgliedschaft“ aller Studenten spricht Erik Bertram vom RCDS Baden-Württemberg. Das Geld, das den Asten bislang zur Verfügung stand, habe vollkommen ausgereicht. In der Tat sind Asten immer wieder in die Schlagzeilen geraten, etwa weil sie das Geld ihrer Studenten bei kostspieligen Partys verschwendet hätten. Der Asta der Freien Universität Berlin machte vor ein paar Jahren 176 000 Euro Verlust, weil er von ihm vergebene Bürgschaften nicht wieder eintreiben konnte. Davon abgesehen interessieren sich nur wenige Studenten überhaupt für politische Mitbestimmung an der Uni. Bei Wahlen des Studentenparlaments gibt fast überall nur eine Minderheit ihre Stimme ab. An der Humboldt-Universität zu Berlin lag die Wahlbeteiligung zuletzt bei fünf Prozent.
In Baden-Württemberg müssen die Studierenden nun Satzungen schreiben, in denen sie festlegen, ob ein Studentenparlament, ein Rat aus Fachschaftsvertretern oder eine Vollversammlung über ihre Belange entscheidet. Die Entscheidung soll in Urabstimmungen fallen. Gewählt werden könnte dann an den meisten Hochschulen zu Beginn des kommenden Wintersemesters. An der Uni Freiburg weiß man indes schon, was die neue Freiheit bringen soll. Den Autoverleih für Kommilitonen wolle man ebenso ausbauen wie die Fahrradwerkstatt, und für das Semesterticket sollten bessere Konditionen verhandelt werden, sagt Asta-Vertreter Julian Schreck.
Ann-Kathrin Nezik
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